Flößerei
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Bereits den Römern dienten Main und Rhein als Transportwege für Baumaterialien und Holz. Vor allem Bauholz wurde seit dem 13. Jahrhundert zu Flößen zusammengefügt und die Flüsse stromabwärts transportiert. Um die teuren Eichen- und Tannenstämme, z. B. aus den Schwarzwald, unbeschädigt durch das enge Mittelrheintal flößen zu können, benötigte man viele Arbeitskräfte, und auch in und um Wiesbaden blühte im 18. Jahrhundert der Beruf des Flößers auf. Die in der Region um Wiesbaden üblichen Rheinflöße hatten in der Regel eine Größe von 300 m Länge und etwa 70 m Breite.
Die Bedeutung der Flößerei ging mit der aufkommenden Dampfschifffahrt auf dem Rhein ab ca. 1830 stetig zurück. Während zunächst beide Transportmöglichkeiten parallel genutzt wurden und zeitweise Dampfschiffe die Flöße zogen, wurden die hölzernen Gefährte nach und nach von der neuen Technik verdrängt. Durch den Bau fester Brücken über den Rhein wurden die Flöße zudem in ihrer Breite eingeschränkt und waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr konkurrenzfähig.
Etwas anders gestaltete sich die Situation auf dem Main. Das Gebiet an der Mainmündung bei Kostheim gehörte im 19. Jahrhundert zu den größten Floßliegeplätzen Deutschlands. Hier wurden die kleineren Mainflöße (ca. 10 m breit und bis zu 130 m lang), mit denen Holz unter anderem aus dem Frankenwald den Main hinab an den Rhein transportiert wurde, aufgebunden, weiterverarbeitet oder zur Weiterfahrt als größere Rheinflöße wieder zusammengefügt. Da der Main wegen seiner geringen Tiefe für Dampfschiffe und andere größere Frachter bis in die 1880er-Jahre nicht befahrbar war, wurde der Floßverkehr hier zunächst nicht eingeschränkt. Nach der Regulierung des Mains und dem Bau einiger Schleusen ab 1883 stieg der Wasserspiegel des Flusses jedoch an, so dass auch hier mehr und mehr große Frachtschiffe verkehren konnten, was die Flößerei erschwerte. Im Staatsvertrag von 1894 zur Regulierung des Untermains wurde zudem der Ausbau des Kostheimer Floßhafens beschlossen, der die Zahl der Floßliegeplätze im offenen Main verringern sollte, da sie die Frachtschiffe mehr und mehr behinderten.
Die Wirtschaft in den Gemeinden an Rhein und Main profitierte von der Flößerei. In Kostheim z. B. gab es um 1900 fünf Sägewerke, von denen drei das Floßrecht innehatten. Zahlreiche Holz verarbeitende Betriebe siedelten sich rund um den Floßhafen an. Die Geschäftsleute und Handwerker kümmerten sich zudem um die vielseitige Ausrüstung vom Floßhaken bis zum Anker und organisierten die Verpflegung der Besatzungen.
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs waren noch regelmäßig Flöße auf Main und Rhein unterwegs, deren Ausmaße aber nicht an die früherer Zeiten heranreichten. Ein kurzer Aufschwung nach dem Krieg dauerte nur wenige Jahre. Der Holztransport wurde mehr und mehr auf die Straße verlagert, Holz als Rohstoff büßte an Beliebtheit ein. Zudem machte das billigere Tropenholz den einheimischen Hölzern Konkurrenz. Während 1950 noch 53 Flöße in Kastel ablegten, waren es 1959 nur noch 14 und 1964 ganze zwei. Das letzte kommerzielle Floß passierte Biebrich im November 1968. In Kostheim wurde der Floßhafen in den 1960er-Jahren zugeschüttet. Viele Holz verarbeitende Betriebe mussten schließen.
Dafür entwickelten sich Floßfahrten auf dem Rhein zu einer Attraktion. Trotz oder gerade wegen des allmählichen Rückgangs der Bedeutung ihres Gewerbes verdeutlichte die Rheinflößer-Gilde seit 1862 ihre Zusammengehörigkeit durch einen alljährlichen Festgottesdienst am Dreikönigstag. 1999 eröffnete die Gesellschaft für Heimatgeschichte Kastel das Flößerzimmer im alten Kaufmannshaus von Schönborn neben der Reduit und auch das Heimatmuseum Kostheim dokumentiert die Flößerei. Im April 2012 wurde am Kasteler Rheinufer ein Flößerdenkmal enthüllt. Die mannshohe bronzene Flößerskulptur soll an die fast 500-jährige Geschichte der Flößerei in und um Wiesbaden erinnern.
Literatur
Diehl, Fritz: Von Castellum bis Kastel. Stationen einer 2000jährigen Geschichte, Mainz-Kastel 1985.
Frenz, Willi: Die Industrialisierung Kostheims. Ein Beitrag im Rahmen des Gesamtkonzepts Route der Industriekultur – Eine kultur- und industriegeschichtliche Untersuchung, Griesheim 2003.
Keweloh, Hans-Walter: Auf den Spuren der Flößer. Wirtschafts- und Sozialgeschichte eines Gewerbes, Stuttgart 1988.
Michels, Holger: Flößerei im Mainmündungsgebiet, Diss. Johannes Gutenberg-Universität, Mainz 2000.