Museum Wiesbaden
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Den Grundstock des Museums Wiesbaden bildeten die Sammlungen von Johann Isaak Freiherr von Gerning, die, einer Anregung Johann Wolfgang von Goethes folgend, vom Herzogtum Nassau erworben und zunächst im Erbprinzenpalais der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Es entstanden drei Museen, deren Träger der Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, der Nassauische Verein für Naturkunde und der Nassauische Kunstverein e.V. waren. Sie gingen 1900 in städtischen Eigentum über und wurden seit 1920 in einem Museumsneubau des Architekten Theodor Fischer präsentiert.
In der Konzeption des Fischer-Baus war die Hälfte der Gemäldegalerie für die Durchführung wechselnder Ausstellungen vorgesehen. In den 1920er- und frühen 1930er-Jahren entwickelte der Nassauische Kunstverein dort eine rege Ausstellungstätigkeit. Auch wurden mit Hilfe Wiesbadener Bürger wichtige Sammlungsergänzungen im Bereich der Klassischen Moderne vorgenommen. Als Dauerleihgabe gehörten dazu zahlreiche Gemälde des Wiesbadener Sammlers Heinrich Kirchhoff.
Nach der NS-Machtergreifung 1933 kamen alle Gemälde aus dem Umfeld des Expressionismus und der konstruktiven Positionen zunächst ins Depot und 1937 ins zentrale Sammellager nach Potsdam. Kirchhoff musste seine Dauerleihgaben zurücknehmen. 1935–45 war Hermann Voss Direktor des Museums. Unter seiner Leitung wurden über 200 Werke erworben, darunter auch hochkarätige Barockgemälde. Ab 1943 war Voss parallel Sonderbeauftragter für das Führermuseum in Linz. Seine Erwerbungen werden derzeit auf ihre rechtmäßige Provenienz hin untersucht.
Nach Kriegsende wurde das Museum zum Central Collecting Point Wiesbaden der Amerikaner. Nachdem die hier vorübergehend eingelagerten Kunstschätze, darunter auch die Nofretete, wieder an ihre Besitzer zurückgegeben worden waren, begann in den 1950er- und 1960er-Jahren mit sparsamsten Mitteln eine Phase der Wiedereinrichtung des Museums Wiesbaden. In diese Zeit fällt der beginnende Aufbau der heute bedeutendsten Sammlung des Hauses – der Werke von Alexej von Jawlensky – durch den damaligen Museumsdirektor Clemens Weiler. Sie wurde in den vergangenen 25 Jahren hinsichtlich Qualität und Werkauswahl zur weltweit bedeutendsten Sammlung dieses Künstlers ausgebaut. Die Abteilung Klassische Moderne erhielt zusätzliches Gewicht durch 30 Gemälde und Zeichnungen höchsten Ranges aus dem Besitz Hanna Bekkers vom Rath, die der Verein zur Förderung der Bildenden Kunst in Wiesbaden 1987 erwarb und dem Museum Wiesbaden als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte. Ein weiterer Schwerpunkt des Museums ist die konstruktive Kunst. Hier sind insbesondere der 1997 übereignete Nachlass des Künstlers Friedrich Vordemberge-Gildewart (1899–1962) sowie das Werkkonvolut des Russen Eduard Steinberg zu nennen, das sich seit 2013 im Museum Wiesbaden befindet. 1962 wurde das Museum Wiesbaden Ausgangspunkt der Fluxusbewegung.
Nach der Übereignung des Museums Wiesbaden an das Land Hessen 1973 wurden die ursprünglich selbstständigen drei Museen organisatorisch zu drei Museumsabteilungen. Im Zusammenhang mit den Planungen für die Gründung eines Stadtmuseums wurde die Sammlung Nassauischer Altertümer im Frühjahr 2010 in städtische Trägerschaft rückgeführt. Den heutigen beiden Museumsabteilungen, der Kunst und den Naturhistorischen Sammlungen, stehen über 7.000 m2 Ausstellungsfläche zur Verfügung.
2007 wurde das Museum Wiesbaden von der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbandes AICA (Association Internationale des Critiques d’Art) als »Museum des Jahres« für seine Ausstellungstätigkeit und seine Aktivität im Bereich moderner Kunst ausgezeichnet. Diese Würdigung verdankt das Haus der Schärfung seines Sammlungsprofils mit den Schwerpunkten Jawlensky nebst Umfeld, Konstruktivismus im Umfeld von Friedrich Vordemberge-Gildewart sowie die sogenannte Stille Avantgarde seit den 1960-er-Jahren.
Nach Abschluss einer umfassenden Sanierung der beiden Gebäudeflügel erfolgte im Mai 2013 die Neu- und Wiedereröffnung der Alten Meister im Südflügel und der Dauerausstellung der Naturhistorischen Sammlungen unter dem Titel »Ästhetik der Natur« im Nordflügel des Museums.
Literatur
Klar, Alexander (Hrsg.): Museum Wiesbaden. Die Kunstsammlungen. The Art Collections, München 2015.