Alten- und Pflegeheime
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Die Versorgung älterer und gebrechlicher Menschen oblag bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vor allem ihren Familienangehörigen. Wer keine Nachkommen oder Angehörigen besaß, konnte sich in klösterliche Gemeinschaften oder auch Hospitäler und Hospize einkaufen. Mittellose Menschen wurden in Armen- oder Arbeitshäusern untergebracht. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kümmerten sich verschiedene konfessionelle und private Vereine sowie Stiftungen um Betroffene. Privaten Stiftungen kam eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Altenhilfe zu; oft richteten sie sich an allein stehende Frauen.
Die erste Einrichtung, in der in Wiesbaden speziell alte Menschen betreut wurden, war die 1852 ins Leben gerufene Zimmermann’sche Stiftung. Die Geschwister Elise und Philipp Zimmermann stellten je 1.000 fl sowie die Einrichtung eines Zimmers für diesen Zweck bereit. Das Alten- und Pflegeheim Katharinenstift in ➞ Biebrich entstand ebenfalls durch eine Stiftung. Katharina Schneider beauftragte ihre Tochter Louise, nach ihrem Tod das elterliche Erbe für soziale Zwecke zu verwenden. So konnte in der ehemaligen Konservenfabrik »Am Schlosspark« 1893 ein Feierabendheim eingeweiht werden, das 1901 an die EVIM (Ev. Verein für Innere Mission in Hessen und Nassau) überging und den Namen »Katharinenstift« erhielt.
Eine weitere Stiftung ging auf den Verlagsbuchhändler Christian Wilhelm Kreidel zurück, der 1890 unter anderem das »Versorgungshaus für alte Leute« in seinem Testament als Erben einsetzte. Eine andere bekannte Stifterin war Eugenia ➞ Kreitz. Sie schenkte 1908 der katholischen Herz-Jesu-Gemeinde in Biebrich ihre Villa mit Nebengebäuden und Garten, um dort ein Pflegeheim (heute »Herz-Jesu-Heim«) für ältere Damen einrichten zu lassen. Um 1910 betreuten unter anderem auch das Paulinenstift, das ➞ Hospiz zum heiligen Geist und das katholische Brüderhaus pflegebedürftige Ältere. Im städtischen Armenarbeitshaus in der Mainzer Landstraße (errichtet 1893–97), das 120 Menschen aufnehmen konnte, lebten auch sogenannte Altersschwache, die keiner besonderen Pflege bedurften, neben jüngeren Arbeits- und Wohnungslosen.
Im 20. Jahrhundert machten die gesteigerte Lebenserwartung sowie gesellschaftliche Veränderungen die Einrichtung weiterer Betreuungsmöglichkeiten notwendig. So nahm z. B. die Zahl der Familien ab, in denen mehrere Generationen unter einem Dach wohnten, immer mehr Ältere lebten allein.
1921 nahm das erste von der Stadt Wiesbaden getragene Altenheim seinen Betrieb auf. In dem bisherigen Hotel und Badhaus ➞ Schützenhof konnten »unbemittelte oder weniger bemittelte alleinstehende Personen beiderlei Geschlechts« Aufnahme finden. Die Unterkunft im Schützenhof wurde schon Anfang 1927 wegen Umbauarbeiten wieder geschlossen, jedoch in der ➞ Dietenmühle ein weiteres Heim geschaffen, in dem 1928 92 Menschen untergebracht waren. 1923 richtete die Nassauische Blindenfürsorge e.V. ein Heim für allein stehende Blinde ein, in dem auch ältere Menschen lebten. Weitere städtische Einrichtungen waren ein Heim in der Schwarzenbergstraße sowie die Siechenabteilung des städtischen Krankenhauses Biebrich.
Mitte der 1930er-Jahre hatten private Heime, die von kirchlichen Trägern oder Wohlfahrtsverbänden geführt wurden und von der Stadt finanzielle Unterstützung erhielten, den größten Anteil an der Versorgung der Senioren. 1936 lebten 561 »Hilfsbedürftige« in Heimen in und um Wiesbaden.
1938 wurde das Biebricher Krankenhaus in der Breslauer Straße aus dem Jahr 1888 in ein Altenheim und ein Heim für chronisch Kranke umgewandelt (heute Toni-Sender-Haus). Zur gleichen Zeit eröffnete die EVIM im Ludwig-Eibach-Haus, ursprünglich ein evangelisches Rettungshaus von 1853 für »sittlich verwahrloste Kinder«, ein Altenheim mit 50 Betten. Zwischen 1939 und 1956 stieg die Zahl der Bewohner auf 84, vor allem in den Kriegsjahren war die Nachfrage groß.
Der Wohnraummangel nach dem Zweiten Weltkrieg, die hohe Zahl allein stehender Frauen und die nachlassende Bereitschaft Jüngerer, mit Älteren zusammenzuleben, waren die Ursachen für die nochmals erhöhte Nachfrage an Heimplätzen. Private Heime und Stifte versuchten hier Abhilfe zu schaffen. Vorhandene Gebäude wurden mit geringen finanziellen Mitteln zu Alten- und Pflegeheimen umgebaut. 1949 entstand auf dem Gelände des ➞ Antoniusheimes ebenfalls ein Altenheim. Ab 1964 plante man hier die Errichtung eines Altenzentrums, dessen erster Bauabschnitt 1970 eröffnet werden konnte. Ebenfalls 1949 konnte das »von Zedlitz-Heim« mit zehn Einzel- und vier Doppelzimmern in der Alwinenstraße 22 eröffnet werden. 1979 musste das Heim geschlossen werden, da es nicht mehr ausgelastet und renovierungsbedürftig war.
Ende der 1950er-Jahre entstand der neue Ausbildungsberuf der Altenpflegerin. In Hessen wurden 1958 erste Ausbildungsgänge in Darmstadt durchgeführt, in Wiesbaden startete der erste Kurs im Mai 1964 im Lorenz-Werthmann-Heim im Kohlheck mit elf Frauen.
Die besondere Bevölkerungsstruktur Wiesbadens verstärkte den Mangel an altengerechtem Wohnraum. In den 1960er-Jahren lag der Anteil der Senioren an den Einwohnern weit über dem Durchschnitt in der Bundesrepublik, 1966 bereits bei 15,3 %. In den 1960er-Jahren erklärte die Stadt Wiesbaden daher den Bau von Altenheimen und Altenwohnungen zu einem Schwerpunkt ihrer Sozialpolitik. Auch die privaten und kirchlichen Träger richteten weitere Alten- und Pflegeheime ein. 1961 und 1964 baute z. B. die EVIM ein Heim auf dem Geisberg mit 104 Plätzen.
Es entstanden neue Wohn- und Betreuungsformen: 1965 besaß Wiesbaden zehn Altentagesstätten (zwei städtische und acht Tagesstätten freier Träger), Ende 1976 waren es bereits 39 (davon fünf städtisch). 1968 wurden in Wiesbaden die ersten altengerechten Wohnungen gebaut. Im neuen Stadtteil Klarenthal entstanden 1969 weitere 155 Altenwohnungen, im gleichen Jahr wurde das seit 1966 in Bau befindliche »Feierabendhaus Simeonhaus Wiesbaden« am Langendellschlag fertiggestellt.
Mitte der 1970er-Jahre gab es in Wiesbaden knapp 1.200 Plätze in Alten- und Pflegeheimen, dennoch existierten lange Wartelisten. In den folgenden 20 Jahren vollzog sich ein Wandel: Viele Plätze in den Altenheimen wurden in Pflegeplätze umgewandelt, da mehr Menschen erst im hohen Alter und angesichts schwerer Erkrankungen in die Heime kamen, Pflegestationen wurden eingerichtet. Eines dieser Altenheime öffnete 1984 im Gebäude der ehemaligen Augenheilanstalt in der Kapellenstraße seine Türen.
Anfang der 1990er-Jahre dominierten in Wiesbaden die Einrichtungen, die sowohl altengerechte Wohnungen als auch Alten- und Pflegeheimplätze anboten. Von 4.591 Plätzen entfielen 2.400 auf diese mehrgliederigen Häuser. Zu ihnen zählt auch das »Hilda-Stift« der Gemeinschaft Deutsche Altenhilfe (GDA), das 1984 eröffnete und in dem Bewohner in 1-, 2- oder 3-Zimmer-Appartements möglichst selbstständig leben sollen.
Rund 30 Alten- und Pflegeheime unterschiedlicher Betreiber und Größe mit über 2.000 Plätzen gab es 2015 in Wiesbaden. Träger sind neben der Stadt und privaten Unternehmen karitative Einrichtungen, darunter die Caritas Altenwohn- und Pflegegesellschaft, EVIM, die ➞ Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz und die Nassauische Blindenfürsorge. Manche der heute noch bestehenden Alten- und Pflegeheime wie das Katharinenstift und das Herz-Jesu-Heim gehen auf private Stiftungen um 1900 zurück.
Literatur
50 Jahre stationäre Alteneinrichtungen in Hessen. Begleitbroschüre zur Ausstellung. Hessisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Wiesbaden 1996.
Die Liebe höret nimmer auf. 150 Jahre Evangelischer Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM). Hrsg.: Pfeiffer, Wilfried, Wiesbaden 2000.
Kalle, Fritz/Mangold [Emil]: Die Wohlfahrtseinrichtungen Wiesbadens, Wiesbaden 1902 und 1914.