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Wiesbaden unter nassauischer Herrschaft

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Das Geschlecht der Grafen zu Nassau geht auf die Grafen von Laurenburg zurück und war mit den Adelsfamilien des Lahn- und Westerwaldgebiets versippt. Im 12. Jahrhundert lag der Herrschaftsschwerpunkt an der mittleren Lahn, wo die Laurenburger bald nach 1100 die Burg Nassau erbauten. Ihren raschen Aufstieg nahmen die Nassauer in der Stauferzeit, als sie sich im Reichsdienst hervortaten. Dieser Königsnähe verdankten sie letztlich wohl die Belehnung mit Reichsgut im Raum Wiesbaden während des 12. und 13. Jahrhunderts. Bei einer ersten großen Teilung im Jahr 1255 erhielt Graf Walram den Besitz südlich der Lahn, Graf Otto dagegen Ländereien nördlich des Flusses. Über Wiesbaden schweigt der Teilungsvertrag, doch scheint die walramische Linie seit den siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts im Besitz der Stadt gewesen zu sein. 1292 bezeichnete Graf Adolf, der noch im selben Jahr zum König gewählt wurde, Wiesbaden als »oppidum nostrum« (unsere Stadt).

Tatsächlich war Wiesbaden seitdem unter nassauischer Landeshoheit und nahm im Mittelalter eine gewisse Vorpostenfunktion gegen die territorialen Ansprüche der Nachbarn, allen voran der Herren von Eppstein und des Erzstifts Mainz, wahr. Dies wird auch deutlich anhand der Stiftung des Klosters Klarenthal durch Graf Adolf im Jahr 1298, das zum Hauskloster und zur Grablege eines Teils der Grafen aus dem walramischen Zweig wurde.

Die Bindung an das Haus Nassau bestimmte die Geschichte Wiesbadens bis in die Neuzeit. 1480 erhielt Graf Adolf III. (1480–1511) Wiesbaden, das damit zum ersten Mal Residenz eines selbstständigen Landesteils wurde. Unter der Regentschaft Graf Philipps II., des Altherrn (1511–1558), griff der Bauernaufstand im Rheingau auf Wiesbaden über, worauf der Stadtherr mit drakonischen Strafen reagierte. Sein Sohn Philipp III., der Jungherr (1558–1566), führte die Reformation ein. Laut Vertrag vom 27.12.1554 mit seinen Brüdern Adolf IV. und Balthasar, der dem Deutschen Orden angehörte, sollte er beim Tode des Vaters Wiesbaden erhalten.

Da Adolf IV. 1556 starb und er selbst ohne rechtmäßige Erben blieb, überließ Philipp schon 1564, zwei Jahre vor seinem Tod, Idstein seinem Bruder Balthasar, der dafür aus dem Deutschen Orden austrat. Nach Philipps Tod 1566 trat dieser auch die Herrschaft in Wiesbaden an. 1599 bzw. 1605 starb die Linie Wiesbaden-Idstein im Mannesstamm aus. Das Erbe fiel an die Linie Nassau-Saarbrücken-Weilburg. Graf Ludwig II. vereinte damit erstmals seit der Teilung von 1355 alle walramischen Besitzungen wieder in einer Hand.

Ludwigs Tod im Jahre 1627, in einer entscheidenden Phase des Dreißigjährigen Krieges, stürzte die walramischen Grafschaften in eine schwere Krise. Seine vier Söhne entschlossen sich zu einer neuerlichen Teilung und wählten bei der Vertragsunterzeichnung 1629 jeder eine Grafschaft aus. Graf Johannes (1627–1677) entschied sich für die Grafschaft Idstein mit der Herrschaft Wiesbaden, Sonnenberg, Wehen und Burgschwalbach. 1635 wurden ihre Territorien besetzt und beschlagnahmt und zum Teil an kaiserliche Gefolgsleute veräußert. Das Gebiet der Grafschaft Nassau-Idstein wurde geteilt. Die Herrschaft Idstein wurde dem Fürsten Schwarzenberg zugesprochen, die Herrschaft Wiesbaden am 07.03.1637 förmlich an den Kurfürsten von Mainz übergeben. Durch kaiserliche Amnestie gelangte Graf Johannes von Nassau-Idstein 1647 wieder in den Besitz der gesamten Grafschaft.

Zwischen Johannes und seinem letzten noch lebenden Bruder Ernst Kasimir sowie den drei Söhnen seines Bruders Wilhelm Ludwig entstand ein Erbstreit, der mit dem Gothaer Rezess vom 06.03.1651 beigelegt wurde. Graf Johannes wurden die Herrschaften Idstein und Wiesbaden mit der Kellerei Sonnenberg, dem Wehener Grund, dem Amt Burgschwalbach, dem idsteinischen Anteil am Amt Nassau und die Herrschaft Lahr zugesprochen. Ernst Kasimir erhielt die Herrschaft Weilburg mit Zugehörungen. Die Söhne des verstorbenen Grafen Wilhelm Ludwig teilten 1659 ihren Besitz. Es entstanden die Linien Ottweiler, Saarbrücken und Usingen. Das Verhältnis der Häuser untereinander gestaltete sich in den folgenden Jahrzehnten zunehmend schwieriger, da die jeweiligen Regenten meist in jungen Jahren verstarben und die eingesetzten Vormundschaften ihre eigenen Vorteile wahrnahmen.

Reichlich Zündstoff bargen zudem die Bestimmungen des Gothaer Rezesses über die untereinander vorzunehmenden Ausgleichszahlungen. Streit entzündete sich auch an Standesinteressen, den Reichslehen, dem Schuldenabbau, erbrechtlichen Fragen und der Erhebung in den Reichsfürstenstand. Vor allem Fürst Georg August Samuel zu Nassau-Idstein (1677–1721) und sein Vetter Walrad von Nassau-Usingen setzten sich gegen den Widerstand der Saarbrücker und Weilburger Linien für eine Standeserhöhung ein. Die Erhebung in den Reichsfürstenstand 1688 löste unter den walramischen Linien einen Rangfolgestreit aus, der vor dem Reichshofrat ausgetragen wurde. Zwar sprach dieser 1714 Georg August Samuel die Vorrangstellung zu, doch verweigerten die Verwandten die Anerkennung und die damit verbunden Ausgleichszahlungen. Die Linien Ottweiler, Saarbrücken, Weilburg und Usingen vereinbarten im Frankfurter Vertrag von 1714, dass nach dem Tod des söhnelosen Georg August zu Nassau-Idstein dessen Besitz an sie zurückfallen sollte. Als dieser Fall 1721 eintrat, ergriffen Nassau-Ottweiler und Nassau-Saarbrücken Besitz von den idsteinischen Besitzungen. Über Nassau-Idstein und damit auch über die Stadt Wiesbaden regierte Graf Friedrich Ludwig zu Nassau-Ottweiler bis 1728. Bei seinem Tod fiel das Erbe an die Linie Nassau-Usingen, wo die Fürstinwitwe Charlotte Amalie aus der Linie Nassau-Dillenburg die Vormundschaft über ihre Söhne Karl und Wilhelm Heinrich ausübte.

Da auch die ottonischen Linien zu dieser Zeit in Erbstreitigkeiten verwickelt waren, wurde am 25./30.05.1736 ein Hausvertrag geschlossen, der als Grundlage aller späteren nassauischen Hausverträge gilt. Beide Stämme sicherten sich darin im Falle des Aussterbens die gegenseitige Erbfolge zu. Charlotte Amalie zu Nassau-Usingen nahm 1735 eine Erbteilung vor, nach der ihr Sohn Karl (1712–1775) den rechtsrheinischen Besitz mit Usingen, Idstein und Wiesbaden, dessen jüngerer Bruder Wilhelm Heinrich (1718–1768) alle linksrheinischen Besitzungen erhielt. Nassau-Usingen führte 1754 die Primogenitur ein, Nassau-Saarbrücken im Jahr 1768. Im Erbverein von 1783 sicherten sich diese beiden nassauischen Zweige gegenseitig das Erbe zu.

Die Saarbrücker Linie starb 1799 mit Fürst Heinrich aus, nachdem Frankreich die linksrheinischen nassauischen Besitzungen bereits okkupiert hatte. Die in Wiesbaden regierende Usinger Linie erlangte 1806 die Herzogswürde, starb aber 1816 mit Fürst Friedrich August im Mannesstamm aus. Ihr folgte noch im selben Jahr die Linie Nassau-Weilburg im Herzogtum. Herzog Wilhelm und sein Sohn Adolph zu Nassau lenkten die Geschicke des Herzogtums Nassau bis zu dessen Annexion durch das Königreich Preußen 1866.

Literatur

Bleymehl-Eiler, Martina: Stadt und frühneuzeitlicher Fürstenstaat: Wiesbadens Weg von der Amtsstadt zur Hauptstadt des Fürstentums Nassau-Usingen (Mitte des 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts), 2 Bde., ungedruckte Dissertation, Mainz 1998.

Even, Pierre: Dynastie Luxemburg-Nassau. Von den Grafen zu Nassau zu den Großherzögen von Luxemburg. Eine neunhundertjährige Herrschergeschichte in einhundert Biographien, Luxemburg 2000.

Adolf Graf zu Nassau wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, ST-566, Urheber: Auguste Manceau
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