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Erbprinzenpalais

Das Erbprinzenpalais an der Wilhelmstraße stellte bis 1915 mit den dort untergebrachten Sammlungen den kulturellen Mittelpunkt Wiesbadens dar. Hierzu gehörten die Nassauische Landesbibliothek, der Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung mit seiner Sammlung nassauischer Altertümer sowie die naturhistorische Sammlung des späteren Nassauischen Vereins für Naturkunde. Heute ist das Gebäude Sitz der Industrie- und Handelskammer Wiesbaden.

Details

Das an der Wilhelmstraße/Ecke Friedrichstraße in der Zeit von 1813 bis 1820 errichtete Gebäude im Stil des Klassizismus nach griechischem Vorbild ist das einzige in Wiesbaden noch erhaltene repräsentative Bauwerk seiner Art, dessen Anlage von einem der Schöpfer des so genannten Historischen Fünfecks, Christian Zais, geplant und selbst ausgeführt wurde. Es sollte Friedrich Wilhelm Fürst von Nassau-Weilburg und dessen Sohn, dem Erbprinzen Wilhelm, in der neuen Residenzstadt des Herzogtums als fürstliche Bleibe dienen. Nachdem im Frühjahr 1816 jedoch sowohl Friedrich August Herzog von Nassau als auch sein Mitregent Fürst Friedrich Wilhelm verstorben waren, bezog der jetzt zum Herzog berufene Erbprinz Wilhelm 1817 das Schloss Biebrich. Obwohl damit der ursprüngliche Zweck des Palais an der Wilhelmstraße entfallen war, gelang es Zais, den Bau gegen vielerlei Widerstände bis zu seinem Tod 1820 fortzuführen. Seine Witwe und die Domänenverwaltung sorgten schließlich für die Fertigstellung.

Die kubische Form des dreigeschossigen Gebäudes, das Zurücktreten des flachen Satteldaches hinter eine Attika und die Reduzierung der Bauornamentik stehen in bewusstem Widerspruch zu dem opulenten Pomp des Barock.

Das Palais diente in der Folgezeit kulturellen Zwecken. Das Erdgeschoss nahm zum einen 1821 die Nassauische Landesbibliothek auf, die aus einer Privatsammlung der Charlotte Amalie Fürstin von Nassau-Usingen hervorgegangen und zunächst in das alte Schloss nach Wiesbaden verbracht worden war. Zum anderen erhielt der Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 1822 Ausstellungsräume für seine Sammlung Nassauischer Altertümer. Nach dem durch Goethe angeregten Erwerb der umfangreichen Kunstsammlung des Johann Isaak von Gerning im Jahr 1824 und deren Eingliederung wurde das Museum im Erbprinzenpalais am 1. April 1825 offiziell eröffnet. 1829 zog dann die naturhistorische Sammlung, die unter anderem auf eine Stiftung des Freiherrn Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein (1757 – 1831) zurückgeht, ins erste Obergeschoss des Palais. Betreut wurde sie vom „Verein für Naturkunde im Herzogthum Nassau“, dem späteren Nassauischen Verein für Naturkunde. Ebendort wurden auch die Gemälde der Gerning‘schen Sammlung ausgestellt, die den Grundstock der neuen Gemäldegalerie bildeten und seit 1847 von der „Gesellschaft von Freunden bildender Kunst im Herzogthum Nassau“, dem späteren Nassauischen Kunstverein e.V. betreut wurden.

Nachdem 1856 die General-Steuerdirektion aus dem zweiten Obergeschoss ausgezogen war und der Bibliothek diese Räume zur Verfügung gestellt worden waren, erhielt die Gemäldegalerie deren Räume im Erdgeschoss. Diese veränderte Nutzung des Gebäudes hatte einen ersten gravierenden Eingriff in die Bausubstanz zur Folge. Die ehemalige Tordurchfahrt, eine Halle mit dorischen Säulen, die sich im Sockel des Mittelrisalits befand, wurde 1857 von Philipp Hoffmann mit einem angemessenen Eingang und einem neuen Vestibül versehen, das noch heute durch seine Einfachheit und Großzügigkeit besticht. Dabei wurde die Toreinfahrt verschlossen. Bis 1915 stellte das Palais mit den dort untergebrachten Sammlungen den Mittelpunkt für Kunst, Kultur und Geschichte in Wiesbaden dar.

1913 erhielt die Landesbibliothek ihr neues Gebäude in der Rheinstraße, und 1915 wurde das neue Museum an der heutigen Friedrich-Ebert-Allee eröffnet. Das zunächst zum Abriss bestimmte Palais diente in den Jahren nach 1915 verschiedenen städtischen Ämtern. Im Krieg blieb das Gebäude unversehrt und wurde 1947 Sitz des Hessischen Justizministeriums. 1968 erwarb die Industrie- und Handelskammer (IHK) das Anwesen. In einer seiner Geschichte angemessenen Weise sanierte und renovierte die IHK das Gebäude, von dem aus sie heute die regionale Wirtschaft betreut. Im Jahr 2013 errichtet die IHK für ihren so genannten Bildungscampus im Hof des Palais einen Neubau in Form eines gläsernen Kubus und saniert in diesem Zusammenhang auch das 1811/12 erbaute klassizistische Wohnhaus Friedrichstraße 5.

Literatur