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Wiesbadener Dialekt

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Der Wiesbadener Dialekt gehört zum südhessischen Dialektraum. Die Dialekt sprechende Gruppe ist relativ klein, aber in allen sozialen Schichten vertreten. Nach Günther Leicher (1923–2010) können Wiesbadener Bürger hinsichtlich ihrer Dialektnähe bzw. -ferne schon danach unterschieden werden, wie sie den Namen der Stadt aussprechen. Alteingesessene nennen sich »Wissbadner«, als »Wiesbaadener« dagegen, also mit der Betonung auf der drittletzten Silbe, bezeichnen sich Zugewanderte. Dazwischen liegen die »Wiesbadener«, die eine zwischen Dialekt und Hochdeutsch neutrale Position einnehmen.

Der Wiesbadener Dialekt unterscheidet sich als nassauische Variante deutlich von den anderen südhessischen Dialekten, die in Mainz, Frankfurt am Main oder Darmstadt gesprochen werden. Buchstaben am Wortende werden gerne verschluckt, vor allem bei Verben. So heißt es »lache« statt lachen, »esse« statt essen usw. Im Wortinnern wird das »r« ausgelassen, aus dem Namen Karl wird so »Kall«. Aus »st« und »sp« wird ein stimmhaftes »sch« mit einem weichen Konsonanten, z. B. »schbizz« für spitz und »schdolbern« für stolpern. Ch oder g, vor allem am Wortende, wird zu sch, »goldisch« für goldig, »ferschderlisch« für fürchterlich, »Grieschisch Kabell« für Griechische Kapelle usw. Ei und au werden oft zu einem lang gezogenen aa, z. B. »Staa« für Stein, »aaner« für einer, »aach« für auch. Harte Konsonanten werden zu weichen, aus t wird d, aus p wird b, z. B. »Budding« statt Pudding; dazu werden Vokale oft gestreckt, so wird aus Schokolade »Schoggelaad«.

Dazu kommen zahlreiche Begriffe, die diesem Dialekt eigen sind wie »Hackesjer« für die ersten Kinderzähne, »Hannebambel« für einen Mann, der unterm Pantoffel steht, »Zores« für die städtische Unterschicht sowie Redewendungen. Typisch ist auch eine Neigung zu tautologischen Wendungen wie »e Fläschje Flaschebier« für eine Flasche Bier oder »Schiffschebootsche« für ein kleines Passagierschiff wie die »Tamara«, die zwischen Schierstein und der Rettbergsaue verkehrt.

Der Wiesbadener Mundartdichter Franz Bossong widmete sich der Pflege und Überlieferung der Sprache der alteingesessenen Bürger. Im 20. Jahrhundert wurde die Mundartdichtung in Wiesbaden stark geprägt durch den in Naurod bei Wiesbaden gebürtigen Rudolf Dietz. Um 1900 widmete sich der Wiesbadener Sprachverein unter dem Ehrenvorsitz Konrad Dudens auch der Pflege der nassauischen Mundart.

Zurzeit hat mehr als ein Drittel der Stadtbevölkerung Wiesbadens (Stand 2015) einen Migrationshintergrund. Im 19. Jahrhundert wurde die Wiesbadener Oberschicht zwar von dialektfernen wohlhabenden Zugezogenen geprägt, der Dialekt blieb jedoch in der Unterschicht durch den Zuzug von Arbeitskräften aus den nassauischen Dialekträumen des Taunus und Westerwalds als auch aus dem Rheinhessischen fest verankert. Dies begünstigte in den Bildungsschichten die Auffassung, Dialekt sei eine Unterschichtensprache, die in den höheren Bildungseinrichtungen und im gesellschaftlichen Leben nichts zu suchen habe. Die seit Ende des Zweiten Weltkriegs nach Wiesbaden Zugezogenen kamen aus weit entfernten Gegenden Deutschlands ohne jeden Bezug zum nassauischen Dialekt, die späteren Arbeitsmigranten aus dem südlichen Europa und aus der Türkei, also aus fremdsprachlichen Gebieten. Konnte man bis in die 1970er-Jahre beobachten, dass Migranten durch den Kontakt mit einheimischen Arbeitskollegen und Nachbarn mitunter den Dialekt annahmen, scheint es, dass etwa seit Ende der 1980er-Jahre die jüngeren Generationen mit Migrationshintergrund eher eine eigene Jugendsprache mit teilweise fremdsprachlichen Akzenten, aber ohne Dialekt, entwickeln.

Der Dialekt hat heute den Ruf als »Unterschichtensprache« verloren. Er gilt als humorvoll und witzig. Gesprochen wird Dialekt weiterhin in eingesessenen Wiesbadener Familien. Im gesellschaftlichen Leben hat der Wiesbadener Dialekt vor allem im Karneval seinen festen Platz. Aber auch in der Wiesbadener Presse gibt es regelmäßig Dialektbeiträge. Besonders verdient gemacht um die Erhaltung und Vermittlung des Wiesbadener Dialekts in die heutige Zeit hat sich Günther Leicher mit seinem »Wissbadner Wödderbuch« und mit seiner bis zu seinem Tode fortgeführten Kolumne des »Schorsch vom Michelsberch« im Wiesbadener Tagblatt. In der ländlichen Umgebung Wiesbadens trifft man den nassauischen Dialekt häufiger an. Rudolf Dietz und sein Werk ist bei der mehrheitlich konservativen Bevölkerung einiger östlicher Vororte Wiesbadens, besonders in seinem Geburtsort Naurod, nach wie vor populär.

Literatur

Forßbohm, Brigitte (Hrsg.): Die Wäsch-Bitt von Franz Bossong. Heiteres und Satirisches aus dem alten Wiesbaden, Wiesbaden 1998.

Leicher, Günther: Wissbadner Wödderbuch, Mainz 1994.