Ritschl, Otto August Eduard
Ritschl, Otto August Eduard
Maler, Schriftsteller
geboren: 09.08.1885 in Erfurt
gestorben: 01.07.1976 in Wiesbaden
Artikel
Nach einer Tätigkeit in der Verwaltung kam Ritschl 1908 zur Nassauischen Landesbank in Wiesbaden, um sich nebenher als Theaterautor zu profilieren.
Um 1918 wandte er sich vehement dem Malen zu. Erste Orientierung gaben ihm Expressionisten wie Oskar Kokoschka, Herwarth Waldens »Sturm«-Kreis und die Malstunden bei Erna Pinner in Frankfurt am Main. Entscheidend für ihn wurde der Kontakt zu Conrad Felixmüller. 1919 hatte Ritschl seine erste Ausstellung im Nassauischen Kunstverein e.V., dessen Vorstand er bald angehörte. Er beteiligte sich an der Gründung der Volkshochschule Wiesbaden e.V., an der er Vorträge und Kurse hielt. Auch sozialpolitisch engagiert, wirkte er als Vertrauensmann der Künstler zur Zeit der französischen Okkupation Wiesbadens nach dem Ersten Weltkrieg und trat resolut für die Freiheit und Unabhängigkeit des Künstlers ein. Für die Lösung der finanziellen Probleme gründete er 1924 einen Wirtschaftsverband.
1925 nahm Ritschl an der legendären Mannheimer Ausstellung »Neue Sachlichkeit« teil. Danach beendete er den bisherigen Weg abrupt. Im selben Jahr rief er die Freie Künstlerschaft Wiesbaden ins Leben, deren Vorsitz er bis 1933 innehatte. Prominentes Mitglied war Alexej von Jawlensky, den Ritschl seit 1921 kannte. Ebenso freundschaftlichen Umgang pflegte er mit dem Bildhauer Arnold Hensler sowie mit dem Maler und Architekten Edmund Fabry. Während der 1920er-Jahre hielt Ritschl sich mehrfach in Paris auf, wo ihn Werke des Kubismus und des Surrealismus inspirierten. »Bilder und Zeichen« hieß 1932 die nonfigurative Ausstellung des Nassauischen Kunstvereins e.V., auf der er vertreten war. Auf ihrer nächsten Station, dem Museum Folkwang Essen, wurde sie von den Nationalsozialisten sofort geschlossen.
Nach dem Krieg setzte Ritschl sich mit der Kunst, die vor allem um Pablo Picasso entstanden war, fundamental auseinander. Er suchte Kontakte zu Künstlerkollegen wie Ernst Wilhelm Nay und Max Ackermann. Zu Höhepunkten wurden seine Präsenz auf der »documenta« I (1955) und II (1959) sowie der 1960 erfolgte Einzug in das eigene Atelierhaus. Hier begann Ritschl, der auch als Repräsentant für eine »abstraction froide« stand, mit äußerster Disziplin sein wiederholt zyklus- und serienartiges, durch zeitversetzte Adaptionen geprägtes Spätwerk. Sein höchstes Ziel war »das Bild, das nichts sein will, sondern nur ist«.
Literatur
Hildebrand, Alexander: Otto Ritschl, Gemälde 1927–1972. Nassauischer Kunstverein, Museum Wiesbaden, Wiesbaden 1974.
Hildebrand, Alexander: Magie und Kalkül. Der Maler Otto Ritschl, 2. Aufl., Wiesbaden 1988.
Otto Ritschl 1885–1976: Retrospektive. Ausstellung im Museum Wiesbaden vom 12. Oktober 1997 bis 1. Februar 1998 u. im Von-der-Heydt-Museum Wuppertal vom 26. April 1998 bis 31. Mai 1998. Hrsg.: Rattemeyer, Volker, Wiesbaden 1997.