Dietz, Rudolf
Dietz, Rudolf
Lehrer, Mundartdichter
geboren: 22.02.1863 in Naurod
gestorben: 14.12.1942 in Wiesbaden
Artikel
Seit 1868 lebte die Familie nach dem Tod des Vaters in bescheidenen Verhältnissen in Naurod. Dietz erhielt zusätzlichen Unterricht durch den Pfarrer. Sein Wunsch, wie dieser Theologe zu werden, scheiterte an den finanziellen Möglichkeiten.
1878 trat er in die Präparandenanstalt in Herborn ein und besuchte später das Usinger Lehrerseminar. Seine erste Stelle erhielt er als Lehrergehilfe 1883 in Freiendiez. Wegen des bescheidenen Salärs begann er mit dem Verfassen von Gedichten. In den Jahren 1890 und 1894 erfolgten Weiterbildungen an der Lehrerbildungsanstalt für Knabenarbeit in Leipzig. 1898 wurde Dietz nach Wiesbaden an die Schule am Schulberg versetzt, wo er bis zu seiner Pensionierung 1925, in den letzten beiden Jahren als Konrektor, tätig war.
Seit 1883 gehörte Dietz der nationalliberalen Partei an. Während der Zeit der Weimarer Republik war Dietz Mitglied der Deutschen Volkspartei (DVP). 1928 gründete er die Nassauische Familiengeschichtliche Vereinigung und war zudem Mitglied des Volksbildungsvereins. Dietz trat zum 1. Mai 1933 der Partei bei. Zusätzlich trat Dietz zum 1. April 1937 dem NS-Lehrerbund bei und beantragte am 15. Juni 1938 die Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer.
Bis 1930 gab Dietz zehn Gedichtbände mit über 1.000 Mundartgedichten heraus, publizierte aber auch Bücher zur Heimatkunde, Erzählungen und Theaterstücke. Es handelt sich dabei in erster Linie um Gebrauchslyrik für den aktuellen Bedarf. Eine textkritische Analyse der Werke ergab, dass über 40 Gedichte einen antisemitischen Inhaltsschwerpunkt aufweisen. Insbesondere in dem bebilderten Gedichtband »Du liebe Heimat«, der erstmals 1924 das poetische Gesamtwerk des Autors enthielt und bis 1938 mehrfach nachgedruckt wurde, wird dies deutlich. Die Illustrationen waren von Dietz autorisiert und wurden gezielt zur Herabwürdigung eingesetzt. Die in den Gedichten bemühten Bilder bedienten die landläufigen antisemitischen Klischees.
Schon in seiner 1916 für die »Nassauer im Felde« als »Liebesgabe« herausgegebenen Gedichtsammlung kommt Dietzs extremer Nationalismus zum Ausdruck. Gegen Ende des Krieges soll er dann in engerem Kontakt mit dem Deutschbund, einer elitär-sektiererischen und völkisch-rassistischen Gruppierung, gestanden haben, der als einer der Wegbereiter des Nationalsozialistischen gilt. Nach Auskunft seines Freundes Walter Minor ist Dietz 1917/18 dieser Organisation beigetreten. Eindeutig zu belegen ist das nicht.
Aufgrund seiner Tätigkeit als Heimatdichter erlangte Dietz insbesondere in Nassau Bekanntheit. Seine Gedichte trug er in den 1930er Jahren in Rundfunksendungen und auf NS-Propaganda-Veranstaltungen, wie dem „Bunten Abend“ des SA-Sturms 8/80 Wiesbaden vor. Zudem hatte ihn die NSDAP 1934 beauftragt, eine Kurzparole für das Winterhilfswerk zu entwerfen.
Seine von antijüdischen Ressentiments durchdrungenen Gedichte führten im Jahr 2003 zu einer heftigen Debatte über die Frage, ob die seit dem Ende der 1950er Jahre nach ihm benannte Grundschule in Wiesbaden-Naurod umzubenennen sei. 2023 empfahl die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsfläche, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden wegen der aktiven Unterstützung der NS-Bewegung und des Beitrags zur Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung durch antisemitische Agitation die Umbenennung der Rudolf-Dietz-Straße und des Rudolf-Dietz-Brunnens. Dietz war am 14. Dezember 1942 in Wiesbaden gestorben und auf dem Nordfriedhof beigesetzt worden.
[Der vorliegende Text wurde von Dr. Brigitte Streich für die 2017 gedruckte Version des Stadtlexikons Wiesbaden erstellt und 2024 von Dr. Katherine Lukat überarbeitet und ergänzt]
Literatur
Becht, Alwin: Der nassauische Heimat- und Mundartdichter Rudolf Dietz. In: Nassauische Annalen 107/1996 [S. 241–268].
Renkhoff, Otto: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten, 2. Aufl., Wiesbaden 1992 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 39) [S. 136].
Zeitungsauschnittsammlung Stadtarchiv Wiesbaden, "Dietz, Rudolf".