Schlachthof
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Der 1882–84 durch Stadtbaumeister Johannes Lemcke errichtete städtische Schlachthof nahm seinen Betrieb am 06.04.1884 auf. Ab 1900 verband ein Anschlussgleis den Ludwigsbahnhof mit einer Verladerampe auf dem Schlachthof. Vom neuen Hauptbahnhof führte ein separates Gleis zum Schlachthof. Die Kapazität der Anlage wurde Zug um Zug erweitert. So entstanden unter Stadtbaumeister Felix Genzmer 1897/98 eine Fleischverkaufshalle, 1899 ein Kühlhaus und der 36 m hohe Wasserturm und 1899–1900 die Kuttlerei sowie eine Kleinviehmarkthalle. 1907 errichtete man eine Säuglingsmilchanstalt in einem oberen Geschoss des Kühlhauses.
Der Wasserturm stellt heute eines der wenigen innerstädtischen Wahrzeichen der Wiesbadener Industriekultur dar. Hier erfolgte die Herstellung von Eis, das für die Frischhaltung des Schlachtguts unverzichtbar war. In den oberen Etagen war ein Reservoir für heißes Wasser und im Turm befanden sich Kaltwasserbehälter mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 240 m3. Den Strom für die gesamte Anlage erzeugten Maschinen im angrenzenden Maschinenhaus. Der Wasserturm und die Kleinviehmarkthalle überstanden die Bombenangriffe gegen Ende des Zweiten Weltkrieges fast unbeschadet. Das Maschinen-, Kessel- und Vorkühlhaus hingegen wurde zerstört und anschließend in einfacher Form wieder aufgebaut. 1991/92 schlossen sich die Tore des Wiesbadener Vieh- und Schlachthofs. Bis auf zwei Hallen und den Wasserturm wurden alle Gebäude abgebrochen.
Heute wird der Wasserturm vom Kulturzentrum Schlachthof genutzt. Das 2010 vollendete Deportationsmahnmal »Schlachthoframpe« erinnert daran, dass allein 1942 von dort wohl an die 800 Menschen wegen ihrer jüdischer Herkunft in die großen NS-Mordlager im Osten deportiert worden sind.
Literatur
Die öffentliche Gesundheitspflege Wiesbadens. Von der Stadt Wiesbaden dargebotene Festschrift. Hrsg.: Rahlson, H[elmut] im Auftrag des Magistrats, Wiesbaden 1908 [S. 149 ff.].
Ulrich, Axel/Streich, Brigitte (Red.): Gedenkort Schlachthoframpe. Hrsg.: Landeshauptstadt Wiesbaden – Kulturamt/Stadtarchiv, Wiesbaden 2009.