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Musikgeschichte

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Fürst Karl zu Nassau-Usingen begründete nach 1744 eine Musikkapelle, die den Kurgästen Abwechslung bieten sollte. In einem Holzbau im Herrengarten fanden Schauspiele und musikalische Darbietungen statt. Unter dem Direktor Johannes Leppert, der seit 1767 in Wiesbaden wirkte, wurden z. B. die Singspiele »Doktor und Apotheker« und »Rotkäppchen« von Carl Ditters von Dittersdorf (1739–1799) aufgeführt, später unter Franz Grimmer Mozarts Singspiel »Bastien und Bastienne«. Dazu kamen die beliebten Melodramen (gesprochene Texte mit komponierter Musikbegleitung). Im Schützenhof und im Hoftheater erlebten die Zuhörer auch Werke des Musiktheaters, meist französische Kammeropern. Es gab ein kleines Opernorchester, welches durch Mitglieder der Herzoglichen Hofkapelle in Biebrich verstärkt wurde. Im neuen Theater (1827–96) an der Stelle des heutigen Hotels Nassauer Hof mit größerer Bühne und mehr Raum für das Orchester fanden Aufführungen der »Vestalin« von Gaspare Spontini (1774–1851) und des »Freischütz« von Weber statt. Später folgten »Wilhelm Tell« und »Der Barbier von Sevilla« von Rossini, »Jessonda« von Louis Spohr (1784–1859) sowie »Robert der Teufel« von Giacomo Meyerbeer (1791–1864) sowie einige Opern von Vincenzo Bellini (1801–1835).

Herzog Adolph zu Nassau löste 1842 das Biebricher Hoforchester auf und integrierte es in das neu konzipierte Hoftheater (mit Christian Rummel als Hofkapellmeister). Es stand nun ein Theaterorchester mit 33 festen und sechs zusätzlichen Musikern zur Verfügung. Dazu kamen 13 Gesangssolisten und ein 27 Mitglieder umfassender Opernchor. 1836 wurde der erste Musikverein gegründet (Aufführung von Haydns »Schöpfung« 1838 im alten Kurhaus), 1841 ein Damen- und ein Männergesangverein, die auch gemeinsam Konzerte gaben. Aus diesem Klangkörper entwickelte sich der Cäcilienverein (1854) (seit 1938 Chor der Stadt Wiesbaden). Ein Großteil der musikalischen Darbietungen wurde von militärischen Klangkörpern bestritten, vor allem vom »Herzoglichen Nassauischen 2. Infanterie-Regiment«. Unter Kapellmeister Louis Schindelmeißer begannen die Aufführungen von Wagner-Opern: 1852 »Tannhäuser« als zweite Aufführung nach der Uraufführung 1850 in Weimar, 1853 »Lohengrin« – mit einer Inszenierung, die Wagner überhaupt nicht gefiel. Unter Johann Baptist Hagen wurden weitere Wagner-Opern einstudiert, auch Werke von Verdi und Albert Lortzing (1801–1851). Hagen veranstaltete auch große »Sinfonische Konzerte« im Kurhaus. In dieser Zeit lebte in Wiesbaden auch der überaus produktive Komponist Joachim Raff.

Das Hoftheater engagierte zahlreiche berühmte Musiker der Zeit, wenngleich Wiesbaden damals (noch) keine weltläufige Ausstrahlung besaß: Der Wiener Kritiker Eduard Hanslick (1825–1904) schrieb, dass der 1865–80 amtierende Kapellmeister Wilhelm Jahn »in der Abgeschiedenheit Wiesbadens um seinen Ruhm komme«. Unter Jahn verlor die »Neudeutsche Schule« um Wagner und Liszt an Bedeutung im Spielplan; er war mit dem oft in Wiesbaden weilenden Brahms befreundet und konzentrierte sich musikalisch stärker auf Gluck, Mozart und Schumann. Eine Ausnahme stellte die Einstudierung von Wagners »Meistersingern« im Rahmen des Tonkünstlerfestes dar, das 1879 unter Franz Liszts Leitung im Kurhaus stattfand. Ab 1887 wurden dann unter Franz Mannstaedt alle Wagner-Opern in Wiesbaden aufgeführt, 1899 erstmals der komplette »Ring des Nibelungen«. Neben dem Hoforchester entstand 1872 das Städtische Sinfonieorchester, das zugleich Kurorchester mit zwei täglichen Auftritten im Freien und bei Bällen sowie Konzertorchester mit ambitioniertem Anspruch sein wollte. Unter Einfluss von Raff und Hans von Bülow (1830–1894) entwickelte sich in Klangkörper, der auf hohem Niveau ca. 15 Sinfoniekonzerte pro Saison bestritt.

Viele Gesangvereine wurden auch in den ursprünglich eigenständigen Vororten gegründet, manche von ihnen bestehen noch heute. Genannt seien die Gesangvereine in Auringen (1882), Biebrich (1841, 1870 und 1891), Bierstadt (1859 und 1883), Delkenheim (1853 und 1889), Dotzheim (1875), Erbenheim (1861), Frauenstein (1872 und 1906), Igstadt (1869), Kastel (1844), Kloppenheim (1859), Kostheim (1844, 1854 und 1900), Medenbach (1875), Naurod (1860 und 1884), Nordenstadt (1850), Rambach (1862), Schierstein (1842, 1877 und 1904) und Sonnenberg (1865 und 1875).

Seit der Jahrhundertwende konnten für Konzerte im Kurhaus berühmte Künstler aus ganz Europa gewonnen werden. Aus Frankreich etwa kamen Camille Saint-Saëns (1835–1921), Eugène d’Albert (1864–1932), Charles-Marie Widor (1844–1937), Louis Vierne (1870–1934) und Marcel Dupré (1886–1971, an der großen Sauer-Orgel). Clara Schumann (1819-1896), Johannes Brahms, Hans von Bülow, Josef Joachim (1831–1907), Hermine Spies, Adelina Patti (1843–1919) und Pablo de Sarasate (1844–1908) waren zu Gast, später kamen Felix Mottl (1856–1911), Felix von Weingartner (1863–1942), Arthur Nikisch (1855–1922), Richard Strauss (seit 1889 fast jedes Jahr) und Gustav Mahler (Aufführung seiner 1. und 4. Sinfonie). Brahms wohnte im Sommer 1883 in Wiesbaden und vollendete seine dritte Sinfonie (von ihm auch seine »Wiesbadener Sinfonie« genannt), die er 1884 hier auch dirigierte. 1885 präsentierte er im Kursaal seine vierte Sinfonie. 1912 dirigierte Max Reger bei einem Gastspiel die Meininger Hofkapelle.

1872 wurde der Verein der Künstler und Kunstfreunde, 1888 das Wiesbadener Konservatorium gegründet. 1912 übernahm Carl Schuricht die Leitung des Städtischen Sinfonieorchesters, das auf 65 Mitglieder erweitert wurde. Mit seinen Aufführungen großer sinfonischer Werke erlangte er internationale Aufmerksamkeit; er prägte bis 1944 stark das Musikleben der Stadt. 1908 wurde der Bach-Verein ins Leben gerufen, der mit eigenem Kinderchor, gemischtem Chor und Orchester Werke des Komponisten aufführte. Ein Jahr später konstituierte sich der Philharmonische Verein Wiesbaden. 1916 entstand der Wiesbadener Orchesterverein.

Nach dem Untergang der Monarchie wurde das Theater ab 1919 als Preußisches Staatstheater Wiesbaden weitergeführt. Die Staatskapelle bestand nun aus 77 Musikern, der Chor des Theaters aus 52 Sängerinnen und Sängern. Bis 1927 wirkte Otto Klemperer als Generalmusikdirektor, der auch Regie führte. Unter dem damaligen Intendanten Paul Bekker fanden in Wiesbaden zahlreiche Uraufführungen moderner Opern statt. Die Zusammenarbeit des Theaterorchesters mit dem Städtischen Orchester begann sich zu vertiefen. Als Gastdirigenten traten Max von Schillings (1868–1933), Eugène d’Albert, Richard Strauss, Hans Pfitzner (1869–1949) und Max Korngold auf, außerdem Sir Thomas Beecham (1879–1961), Leo Blech (1871–1958) und Fritz Busch (1890–1951).

In der NS-Zeit entstanden neue Klangkörper (NS-Streichorchester, NS-Chorgemeinschaft), die Werke aufführten, die der herrschenden Ideologie entsprachen, wobei solche Stücke später auch von den städtischen Musikern dargeboten wurden (z. B. »Deutsches Heldenrequiem« von Gottfried Müller, 1914–1993). 1934 wurde in Wiesbaden das »Erste Deutsche Tonkünstlerfest im 3. Reich« veranstaltet. Bei der Hundertjahrfeier des Cäcilienvereins 1938 wurde eine Städtische Chorschule für Kinder ins Leben gerufen.

Nach Kriegsende fanden schon im Herbst 1945 wieder Konzerte statt (Mozart-Requiem), das Theater spielte ab 1946 in der Walhalla, ab 1947 im Großen Haus (Eröffnung mit Mahlers 3. Sinfonie). 1950 wurden die Maifestspiele wieder eingerichtet, ab 1951 konnte das Kurhaus für musikalische Aufführungen wieder benutzt werden. Im gleichen Jahr wurde das neue Kleine Haus des Staatstheaters mit den »Sinfonischen Variationen« von Hans Werner Henze eingeweiht. 1958 wurden die beiden bislang eigenständigen Orchester, das Städtische Kur- und Sinfonie-Orchester (48 Musiker) sowie das Theaterorchester (76 Musiker), zusammengelegt (90 feste Stellen). Das »Orchester des Staatstheaters Wiesbaden« tritt neben dem Operndienst mehrmals pro Saison in Konzerten im Kurhaus in Erscheinung und besitzt auch eine eigene Kammermusikformation. 1958 gab es in Wiesbaden 49 Männerchöre und 17 gemischte Chöre (mit 3.566 aktiven Mitgliedern) sowie 34 Kirchenchöre (mit 1.225 aktiven Mitgliedern). Dazu kamen jeweils drei Streich-, Mandolinen- und Akkordeonorchester, vier Posaunenchöre (evangelische Kirche) und drei weltliche Bläsergruppen.

Von 1990 datiert eine weitere Auflistung musikalischer Gruppen, Vereine und Institutionen, die die gesamte Breite musikalischer Ausdrucksformen umfasst. Darunter fallen neben Kirchenchören und Gesangvereinen auch Chöre, die an große Firmen bzw. Institutionen gekoppelt sind, z. B. die Chöre des Stadtreinigungsamtes (gegründet 1952), der Bäcker-Innung (seit 1937), der Wasserschutzpolizei (seit 1969), des Bundeskriminalamtes (1961), der Stadtwerke (1905, ESWE Versorgungs AG), der R+V Versicherung (1978) und der Firma Kalle in Biebrich (1888, Chemische Fabrik Kalle & Co.). Größere Instrumentalensembles sind das Johann-Strauß-Orchester, das Hessische Polizei-Orchester, der Wiesbadener Orchesterverein und das Orchester arco musicale Wiesbaden. Dazu kommen noch mehrere Blas-, Akkordeon- und Mandolinen-/Zupforchester, zahlreiche Musikvereine und oft mit Karnevalsvereinen gekoppelte Musikzüge. In Wiesbaden sind zudem viele Jazz-Ensembles und Bands aktiv. In vielen Schulen gibt es Chöre und Instrumentalensembles, die auch öffentlich auftreten. Seit dem Ende der 1960er-Jahre entwickelte sich auch in Wiesbaden eine Kultur des Rock und Pop.

Neben den städtischen gibt es zahlreiche private Musikschulen, z. B. die 1953 gegründete Jugendmusikschule. Dem Werk herausragender Komponisten haben sich mehrere Musikgesellschaften verschrieben: die Mozart- Gesellschaft, die Bach- und die Wagner-Gesellschaft (gegründet 1977), die Brahms-Gesellschaft, die (gegründet 1987) Rachmaninoff- und die Raff-Gesellschaft (gegründet 1996). Sie veranstalten Konzerte und Vorträge, organisieren Reisen und vergeben Stipendien.

In Wiesbaden geboren und (zumindest teilweise) ausgebildet wurden die überregional bekannten Musiker Paul Kuhn und Hans Zender (*1936). Regelmäßige jährliche Musikveranstaltungen sind die Bachwochen und der Musikherbst, zudem die Tage für Neue Musik. Auch die Programme des Rheingau Musik Festivals und der Eltviller Burghofspiele enthalten Konzerte in Wiesbaden. Über das Jahr verteilt sind die Zyklus- bzw. Sinfoniekonzerte des Hessischen Staatsorchesters sowie die ebenfalls im Kurhaus stattfindenden Meisterkonzerte und die Konzerte auf Henkellsfeld. Der 1994 gegründete Verein »amici dell’arte« gestaltet Kammermusikkonzerte im historischen Saal des Hessischen Justizministeriums. Zahlreiche Kirchengemeinden bieten Konzerte oder musikalische Vespern an, außerdem gibt es die Veranstaltungen der Musikvereine. Auch die jährlichen Kulturtage in verschiedenen Stadtteilen umfassen musikalische Darbietungen.

Literatur

Hack, Elke (Bearb.): Repertorien des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden. Abt. 428: Staatstheater Wiesbaden. Akten und Druckschriften 1810–1996. Hrsg.: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Wiesbaden 1997.

Hildebrand, Alexander/Vollmer, Eva Christina/Roland, Karl Heinz: Hessisches Staatstheater in Wiesbaden – Theater in Wiesbaden 1765–1978, Wiesbaden 1978.