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Schulwesen

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Seit wann in Wiesbaden eine Schule bestand, ist nicht überliefert. Erst aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gibt es Anhaltspunkte. Die alte Schule stand am heutigen Mauritiusplatz. Im Zuge der Einführung der Reformation 1543 ernannte Graf Philipp zu Nassau den Gelehrten Bartholomäus Beringer aus Otting in Bayern zum Schulmeister und erweiterte die Schule um eine Lateinschule. Auf der »Elementarstufe« sollten Lesen und Schreiben und die Anfangsgründe des Lateinischen anhand des Katechismus erlernt werden. Wer lesen konnte, kam in die »Grammatica«, in der die Grammatik anhand von wenigen lateinischen Werken eingeübt wurde. Nach Erreichen der »Dialectica« wurden Texte römischer Autoren gelesen, Verse erstellt und in Dialektik und Rhetorik eingewiesen, um auf den Besuch des Gymnasiums und der Universität vorzubereiten.

Die Wiesbadener Lateinschule war in der längsten Zeit ihres Bestehens eine Vorbereitungsanstalt für die oberen Klassen des 1586 gegründeten Idsteiner Gymnasiums. Unmittelbarer Vorgesetzter der Lehrer war als »Inspektor« der erste Stadtpfarrer, diesem übergeordnet der »Superintendent«, der – ebenfalls ein Geistlicher – dem »Konsistorium« als Landesbehörde angehörte. 1546 war das alte Schulhaus baufällig. Der Graf schenkte der Stadt zur Einrichtung einer Schule das Haus des »Frühmessners«, das seit Abschaffung der Messe leer gestanden hatte. Es befand sich an der Einmündung der späteren Schulgasse in die Kirchgasse. Erst »kurz vor 1730« kam es zur Einrichtung einer zweiten deutschen »Schule im Sauerland«. Eine dritte Schule gab es seit 1778 im Waisenhaus in der Neugasse für die dort lebenden Kinder, die mit dessen Auflösung im Jahre 1804 aufgegeben wurde.

Ab 1800 wurden nach und nach entscheidende Veränderungen eingeleitet, die allmählich aus dem starren Gefüge der überlieferten Lateinschule und dem System der Stadtschulen hinaus- und zu mehr differenzierenden und damit den Bedürfnissen der Bürgerschaft entgegenkommenden Schulformen hinführten. Zu diesem Zeitpunkt waren an der »Stadtschule« am Mauritiusplatz/Schulgasse (noch einstöckig) die Lateinschule mit 50 Schülern, die Knabenschule mit je 90 Knaben im Alter von zehn bis 14 und im Alter von sechs bis zehn Jahren und die Mädchenschule mit 120 Mädchen von sechs bis 14 Jahren untergebracht. An der »Schule im Sauerland«, Ecke Webergasse/Saalgasse, wurden insgesamt 130 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. 50 Waisenkinder zählte die »Waisenhausschule« in der Neugasse.

Der Rektor der Lateinschule, Karl Philipp Salomo Schellenberg, entwickelte 1804 einen Plan für die Einrichtung einer Schule für die Töchter der gebildeten Stände in Verbindung mit der Lateinschule, um die intellektuelle Ausbildung der Mädchen stärker zu fördern. Am 05.10.1807 nahm die neue Latein- und Töchterschule den Unterricht unter dem Namen »Friedrichschule« (zu Ehren des Herzogs) auf. Lehrgegenstände waren Religion, Moral, Naturkunde, Latein (nur Knaben), Französisch, Deutsch, Geografie, Geschichte, Rechnen, Mathematik (nur Knaben) und Schreiben. Im gemeinsamen Religionsunterricht durfte auf die Besonderheiten der Religionen nicht eingegangen werden. Dass die Friedrichschule nicht alle Ansprüche erfüllte, wurde an den zunehmenden Gründungen von privaten Instituten neben den öffentlichen Schulen sichtbar, von denen die 1809 gegründete Privaterziehungsanstalt des Johannes de Laspée einen besonderen Platz einnahm.

Durch das »Nassauische Schuledikt« vom 24.03.1817 schuf das Herzogtum Nassau erstmalig in Deutschland eine vereinheitlichende, gesetzliche Grundlage zur Organisation des Schulwesens. Kernpunkte bildeten dabei unter anderem die Einführung der Simultanschule, die Neuordnung der Schulaufsicht, die Zweiteilung des Schulwesens in kommunale Volks- und staatliche Gelehrtenschulen. Zur Besoldung der Lehrer, zur Unterhaltung der Gebäude und deren Ausstattung diente staatlicherseits die Schaffung eines Zentralstudienfonds. Die Volksschule sollte sich in Elementar- und Realschulen gliedern und den Menschen die im Staatsverhältnis notwendige allgemeine Bildung vermitteln. Die Elementarschule lehrte in 30 bis 32 Wochenstunden die Kinder vom sechsten bis zum vollendeten 14. Lebensjahr in vier Klassen richtiges Sprechen der Muttersprache, Religion und Sittenlehre, Singen, Lesen, Rechnen, Recht- und Schönschreiben, Verfertigen schriftlicher Aufsätze, gemeine Erd- und Himmelskunde, allgemeine Kenntnis der Geschichte, Naturgeschichte, Natur und Gesundheitslehre und allgemeine landwirtschaftliche und gewerbliche Kenntnisse. Die Realschule sollte der ausschließlich männlichen Jugend die nötige erweiterte Bildung für den Beruf des Handwerkers, des Künstlers oder ein landwirtschaftliches oder anderes Gewerbe verschaffen.

Das Schuledikt verfügte auch die Auflösung der Lateinschulen und des Gymnasiums in Idstein und schuf an deren Stelle vierklassige staatliche Pädagogien (Gelehrtenschulen) für Knaben in Wiesbaden, Dillenburg, Idstein und Hadamar als Vorbereitungsanstalten für das neu zu schaffende Landesgymnasium in Weilburg, dessen Abschluss zum Universitätsstudium berechtigte. Die feierliche Eröffnung des Wiesbadener Pädagogiums erfolgte am 14.06.1817 noch im Gebäude der »Latein- und Töchterschule« am Mauritiusplatz. Den Unterricht erteilten der Rektor, der Prorektor und zwei Konrektoren sowie mehrere Nebenlehrer für Gesang, Schreiben und Zeichnen und Geistliche für den Religionsunterricht. Da die alte Stadtschule allmählich zu klein wurde, entstand neben der späteren Marktkirche – im Garten des alten Schlosses – ein neues Schulgebäude, die Stadtschule am Markt, das am 03.11.1817 feierlich eingeweiht wurde. Ins Erdgeschoss zog die Elementarschule, in den Oberstock das Pädagogium, bis es 1830 in ein eigenes Gebäude am Luisenplatz (heute: Hessisches Kultusministerium) umzog.

In den 1840er-Jahren trugen die Handel und Gewerbe treibenden Bürger die Ideen von politischer Mitwirkung mehr und mehr auch in die Bevölkerung und forderten auch eine bessere Bildung für ihre Kinder. So bestimmte 1840 die Regierung endlich, die im Schuledikt von 1817 vorgesehenen Realschulen für Knaben zu errichten. Die Wiesbadener Realschule, die am 01.05.1840 mit zwei Klassen unter der Leitung des Rektors des Pädagogiums, dem nun beide Schulleitungen übertragen worden waren, eröffnet wurde, zielte von Anfang an darauf ab, zukünftig diese mit ihrem vor allem naturwissenschaftlich-technischen, gewerblichen und fremdsprachlichen Schwerpunkt gleichrangig neben die Gelehrtenschule (Pädagogium) zu stellen. Durch Gesetz vom 22.06.1842 wurden das Gymnasium zu Weilburg und die Pädagogien zu Wiesbaden und Hadamar zu Voll-Gymnasien erweitert.

Das Gesetz bestimmte auch, in Wiesbaden ein Realgymnasium zu errichten. Auch das Elementarschulwesen wurde 1843 in drei Abteilungen neu gegliedert. Die Volksschule (1. Abteilung) sollte die Knaben und Mädchen der ärmeren und niedrigsten Volksklassen aufnehmen, während die »Bürgerschule « (2. Abteilung) durch ihren Lehrstoff, der das volle Maß der vom Mittelstand jetzt geforderten Volksschulbildung vermittelte, vorzugsweise für die Jugend des mittleren Bürger- und Einwohnerstandes zuständig sein sollte. Die 3. Abteilung, eine Vorschule für den Besuch des Pädagogiums und der Realschule, sollte den Knaben der gebildeten Eltern, die eine höhere oder techn. Berufsbildung für ihre Kinder anstrebten, vorbehalten bleiben. Die 1. Abteilung zog in die gerade neu erbaute Schule an der Lehrstraße, die 2. und die 3. Abteilung waren in der Stadtschule am Markt untergebracht. 1844 erteilte schließlich die Regierung die Genehmigung, die 1840 errichtete Realschule zu einem dreiklassigen staatlichen Realgymnasium zu erweitern, das auch von auswärtigen Schülern besucht werden konnte. Es sollte vor allem die allgemeine naturwissenschaftliche Vorbildung von Schülern vorwiegend aus dem Mittelstand verbessern und ihren Übergang in einen höheren technisch-praktischen Beruf oder eine entsprechende Fachschule usw. vorbereiten. Die Eröffnung erfolgte zu Ostern 1845 im Oberstock der Stadtschule am Markt. Die Schule erhielt den Namen Herzogliches Realgymnasium.

Am 05.05.1847 folgte mit der Gründung der Städtischen Höheren Töchterschule ein wichtiger Schritt zu einem differenzierten Schulsystem im Sinne der Wiesbadener Bürger. 1857 ergaben sich weitere Veränderungen: Die vier unteren Realschulklassen wurden wieder vom Realgymnasium getrennt und bildeten zusammen mit der Vorbereitungsklasse der Elementarschule (Abteilung 3) den Grundstock für die neue Höhere Bürgerschule für Jungen (heute Oranienschule). Anstelle der abgetrennten Realschulklassen bildeten von diesem Zeitpunkt ab die vier unteren Klassen (Septima, Sexta, Quinta und Quarta) des Herzoglichen Gymnasiums am Luisenplatz gleichzeitig auch den Unterbau für das Realgymnasium, das nun in das Gebäude der Münze, ebenfalls am Luisenplatz, umzog. 1860–63 musste die Schule wegen des hohen Geräuschpegels bei der Münzherstellung in den Schützenhof verlegt werden, konnte aber 1864 wieder dorthin zurückkehren.

1864 kam es noch unter nassauischer Regie zu einer Aufgliederung des Elementarschulbereichs in eine Elementarschule genannte Abteilung A und in eine Mittelschule als Abteilung B. Erstere beschränkte sich auf den im Gesetz von 1817 geforderten Unterricht und hatte neben ihrem Lernauftrag einen wichtigen Erziehungsauftrag zu übernehmen. Beides sollte in einer Schule umgesetzt werden, die sich um einen »innigen« Umgang zwischen Schule und Elternhaus und zwischen Lehrern und Schülern bemühen und diesen Prozess durch Spiele, Feste, Spaziergänge und zeitweise Aufteilung der großen Schülerzahl einer Klasse in Gang setzen sollte. Die Mittelschule sollte sich durch einen tiefer gehenden Unterricht in den Realien und ein fakultatives Angebot in Französisch, Geometrie und Zeichnen von der Elementarschule unterscheiden.

Als Folge entstanden zahlreiche neue Elementar- und Mittelschulen in Wiesbaden, aber auch die höheren Schulen wurden weiter ausgebaut bzw. neue errichtet. Als 1863 das erste neue Schulgebäude auf dem »Heidnischen Berg« (später Schule auf dem Schulberg I) fertig gestellt war, in das dann die Elementar-Knabenschule einzog, stand das Gebäude an der Lehrstraße der Knaben-Mittelschule voll zur Verfügung, während die Mädchen-Mittelschule am Markt verblieb. 1870 wurden die Elementar-Mädchenschule auf dem Schulberg II, 1879 die Elementar-Knabenschule an der Bleichstraße (heute Hochschule RheinMain), die Mittelschule an der Rheinstraße (heute: Werner-von-Siemens-Schule), 1884 die Elementar-Knaben- und -Mädchenschule an der Kastellstraße (Knaben und Mädchen durch einen Zaun quer über den Schulhof getrennt) und 1897 die Elementar-Knabenschule am Blücherplatz erbaut.

Auch im Bereich der höheren Bildung ging die Entwicklung weiter: Die Höhere Bürgerschule bezog 1868 ein neues Gebäude in der Oranienstraße. Das Königliche Gymnasium am Luisenplatz wurde 1880 wegen Platzmangels aufgestockt und 1884 weiter ausgebaut. 1901 erhielt die Höhere Töchterschule als Oberlyceum (Lyceum war in Preußen eine höhere Mädchenschule, Oberlyceum ein solches mit Oberstufe und Volksschullehrerinnenseminar) endlich ein eigenes Schulgebäude am Schlossplatz neben der Marktkirche. 1903 entstand das Gebäude der heutigen Gutenbergschule als Elementarschule und am 01.05.1905 wurde die Oberrealschule i. E. (in Entstehung) am Zietenring (mit einer dreijährigen Vorschule) eingeweiht (heute: Leibnizschule). Abgesehen von der Gründung der Blindenanstalt auf dem Riederberg 1861 kam es 1904 zu der Einrichtung der ersten, noch einklassigen Hilfsschule Wiesbadens in der Schule auf dem Schulberg. 1912 konnten die Mittelschule an der Blumenthalstraße (heute: Gerhart-Hauptmann-Schule) und 1914 die Elementarschule an der Lahnstraße (heute Albrecht-Dürer- Schule) – wohl die letzte Schulbaumaßnahme im Kaiserreich in Wiesbaden – eröffnet werden.

Die Zeit während und nach dem Ersten Weltkrieg brachte vielfache Veränderungen mit sich. Einschränkungen der Stundenzahlen, Klassenzusammenlegungen, häufiger Wechsel der Unterrichtsverteilung, Kohlenmangel, Grippeepidemien; hinzu kamen der Hunger, Verwundete, Vermisste und Tote in den Familien. Nach dem verlorenen Krieg gingen die Störungen weiter: Die fremde Besatzung in Wiesbaden beschlagnahmte mehrere Schulen – die Gutenberg-Elementarschule z. B. musste mit zwölf Klassen im Gebäude des Realgymnasiums an der Oranienstraße aufgenommen werden. Eine Beeinträchtigung brachte die Notzeit der Inflation, unter anderem mit steigenden Schulgeldsätzen.

Aber auch Reformen kündigten sich an. Die Reichsverfassung von 1919 erklärte die Grundschule als die für alle Schülerinnen und Schüler gemeinsame Unterstufe aller Schulformen, so dass in Wiesbaden deshalb 1921–23 alle Vorschulen auslaufen mussten. Ostern 1924 wurden die ersten Grundschüler nach bestandener Aufnahmeprüfung in die Sexten der Gymnasien aufgenommen. In diesem Zusammenhang wurde 1925 z. B. die Oberrealschule am Zietenring als mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium definiert. Auch in den Volksschulen hatte pädagogische Arbeit 1924–32 einen hohen Stellenwert. Die Einflüsse der Arbeitsschulbewegung mit ihren Forderungen unter anderem nach Selbsttätigkeit der Schüler, Erlernen von Arbeitstechniken, um Aufgaben mit methodischem Bewusstsein zu lösen, nach handwerklichen Arbeitsformen und beruflichen Vorbereitung in der Schule verschafften sich in diesen Jahren zunehmend Geltung in der Schulpraxis.

Doch ab 1933 wurde dies anders. Überlegungen zur pädagogischen Erneuerung verstummten, ihre praktische Umsetzung spielte im Gegensatz zu dem Zeitraum 1924–32 keine große Rolle mehr. Die zunehmende Verengung des Unterrichts und der politische Missbrauch der Schule begannen. Es gab nur einen absoluten Wert für die Schule, den sie zu erreichen hatte: Den Einsatz für den »Führer« und für das sogenannte Dritte Reich. Damit sollte sie zu einem Instrument für die Umsetzung der politischen Vorstellungen der NS-Diktatur gemacht werden. In die Lehrpläne wurden besondere Schwerpunkte – z. B. Rassenkunde, Segelflug, Vererbungslehre u. a. – eingebaut. Dazu kamen Flaggenehrungen, vorgeschriebene Schulfeiern, die der Verherrlichung der Vorkämpfer des NS-Gedankens oder der neuen Machthaber zu dienen hatten. Der Besuch nationalpolitischer Filme und Radiosendungen wurden verpflichtend verfügt. Jüdische Schüler mussten nach und nach die Schulen verlassen, an der Mainzer Straße wurde eine jüdische Schule geschaffen. Die Hitlerjugend wirkte an der Erziehung der Jugendlichen mit, 1934 wurde ein sogenannter Staatsjugendtag eingeführt. Die Schülervereine, konfessionelle und sonstige Jugendverbände wurden verboten. 1933 war das Münzgebäude vom Frühjahr bis in den Sommer Unterkunft der SA und Haft- und Folterstätte für politisch Gefangene und Juden. Am 12.06.1933 schließlich endete die lange schulische Tradition am Luisenplatz, die bereits vereinigten beiden ältesten Gymnasien der Stadt mussten ihre Schulgebäude verlassen und in die bisherige Gutenberg-Volksschule an der Mosbacher Straße umziehen. In den Luisenplatz 10 zog die Verwaltung des Reichsarbeitsdienstes, Gau Hessen-Süd, in das Gebäude Luisenplatz 5 (Münze) im Sommer 1933 der Reichsluftschutzbund, Ortsgruppe Wiesbaden.

Mit Beginn des Schuljahres 1937/38 wurden die bestehenden, in sich verschiedenen Typen der höheren Schulen »aus bevölkerungspolitischen Gründen« zu Gunsten einer Hauptform, der Oberschule mit Englisch als erster und Latein als zweiter Fremdsprache aufgelöst. Nur das humanistische Gymnasium blieb als Oberschule mit Gymnasium bestehen, die Schule am Zietenring wurde als Riehlschule, städtische »Oberschule für Jungen am Zietenring«, weitergeführt. Gleichzeitig verkürzte sich die Schulzeit an den höheren Schulen von neun auf acht Jahre. Immer stärker setzte das Regime die Schüler für außerschulische Zwecke wie Erntehilfe, Ausgabe der Kleiderkarten, Sammlung von Früchten, Bucheckern, Altmaterial, usw. ein. Stundenausfälle und gesundheitliche Schäden aufgrund häufiger Fliegeralarme waren an der Tagesordnung.

Besonders schwer hatten es während der Nazi-Diktatur die zwei voll ausgebauten Hilfsschulen an der Luisenstraße in Wiesbaden und in Wiesbaden-Biebrich. Im Laufe des Kampfes um den Bestand der Hilfsschulen wurde mit schikanösen Maßnahmen aller Art versucht, ihre Einrichtung zu dezimieren und den Einsatzwillen der Lehrkräfte zu schmälern. Das voll ausgebaute System in Biebrich sank zu einer zweiklassigen Filiale von Wiesbaden herab, und die Hilfsschule in Wiesbaden wurde sogar in einzelne Klassen aufgesplittert und in verschiedenen Volksschulen untergebracht. Zum Schluss des Krieges war das Hilfsschulwesen nur noch dem Namen nach vorhanden.

Die amerikanische Militärregierung genehmigte die Wiedereröffnung der verschiedenen Schulformen bis spätestens 12.11.1945. Fehlende Lehrkräfte (durch Tod, Gefangenschaft, Krankheit, Kriegsbeschädigung und schwebende Entnazifizierungsverfahren) sowie Schäden an den Schulgebäuden, ausgeplünderte Schulräume, der gesundheitliche Zustand der Schüler, Kohlenmangel, fehlende Nahrungsmittel, fehlende Lehr- und Lernmittel usw. behinderten die Durchführung eines einigermaßen geordneten Schulunterrichts. Die bisherige Schulstruktur – Volksschulen, Mittelschulen, Hilfsschulen und Höhere Schulen – blieb ab 1945 im Wesentlichen erhalten. Bereits 1946 erschienen erste Lehrpläne für die höheren Schulen des Landes Groß-Hessen, die als Handreichung für die Jahre des Übergangs gedacht waren, in denen nach der Hitler-Diktatur das neue Fach Sozialkunde eine besondere Rolle spielte. Sie forderten von der schulischen Erziehung im Rahmen der Demokratie zu den Grundforderungen der Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde, zur Liebe zu Volk und Vaterland und zur Achtung vor allen Völkern und Rassen zurückzukehren. Die vor 1937 geltenden Klassenbezeichnungen Sexta bis Oberprima und die Sprachenfolge an den Realgymnasien – Englisch ab Sexta, Latein ab Quarta und Französisch ab Untersekunda – wurden wieder eingeführt, Elternbeiräte und Schülermitverwaltung ins Leben gerufen und Lernmittelfreiheit hergestellt. Seit 1956 erhielten alle hessischen Schulen neue Namen.

Mit den 1957 in Kraft gesetzten Bildungsplänen entstanden drei Typen von Gymnasien: das altsprachliche, das neusprachliche und mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium und das Aufbaugymnasium. Das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium erhielt in der Oberstufe eine Gabelung in einen neusprachlichen und einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig, wobei später an einzelnen Schulen zusätzlich auch ein musischer Zweig eingerichtet werden konnte. 1962 zog die Diltheyschule in ein neues Schulgebäude am Mosbacher Berg um, 1968 entstand die Gerhart-Hauptmann-Schule als Mittelstufengymnasium. 1969 erfolgte die Gründung des Gymnasiums am Mosbacher Berg. Gleichzeitig zog die Diltheyschule in einen Neubau an der Georg-August-Straße um. Dort wurde neben dem altsprachlichen auch wieder ein neusprachlicher und mathematisch-naturwissenschaftlicher Zweig aufgebaut.

Nach einem 1960 in Bremen beschlossenen sogenannten Bremer Plan wurde die Errichtung von Schulen nach drei Grundprinzipien gefordert: Einführung der zehnjährigen Volksschulpflicht in allen Bundesländern, gemeinsame Unterrichtung aller Kinder in einer Einheitsschule, Verlängerung der Grundschule um eine zweijährige Förderstufe auf sechs Jahre. So kam es bis 1964 in Wiesbaden zur Einführung eines 9. Pflichtschuljahres in der Volksschule und am 01.12.1966 mit der Umstellung des Schuljahresbeginns vom Frühjahr auf den 01.08. zu einer Aufteilung der Volksschulen in Grund- und Hauptschulen, wobei beide Formen selbstständig oder als Schulzweige miteinander verbunden sein konnten.

In den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden ein Netz neuer Sonderschulen (heute: Förderschulen) und neue Schulbauten vor allem im Volksschulbereich. Einen Zugang zu einer differenzierten Schule für alle sahen deren Befürworter in einer gemeinsamen Schule, die jeder Schülerin und jedem Schüler die geistigen Möglichkeiten zur Entfaltung seiner Neigungen und Interessen, seiner Begabung und Leistungsfähigkeit bieten sollte: die Gesamtschule. Deren Aufbau erfolgte – nicht zuletzt aus politischen Gründen – in mehreren Schritten. Vorreiter einer solchen differenzierten Schule war in Wiesbaden die 1968 in Mainz-Kastel gegründete Wilhelm-Leuschner-Schule als zunächst »Schulformbezogene Gesamtschule«, beginnend mit der Jahrgangsstufe 7. In dieser Form der Gesamtschule blieben ab der Jahrgangsstufe 7 die bisherigen Bildungswege »Hauptschule«, »Realschule« und »Gymnasium« noch erhalten, erlaubten aber eine intensive Zusammenarbeit untereinander. In den Jahrgangsstufen 5 und 6 waren »Förderstufen« an der Gustav-Stresemann-Grundschule in Mainz- Kastel und der Brüder-Grimm-Grundschule in Mainz- Kostheim vorgeschaltet, die jeweils nach einem System von Kernunterricht (Deutsch, Weltkunde, Naturwissenschaften), Fachleistungskursen A, B, C (Englisch, Mathematik) und Fachunterricht (Religion, Sport, Kunst, Musik, Werken, Familienhauswesen) arbeiteten, die, außer Religion, oft als Wahlpflichtkurse oder Arbeitsgemeinschaften angeboten wurden. Einen zweiten Schritt hin zu einer differenzierten Schule bildete dann schon 1969 die Umwandlung der Wilhelm-Leuschner-Schule in eine integrierte Gesamtschule, in der die Trennung nach Schulformen aufgehoben war und der Unterricht in heterogenen Gruppen (Kernunterricht) und Fachleistungsgruppen (Kursunterricht) von unterschiedlichem Niveau erteilt wurde. Zentraler Fachbereich des Kernunterrichts war das Fach Gesellschaftslehre, das die herkömmlichen Fächer Erdkunde, Geschichte und Sozialkunde verband.

Ein weiterer Schritt, die Trennung nach Schulformen aufzuheben, sollte 1986 die Einführung der obligatorischen Förderstufe darstellen, bei der alle Kinder nach der Grundschule in den Jahrgangsstufen 5 und 6 eine Förderstufe besuchen mussten. Förderstufen waren an ausgewählten Grundschulen angegliedert, boten Englisch als 1. Fremdsprache an und arbeiteten mit undifferenzierten Kerngruppen und – je nach Schule – in Englisch und Mathematik mit einer äußeren Differenzierung in Grundkursen (G) und Erweiterungskursen (E) oder in A, B oder C-Kursen je nach Leistung. Eine Ausnahme bildeten die Förderstufen an der Blücherschule und der Konrad-Duden-Schule in Sonnenberg, die Latein und Englisch als 1. Fremdsprache anboten. Lehrkräfte für den Unterricht in den E- und A-Kursen wurden von Wiesbadener Gymnasien stundenweise an die Grundschulen abgeordnet. Doch bereits ein Jahr später wurde – bedingt durch das Ergebnis der Landtagswahl – der obligatorische Besuch der Förderstufe wieder aufgehoben und dem Schulträger die Möglichkeit gegeben, an den weiterführenden Schulen wieder 5./6. Jahrgangsklassen einzurichten.

Etwa gleichzeitig mit den Diskussionen und Entscheidungen zur Gesamtschule und Förderstufe gingen Entscheidungen zur Reform der Grundschule (1970), die Einführung der Rahmenrichtlinien als lernzielbestimmtes Curriculum (1972) und Veränderungen in der Gymnasialen Oberstufe (1976, 1977/78 und 1990) einher, die vor allem die Anzahl, die Art, die Auswahlmöglichkeiten und die Bewertung der Kurse betrafen. Weitere Schwerpunkte bildeten unter anderem der Rahmenplan Grundschule (1995), die Einführung einer Schulkonferenz aus Eltern und Lehrkräften als weiteres Mitbestimmungsorgan, die Einführung von Betreuungsangeboten an Grundschulen, Schaffung von Ganztagsangeboten, die Erarbeitung inhaltsbezogener Lehrpläne für Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien und die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre (G 8).

2005 regelte eine Verordnung den »Gemeinsamen Unterricht«, d. h. die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an der allgemeinen Schule. Neben den Förderschulen und der ambulanten Förderung stellt der »Gemeinsame Unterricht« die dritte Säule sonderpädagogischer Förderung in Hessen dar. Landeseinheitliche Abiturprüfungen und landesweite Abschlussprüfungen an Real- und Hauptschulen sollten leistungsmäßige Unterschiede zwischen den Schulen abmildern und das Gesamtniveau anheben.

Derzeit gibt es in Wiesbaden 35 Grundschulen (zwei mit Außenstellen), davon sind (Außenstelle und zugehörige Stammschule als eine Schule gerechnet): 11 reine Grundschulen, 2 mit Eingangsstufe und Betreuender Grundschule, 5 mit Vorklasse und Betreuender Grundschule, 11 mit Vorklasse, 2 mit Eingangsstufe und 4 mit Betreuender Grundschule; 1 Grund- und Hauptschule, 1 Hauptschule, 3 Verbundene Haupt- und Realschulen, davon 1 mit Abendhauptschule und 1 mit Förderstufe; 4 Realschulen und 1 Abendrealschule; 10 Gymnasien, davon 2 Oberstufengymnasien, 1 Abendgymnasium; 7 Integrierte Gesamtschulen; 6 Förderschulen und 1 Abteilung für Körperbehinderte, davon 1 Schule für Lernhilfe mit Ganztagsschule und Vorklasse, 2 Schulen für Lernhilfe mit Sonderpädagogischem Beratungs- und Förderzentrum, 1 Schule für Körperbehinderte mit Ganztagsschule und Vorklasse, 1 Sprachheilschule und Schule für Sehbehinderte mit Vorklasse und Sonderpädagogischem Beratungs- und Förderzentrum, 1 Schule für Kranke mit Sonderpädagogischem Beratungs- und Förderzentrum.

Bei den immerwährenden Diskussionen um Veränderungen von Schulformen schloss sich der Kreis 2009 in Wiesbaden »versöhnlich«: Die Theodor-Fliedner-Schule entwickelte sich von einer additiven (schulformbezogenen) Gesamtschule zu einem Gymnasium, während die auslaufende Ludwig-Erhard-Schule, eine verbundene Haupt- und Realschule, als Alexej-von-Jawlensky-Schule in Wiesbaden-Dotzheim mit einem Neubau als integrierte Gesamtschule startete.

Literatur

Carl-von-Ossietzky-Schule Wiesbaden 1977–2002.

Elly-Heuss-Schule 1907–1982. Festschrift zum 75jährigen Jubiläum, Wiesbaden 1982.

Festschrift zum 25. Geburtstag der Martin-Niemöller-Schule.

Theodor-Fliedner-Schule, Gesamtschule der Landeshauptstadt Wiesbaden in Wiesbaden-Bierstadt – eine Dokumentation für die Jahre 1965–1985, 1985.

Wilhelm-Heinrich-von-Riehl-Schule 1910–1985 [1985]; 25 Jahre Wilhelm-Leuschner-Schule, 20 Jahre IGS, 1989.

100 Jahre Elly-Heuss-Schule – Festschrift zum Schuljubiläum, Wiesbaden 2007.

100 Jahre Leibnizschule – Festschrift zum 100-jährigen Bestehen, 2005.

125 Jahre Oranienschule Wiesbaden Gymnasium [1982] sowie 1957 und 2007.

150 Jahre Gutenbergschule Wiesbaden Gymnasium 1845–1994, 1995.

160 Jahre Diltheyschule. Alt- und Neusprachliches Gymnasium 1844–2004, 2004.

Festschriften Diltheyschule Wiesbaden 1977, 1983, 1994.

Festschrift Kastellstraßenschule 1984.

Festschrift Philipp-Reis-Schule 2004.

Heymach, Ferdinand, Geschichte der Stadt Wiesbaden 1925.

Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden (Hrsg.), Bildungswege, Wiesbaden 1975.

Otto, Fr., Geschichte der Stadt Wiesbaden, Wiesbaden 1877.

Schulte, Brigitta M.: Die Schule ist wieder offen, Wiesbaden 1997.



Pädagogium am Luisenplatz, um 1830 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F000-8304, Urheber: unbekannt
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