Zweiter Weltkrieg
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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Wiesbaden erneut Militärstandort: Im Oktober 1936 zogen das Generalkommando des XII. Armeekorps sowie das dritte Bataillon des Infanterie-Regiments 38 in Wiesbaden ein. Auf dem ehemaligen Exerzierplatz an der Schiersteiner Straße wurde im Dezember 1937 die »Ochamps-Kaserne« eingeweiht. Auch andere Kasernen wie die Reduit wurden reaktiviert und erweitert, um neue Einheiten aufnehmen zu können. 1936 baute die Luftwaffe den Flughafen Erbenheim zum Luftwaffenstützpunkt aus. Bereits kurz nach der Machtübernahme 1933 begann das Regime mit den Vorbereitungen auf einen zukünftigen Luftkrieg.
In der Dotzheimer Straße 24 richtete man eine zentrale Organisationsstelle des Zivilen Luftschutzes ein. Kurz nach dem Überfall auf Polen wurde, neben einem Tiefbunker, an den Quellen am Kaiser-Friedrich-Platz und dem zum Bunker umfunktionierten Stollensystem an der Coulinstraße in der heutigen Friedrich-Ebert-Allee 8 auf dem Gelände eines Sportplatzes ein Hochbunker erbaut. Im Mai 1940 entstand ein weiterer provisorischer Luftschutzkeller mit Platz für 1.400 Menschen in unmittelbarer Nähe zum Kurhaus. Im Zuge der Mobilmachung wurden die meisten Schulgebäude beschlagnahmt und Sporthallen zu Lagerstätten für Lebensmittel umfunktioniert; ein geregelter Unterricht war zwischen 1941–44 nur unter großen Anstrengungen möglich.
Einrichtungen der Städtischen Krankenanstalten und der Wohlfahrtspflege wurden zu Lazaretten oder zur Versorgung Kriegsgeschädigter umgewidmet. Zu Beginn des Krieges wurde das Kriegsschädenamt, seit 1942 das sogenannte Wehrmacht- und Kriegsschädenamt, eingerichtet. Die großen Hotels wurden zeitweise ganz vom Militär und seiner Verwaltung in Anspruch genommen. Spendenaktionen für die Wehrmacht und sozialen Einrichtungen wie das Rote Kreuz sollten zur Finanzierung des Krieges und der damit verbundenen Aufwendungen beitragen. Die Einführung der 60-Stunden-Woche erfolgte erst im September 1944.
Um die Versorgung der Bewohner sicherzustellen und Engpässe wie im Ersten Weltkrieg zu verhindern, vergab die Verwaltung bereits am 28.08.1939 Lebensmittelkarten und ordnete den Bezug von Brennstoffen neu. Am 24.09. begann die zweite Zuteilungsperiode, in der mit Brot und Seifenkarten weitere Verbrauchsgüter reglementiert wurden. Im November wurden Kleiderkarten eingeführt und die Produktion von Dauerwurst, Schinken und Fleischkonserven eingestellt, um die Fleischversorgung sicherzustellen. Die Zuteilungsmenge blieb bis 1944 mit über 2.000 Kilokalorien pro Einwohner und Tag stets konstant hoch. Auch kulturelle Angebote des Staatstheaters oder des Kurorchesters konnten bis Ende 1944 aufrechterhalten werden. Seit 1944 durften allerdings in den Gärten nur noch Kartoffeln angebaut werden. Im September wurde die wöchentlich Brotration um 200 g gekürzt.
Bei der Brennstoffversorgung gab es in den ersten beiden Kriegsjahren kaum Engpässe, da der Bedarf durch die eigenen Reserven und die Ausbeutung der besetzten Gebiete gedeckt werden konnte. Die durch Rationierung bedingte Verknappung der Kohle bis 1944 konnte durch umfangreiche Sparmaßnahmen, in denen die Bewohner durch die Stadtverwaltung geschult wurden, kompensiert werden. Erst ab Herbst 1944 entschloss sich die Stadtverwaltung zum Holzeinschlag. Straßenweise wiesen die Förster den Bürgern Bäume zu, um den Kohlemangel durch Holz zu ersetzen.
Der Omnibusverkehr wurde von Jahr zu Jahr schwieriger. Busse fuhren unter anderem mit Stadtgas, das sich in Behältern auf dem Fahrzeugdach befand; als Schaffner setzte man Frauen ein, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Durch die zunehmenden Bombardierungen war ab 1944 an einen geregelten öffentlichen Personennahverkehr wie zu Friedenszeiten nicht mehr zu denken. Erste Einschränkungen im Fernverkehr erfolgten durch den Ausfall von D- und Eilzügen ab Juni 1944.
Die Kampfhandlungen des Krieges gingen an Wiesbaden nicht spurlos vorbei, zwischen August 1940 und März 1945 wurde die Stadt an 66 Tagen von alliierten Bombern angegriffen. Am 29.11.1940 wurden erste Lufttreffer auf das Rheinufer, die Erbenheimer Straße und das Heereszeugamt in Kastel gemeldet. Die ersten Todesopfer gab es nach einem Luftangriff am 06.05.1941 in der Fritz-Kalle-Straße Die Bomben, die am 12.08.1942 fielen, trafen neben verschiedenen Wehrmachtseinrichtungen die Produktionsanlage der Glyco-Metallwerke. Am 17.09.1942 erfolgte der erste umfangreichere Angriff auf Wiesbaden, bei dem unter anderem das Zementwerk Dyckerhoff und Söhne getroffen wurde. Erst ab dem 04.10.1943 beteiligten sich amerikanische Verbände an den Luftangriffen. Von Januar bis August 1944 kam es zu häufigeren Angriffen sowohl auf die Industrie- als auch die Wohngebiete.
Als eigentlicher Bombenkrieg, in dem zahlreiche Bürger ihr Leben verloren, gilt für Wiesbaden die Zeit von September 1944 bis zur Befreiung der Stadt. Am 13.09.1944 erfolgte ein massiver Angriff auf die Gleisanlagen, der den Bahnverkehr erheblich einschränkte. Sechs Tage später wurden unter anderem die Chemischen Werke Kalle, die Chemische Fabrik Albert sowie die Zementwerke Dyckerhoff vernichtend getroffen. 50 Menschen fielen diesem Angriff zum Opfer. In Folge der materiellen Zerstörungen sank die Zementproduktion um 50 %. Am 04.12.1944 wurde das Gelände des Bahnhofs Wiesbaden-Ost so stark zerstört, dass der Bahnbetrieb für eine Woche eingestellt werden musste. In der Folgezeit verlagerten die höhere SS- und Polizeiführung ihre Dienstsitze aus der Stadt in von Häftlingen des SS-Sonderlagers Hinzert errichtete sichere Ausweichquartiere am Waldrand. Bei heftigen Angriffen vom 08.02. und 28.07.1944 sind insgesamt 1.479 Fliegeropfer beurkundet.
Etwa 18 % des Wohnraums in Wiesbaden, Kastel, Amöneburg und Kostheim waren zerstört. Der schwerste Bombenangriff in der Nacht vom 02. auf den 03.02.1945 forderte 570 Menschenleben, 28.000 Bewohner verloren ihr Obdach. Besonders stark getroffen war das Kurviertel. Das Paulinenschlösschen wurde wie der Kurpark, das Kurhaus und das Theater, das Hotel Vier Jahreszeiten, die Marktkirche, das Stadtschloss, das Rathaus sowie das Polizeipräsidium stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Wasser-, Gas- und Stromleitungen waren bis Oktober 1945 noch nicht vollständig repariert. Der Volltreffer einer Luftmine in das Lyzeum neben der Marktkirche am Schlossplatz und der darauf folgende Einsturz erwiesen sich als tödliche Falle für viele Wiesbadener, die das massive Bauwerk als Luftschutzbunker genutzt hatten. Auch das Biebricher Schloss musste kurz vor Kriegsende schwere Schäden hinnehmen. Das Jagdschloss Platte wurde im Februar 1945 gezielt zerstört, da dort eine Flugabwehrstellung stationiert war. Neben diesen alliierten Treffern gab es auch vereinzelt deutsche Abschüsse angreifender Flugzeuge. Am 08.11.1944 wurde ein US-amerikanischer Jagdbomber von der Wiesbadener Luftverteidigung abgeschossen. Der Pilot konnte sich mit dem Fallschirm retten und schließlich verhaftet werden. Ein anderer abgeschossener Pilot der US-Air Force fiel dagegen am 30.12.1944 der Selbstjustiz einer aufgebrachten Menschenmenge in Delkenheim zum Opfer. Am Ende des Krieges waren etwa 30 % der Bausubstanz Wiesbadens zerstört.
Am 28.03.1945 endete der Zweite Weltkrieg für Wiesbaden mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen. Dem sogenannten Nerobefehl von Gauleiter Jacob Sprenger und Oberbürgermeister Felix Piékarski, der kurz vor seiner Flucht aus Wiesbaden noch am 25.03. zur Evakuierung der Stadt und Zerstörung ihrer Infrastruktur aufgerufen hatte, widersetzten sich der letzte Stadtkommandant Oberst Wilhelm Karl Zierenberg und die verbliebenen Verwaltungsbeamten Fritz Reeg, Christian Bücher und Dr. Carl Stempelmann. Dadurch konnten weitere Zerstörungen und Demontagen verhindert werden. Der Erste Beigeordnete und Stadtkämmerer Dr. Gustav Heß übergab entgegen den Befehlen von Militär und Partei die Stadt den Amerikanern. Als Zeichen der friedlichen Kapitulation wurde auf dem Hochbunker am Museum am 28.03.1945 um 5:45 Uhr die weiße Fahne gehisst.
Literatur
Kratz, Philipp: Die Luftangriffe auf Wiesbaden während des Zweiten Weltkriegs 1939–1945. In: Nassauische Annalen 117/2006.
Müller-Werth, Herbert: Geschichte und Kommunalpolitik der Stadt Wiesbaden unter besonderer Berücksichtigung der letzten 150 Jahre, Wiesbaden 1963.
Weichel, Thomas: Wiesbaden im Bombenkrieg 1941–1945, Gudensberg-Gleichen 2004.