Kostheim
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Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung reichen in der Gemarkung Kostheim bis in die Jungsteinzeit zurück. In der Römerzeit hatte Kostheim strategische Bedeutung: zunächst als militärischer Stützpunkt für die Sicherung des Übergangs über den Main, dann als Brückenkopf für eine feste Holzbrücke, die in den Jahren 75–110 n. Chr. erbaut wurde und westlich der heutigen Kirche über den Fluss führte. Auch berührte eine Heerstraße von Kastel nach Heddernheim den Ort; die sogenannte Steinern Straße war ein Teil davon. Viele Funde deuten darauf hin, dass sich in Kostheim nach und nach eine römische Siedlung entwickelt haben muss. Diese Epoche endete 406 im Kampf mit Alanen, Sueben und Vandalen. Als Flussübergang hat Kostheim seit dieser Zeit große Bedeutung gehabt, und es ist anzunehmen, dass der römische Siedlungsplatz von den Germanen übernommen wurde. Darauf weist auch der als frühfränkisch zu deutende Ortsname hin.
Die nächste Nachricht von Kostheim ist seine urkundliche Ersterwähnung von 790. Karl der Große stellte am 31.08. dieses Jahres zwei Urkunden in der »villa Copsistaino« aus. Dieser Name wird von lat. »caput stagni«, »Haupt am Sumpf«, abgeleitet. Weitere Namensformen sind »Chuffingstang«, dann »Cufstain« und seit 1217 »C(h)ostheim«. Das Patronat über die Ortskirche St. Kilian sowie auch der Zehnte stand dem Mainzer Nonnenkloster Altmünster zu, das der bedeutendste Grundherr in Kostheim war. Damit verbunden war die Bestallung und Besoldung des Ortspfarrers sowie des Glöckners; zudem war das Kloster für den Unterhalt des Kirchengebäudes zuständig. Das Altmünsterkloster besaß auch die Fähre über den Main, die es 1432 an die Kostheimer Fährleute verpachtete; ebenso hatte es seinen Grundbesitz in Kostheim an andere geistliche Institute zur Pacht ausgetan. Die Herren von Eppstein verfügten vermutlich ebenfalls über eine eigene Grundherrschaft in Kostheim. Diese lässt sich aber nur schwer von der Vogtei über Kostheim trennen, welche sie bereits im 12. Jahrhundert zu Lehen erhielten und von beauftragten Untervögten ausüben ließen. Kirchliche Mittelbehörde war das Archidiakonat des Propstes von St. Peter in Mainz, Dekanat Kastel.
Die Blutgerichtsbarkeit über Kostheim übte das Landgericht Mechtildshausen aus, das zur Kostheimer Gemarkung gehörte; für die Zivilgerichtsbarkeit und die dörfliche Verwaltung waren Schultheiß und Schöffen zuständig. Das Gericht tagte, wie seit etwa 1330 bezeugt ist, im oder vor dem Hof der Herren von St. Stefan, im Hof des Altmünsterklosters oder an der Kirchhofsmauer bzw. vor dem Friedhof. 1281 wird erstmals ein Schultheiß, Heinrich, namentlich genannt. Die Zahl der Schöffen variierte zwischen drei und 13. Ein Gerichtssiegel ist von 1475 überliefert. Das Gericht zu Kostheim fungierte zeitweise als Oberhof für Kelkheim, Münster, Heidesheim, Budenheim und Hattersheim (1517).
Die Kostheimer Gemarkung erstreckte sich linksmainisch bis nach Ginsheim und rechtsmainisch bis nach Hochheim, Delkenheim, Erbenheim und Kastel. Bis 1528 gehörte Kostheim zu den Orten mit geteilter Orts- und Gerichtsherrschaft: St. Stephan in Mainz hatte die Ortsherrschaft inne, die Herren von Eppstein als Vögte die Gerichtsherrschaft. Als sie 1492 unter anderem Kostheim an die Landgrafen von Hessen verkauften, behielten sie sich die Vogtei vor, bis sie sie im August 1528 an den Mainzer Erzbischof veräußerten. Im gleichen Jahr wurden in einem Weistum die Aufgaben des Ober- und Unterschultheißen, des Büttels, der Feldmesser usw. geregelt. Auch die Pflichten des Pfarrers von St. Kilian und seines Glöckners, der Organist und Schulmeister in Personalunion war, wurden genau beschrieben. Die Schule wird erstmals um 1500 erwähnt. Kostheim blieb unter mainzischer Oberhoheit katholisch, auch wenn die Reformation ihre Anhänger in dem Dorf gefunden haben wird. 1552 wurde Kostheim gebrandschatzt.
Schwere Zeiten erlebte Kostheim auch im Dreißigjährigen Krieg. Der Ort wurde von den Schweden besetzt, die auf der linken Mainseite in der zu Kostheim gehörenden Gemarkung Gustavsburg als stark befestigte Bastion gründeten. Die Felder auf dem linken Mainufer und auf der Maaraue gingen Kostheim endgültig verloren, die Einwohner mussten Fronarbeit leisten und litten unter Einquartierungslasten. Kostheim hatte noch lange an den Kriegsfolgen zu leiden; 1673 zählte der Ort 113 Anwesen, von denen einige »wüst und leer« waren. Insgesamt wurden 162 Eigentümer gezählt.
Kostheim war bereits im Mittelalter von einer Stadtmauer umgeben, mit einem Obertor an der Bruchstraße und einem Untertor am Main. Der Straßenverlauf von Mathilden-, Margarethen- und Herrenstraße (hier wohnten die Herren von St. Stefan) erinnert noch an die mittelalterliche Bebauung. Für die Sicherheit von Toren und Mauern waren die jährlich gewählten Letzmeister zuständig.
Im 15. Jahrhundert war Kostheim ein reiches Dorf, das geht aus einem Salbuch hervor, in dem die Lehnsabgaben verzeichnet sind. Eine Scheune Ecke Herren- und Burgstraße ist Überrest des Zehnthofes. Im 18. Jahrhundert gediehen Landwirtschaft und Weinbau. Die Schule wird 1758 in einer Schulstatistik mit Sonderlob bedacht. An der Spitze der Verwaltung standen im 18. Jahrhundert Ober- und Unterschultheiß.
Diese friedlichen und gedeihlichen Zeitläufte endeten mit den napoleonischen Kriegen. Als das revolutionäre Frankreich 1792 Mainz besetzte und sich die Franzosen in Kastel, die Deutschen in Hochheim gegenüberstanden, wurde Kostheim zum Kampfgebiet. Mehrfach beschossen, war es am Ende ein Trümmerfeld, auch die Pfarrkirche wurde zerstört. 1803 kam Kostheim wie auch Kastel zum Kreis Nassau-Usingen, 1806 fiel es an Mainz zurück und wurde französisch. Die Gemarkungsgrenze zwischen Kostheim und Hochheim wurde zur Staatsgrenze. Nach dem Wiener Kongress wurde Kostheim zusammen mit Kastel dem Großherzogtum Hessen (Provinz Rheinhessen, Kanton Mainz) zugeschlagen, 1835 gehörte Kostheim zur Stadt, 1852 zum Kreis Mainz. 1806 hatte der Ort 1.024 Einwohner.
1808 gewährte Napoleon auf Bitten des Kostheimer Pfarrers Rößler Kostheim 25 Jahre Steuerfreiheit – eine Gunst, die 1821 Pfarrer Henrich veranlasste, entgegen landesherrlichem und geistlichem Verbot ein Seelenamt auf den verstorbenen Franzosenkaiser zu lesen. 1809 entstand das sogenannte Neudörfche nach einem Großbrand. Der Ort wurde wieder aufgebaut; 1830 zählte der »Flecken« Kostheim bereits wieder 202 Häuser mit 1.272 Einwohnern, 1836 wurde der Neubau der Kilianskirche eingeweiht.
Die ursprüngliche Wirtschaftsstruktur von Kostheim war durch Landwirtschaft, Obst- und Weinanbau geprägt, schon 1281 wird aber ein Kostheimer Schiffer erwähnt, und 1662 gehört der Fischer Lorenz Rhein zur Mainzer Fischerzunft. Eine Mühle existierte spätestens seit 1293. Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage an der Einmündung des Mains in den Rhein und den schon seit der Frühgeschichte vorhandenen Brücken- und Fährverbindungen zum südlichen Mainufer war Kostheim auch immer Umschlagplatz für Waren und Güter jeglicher Art. Seit dem 16. Jahrhundert entwickelte sich die Flößerei zu einem Haupterwerbszweig der Kostheimer. 1894 wurden in einem Staatsvertrag die Regulierung des Untermains und der Ausbau des Kostheimer Floßhafens festgelegt. Ursprünglich gab es in Kostheim fünf Sägewerke, drei davon mit Floßrechten. Die Holz verarbeitende Industrie Kostheims beschäftigte bis nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 200 Arbeitskräfte. Heute existiert nur noch die Firma Peter Eider.
In den 1860er-Jahren ließ sich die MAN in Gustavsburg nieder und entwickelte sich zu einem der führenden Brückenbauunternehmen in Deutschland. Wichtigster Arbeitgeber wurde die am 01.06.1885 eröffnete Cellulosefabrik. Die Kostheimer Zündholzfabrik (im Volksmund die »Streichhölzer« genannt) wurde 1887 errichtet und beschäftigte ca. 100 Mitarbeiter, zumeist Frauen. Die Produktion wurde Ende 1930 eingestellt. 1926 gründete die Lindes Eismaschinen AG in Kostheim eine Zweigniederlassung mit 250 Mitarbeitern. 1967 erwarb AEG 75 % der Geschäftsanteile des Kostheimer Lindewerks. Ein Großbrand 1971 vernichtete die Lager- und Produktionsräume. Nach dem Wiederaufbau 1989 lief die Produktion unter dem Namen Duofrost. 2005 kam es zum Verkauf der Werke an die Carrier GmbH und die Verlagerung nach Tschechien.
Die notwendige Modernisierung der Infrastruktur begann mit der Eröffnung der Taunusbahn auf der Strecke Wiesbaden-Frankfurt 1840. Kostheim verlor dabei die für den Bahnbau benötigten Flächen, ohne einen eigenen Bahnhof zu erhalten. 1887/89 wurde eine feste Mainbrücke erbaut. 1907 erfolgte der Anschluss an das Mainzer Straßenbahnnetz.
Auch als Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs vergrößerte sich die Einwohnerzahl am Ende des 19. Jahrhunderts von 2.971 im Jahr 1875 auf 4.832 im Jahr 1895. Kostheim erweiterte sich um 1900 nach Westen über die Winterstraße und 1916 bis Am Mainzer Weg. Viele Straßennamen erinnern an diese Zeit: Wilhelm-, Viktoria-, Louisen-, Ludwigstraße. Die Gemeinde erhielt 1875 eine Mädchenschule, 1897 wurde die Knabenschule erweitert. Zahlreiche Vereine entstanden. In den 1870er-Jahren wurden Neubauten jenseits der Winter- und Berberichstraße errichtet. Seit dieser Zeit hatte Kostheim eine evangelische Gemeinde, die 1906 eine eigene Kirche erhielt. Jüdische Einwohner, die seit etwa 1820 in Kostheim belegt sind, bildeten keine eigene Gemeinde, sondern orientierten sich nach Kastel. Am 01.01.1913 kam Kostheim zur Stadt Mainz. Allerdings wurde 1927 der Ortsteil Gustavsburg ausgegliedert. Nach dem Ersten Weltkrieg, der Kostheim die Stationierung von Besatzungstruppen brachte, entstand der Ortsteil »Siedlung Kostheim« als Gartenstadt mit kleinen Eigenheimen in Reihenbauweise für 250 Familien. Kostheim entwickelte sich zu einem Dorf ohne ein markantes Zentrum und ohne klare Trennung zwischen Fabrikanlagen und Wohngebieten.
Die Industriebetriebe wie MAN, Cellulose, Linde wurden bereits vor 1936 auf die militärischen Anforderungen eines Krieges ausgerichtet. Die MAN fertigte Brückenteile und Schiffskörper, die Cellulose Grundstoffe zur Munitionsherstellung sowie für Uniformstoffe, Flugbenzin und Sanitätsmaterial. Der Zweite Weltkrieg hat an den Gebäuden der Siedlung und Alt Kostheims deutliche Schäden hinterlassen. So wurde der Straßenzug längs der Hochheimer Straße fast völlig zerstört. Die katholischen Kirchen und das heutige Pfarrzentrum in der Siedlung erhielten Bombentreffer. 113 Tote durch Luftangriffe waren zu beklagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden neue Wohngebiete wie der »Sampel«, neue Industrien ließen sich nieder.
Am 25.07.1945 erfolgte die Eingemeindung von Kostheim nach Wiesbaden. 2003 existierten noch sieben kleinbäuerliche Betriebe mit einer Betriebsfläche unter zwei Hektar. Daneben entstanden 13 Vollerwerbsbetriebe (meist im Weinbau, 66 ha), die insgesamt 191 ha Land bewirtschaften. Heute (Stand 01.01.2016) leben in Kostheim 14.076 Menschen in 6.752 Haushalten.
Eine Besonderheit ist die jährlich stattfindende Wallfahrt der Gemeinde St. Kilian nach Fischbach im Taunus. Nach allerdings urkundlich nicht belegten Aussagen soll die Wallfahrt bereits 1444 zum Gnadenbild in der Kapelle von Gimbach geführt haben. Der Anlass war vermutlich eine große Hungersnot. Andere Quellen sprechen von der Zeit um 1666, einem großen Pestjahr, in dem Kostheim von der Seuche verschont blieb. 1828 verlegte man auf Drängen der Herzoglich Nassauischen Landesregierung die Wallfahrt in die Pfarrkirche von Fischbach. Noch immer findet jährlich ein Bußgang von Katholiken aus der Gemeinde dorthin statt.
1751 fand man auf einem Grenzstein von 1603 zwei gekreuzte Rebmesser eingemeißelt. In der Form einer silbernen Zange auf rotem Grund wurde das Bild auf dem Grenzstein zum Wappen von Kostheim gewählt.
Literatur
Frenz, Willi: Kurzgefasste Geschichte von Mainz-Kostheim. Heimatverein Kostheim (Hrsg.), Mainz-Kostheim 2011.
Magistrat vor Ort: Kostheim.