Voss, Hermann Georg August
Voss, Hermann Georg August
Kunsthistoriker, Museumsdirektor
geboren: 30.07.1884 in Lüneburg
gestorben: 28.04.1969 in München
Artikel
Voss studierte Kunstgeschichte in Heidelberg. Seine Dissertation über Wolf Huber erschien 1907 unter dem Titel »Der Ursprung des Donaustils« in Leipzig. 1912 übernahm Voss die Leitung der dortigen Neuen Graphischen Sammlung. 1919 legte er seine Habilitationsschrift über »Die Malerei der Spätrenaissance in Rom und Florenz« vor. 1922 wurde Voss zum Kustos der Berliner Gemäldegalerie berufen, an der er bis zu seiner Ernennung zum Direktor der Städtischen Kunstsammlung Wiesbaden am 01.04.1935 tätig war.
Der Aufbau einer hochkarätigen Sammlung zeitgenössischer Kunst in Wiesbaden war mit der NS-Machtübernahme 1933 abrupt beendet worden. Nachdem die Sammlung Kirchhoff, die überwiegend expressionistische und frühe abstrakte Werke umfasste, an den Sammler Heinrich Kirchhoff zurückgegeben und vergleichbare Arbeiten ins Depot verbracht worden waren, hatte Voss die Aufgabe, zahlreiche leere Ausstellungsräume zu füllen. Als Renaissance- und Barockexperte mit ausgeprägtem Interesse an der Kunst des 19. Jahrhunderts entsprach Voss dem Kunstverständnis der Nationalsozialisten.
Entsprechend richtete er seine Schwerpunkte in der Erwerbungspolitik aus. Mangels Etat vergrößerte Voss die Sammlung durch Leihgaben oder erwarb Desiderate im Tausch gegen eigene Bestände. Zahlreiche Werke, insbesondere jene der Klassischen Moderne, verließen, als minderwertige Depotware deklariert, das Museum. Seine Rolle als Gutachter und Taxator für die Gestapo wusste Voss ebenfalls für Neuerwerbungen zu nutzen. Durch diese Tätigkeit sind spätestens nach 1938 mehrere Bilder aus jüdischem Besitz in das Museum gelangt.
Eine neue Qualität erlangte die »Methode Voss«, als er 1943 zum Sonderbeauftragten für das von Hitler in Linz geplante »Führermuseum« berufen wurde. Seine Funktion in Wiesbaden behielt er bis 1945 bei. Zwischen 1943–45 profitierte die Kunstsammlung von Voss‘ Sonderauftrag: Den hohen Summen, die er an verschiedene Galerien zahlte, standen offensichtlich großzügige Schenkungen gegenüber.
Aufgrund seiner Tätigkeit als Sonderbeauftragter wurde Voss nach Kriegsende festgenommen; zu einer Anklage vor dem Nürnberger Gerichtshof sollte es aus Mangel an Beweisen nicht kommen. Eine Aufarbeitung und Wiedergutmachung wurde so unterbunden. Seine 1947 erschienene »Deutsche Selbstkritik« lässt jedes Schuldeingeständnis vermissen.
Seit 2009 betreibt das Museum Wiesbaden Provenienzforschung. Bislang konnten zahlreiche Restitutionen durchgeführt werden, um das von Voss zu verantwortende Unrecht ein Stück weit wieder gutzumachen.
Literatur
Eisenlöffel, Lars: Hitlers Kurator: Hermann Voss. In: Jahrbuch der Berliner Museen 47, 2005 [S. 117–124].
Forster, Peter; Merz, Miriam Olivia: Kulturelle Ausbeutung in der NS-Zeit. Provenienzforschung am Museum Wiesbaden 2009–2011. In: Nassauische Annalen 123/2012 [S. 635–665].
Iselt, Kathrin: Sonderbeauftragter des Führers. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010.