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Pflanzenwelt

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Die natürlichen Voraussetzungen für den Zustand von Flora und Vegetation einer mitteleuropäischen Landschaft sind Höhenlage, Klima und Böden. In der Gemarkung Wiesbadens reichen die Höhenstufen von 83 m über NN am Rheinufer bei Schierstein bis 614 m über NN an der Hohen Wurzel im Hochtaunus. Die Klimabereiche erstrecken sich von wintermildem Weinbauklima mit submediterraner Tendenz bis hin zu feucht-kühlem Klima in den Hochlagen des Taunus. Naturräumlich reichen die verschiedenen Teile des Stadtgebietes vom Rhein-Main-Tiefland und der Ingelheimer Rheinaue über das Maintaunus-Vorland und den Rheingau sowie den Vortaunus bis zum Hochtaunus. Die Böden reichen von nährstoffreichen Rohlössböden und Verwitterungsböden tertiärer Kalke in der Ebene und den unteren Hanglagen bis zu extrem nährstoffarmen Böden über Taunusquarzit und Tonschiefern in den Hochlagen.

Folge dieser verschiedenen Voraussetzungen sind sehr unterschiedliche Vegetationsformen und eine sehr reiche Flora. Die potenzielle natürliche Vegetation reicht von den Auwäldern an den Flüssen über Eichen-Hainbuchenwälder in den Kalkgebieten und den unteren Taunushängen bis zu den Buchenwaldungen der Hochlagen. Das durch Rodungen schon in vorgeschichtlicher Zeit entstandene Kulturland war mit einer erheblichen Bereicherung der Flora verbunden, da Begleitpflanzen von Getreide- und Weinbau einwanderten. Auch heute noch sind Verkehrswege und Flussufer Zonen, an denen entlang sich die Einwanderung von Pflanzenarten vollzieht. Von natürlicher und naturnaher Vegetation sind allerdings nur noch kleinste Reste vorhanden.

Wohn- und Industrieansiedlung, Anlage und Ausbau von Verkehrswegen, Abbau von Bodenschätzen und vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft haben das Artenspektrum der Flora Wiesbadens eklatant verändert. Das gilt vor allem für die Gebiete südlich und östlich des dichter besiedelten Stadtbereichs. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden durch den Ausbau von Rhein und Main zu Schifffahrtswegen Auwälder und Stromtalwiesen großflächig zerstört. An den unteren Taunushängen wurden Eichen-Hainbuchenwälder durch Buchenanpflanzungen und die Anlage von Fichtenforsten ersetzt. Mit der Änderung des Baumbestandes änderte sich auch die Bodenflora der Wälder grundlegend, die heute durch die Ausdehnung der städtischen Bebauung an den Taunushängen wieder weitgehend verschwunden sind. Durch den Kalkabbau im Raum Biebrich, Amöneburg und Erbenheim verschwanden oberflächennahe Kalkvorkommen vollständig und mit ihnen die spezialisierten Pflanzenarten.

Die Sammlungen der naturkundlichen Abteilung des Landesmuseums mit den dort aufbewahrten Herbarien dokumentieren den Zustand der Flora um die Mitte des 19. Jahrhunderts sowie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die Liste der als gefährdet eingestuften Arten und ausgestorbenen Pflanzen ist lang. Die Wälder weisen von den Auen an Main und Rhein zu denen des Taunuskamms erhebliche Unterschiede auf. Von den Auwäldern ist im nahen Uferbereich hier und da noch der Weichholz-Auwald in Resten vorhanden, in dem zahlreiche Weidenarten und die selten gewordene Schwarz-Pappel zu finden sind. Dieser Waldtyp wird oft mehrmals jährlich überflutet. Er ist im Naturschutzgebiet (NSG) »Wallufer Bucht« noch am besten erhalten. Auf der Rettbergsaue, die ebenfalls NSG ist, versucht man durch Pflegemaßnahmen einen Hartholz-Auwald zu rekonstruieren. Dieser Waldtyp wird nur bei Hochwasserhöchstständen überflutet. Die Bodenflora beider Waldtypen ist sehr gefährdet, da starke Einschwemmung von Stickstoffverbindungen dazu geführt hat, dass die Bodenflora von Brennnesseln und dem im 20. Jahrhundert aus dem Himalaja eingewanderten und sich stark ausbreitenden Drüsigen Springkraut beherrscht wird. Früher trat im Hartholz-Auwald großflächig der Bärlauch auf, dessen Verbreitung aus den genannten Gründen stark zurückgegangen ist.

In den Hangwäldern, ursprünglich reine Laubwälder, findet man seit dem 18. Jahrhundert auch Waldkiefer und Europäische Lärche, zu denen im 19. Jahrhundert die Fichte (Picea abies) kam. Überwiegend besteht der stadtnahe Wald aus dem sogenannten Waldmeister-Buchenwald (Galio odorati-Fagenion), in dem immer noch Reste der einst reicheren Bestände von Trauben-Eiche und Hainbuche zu finden sind. Charakterisiert wird er durch das Vorkommen von Waldmeister, Wald-Schwingel, Nestwurz, Zwiebel-Zahnwurz, Hasenlattich, Einblütiges Perlgras, Berg-Goldnessel (Lamiastrum montanum), Flattergras, Hexenkraut (Circaea lutetiana) und einige Farnarten. In dieser Waldzone Wiesbadens liegt hessen- und deutschlandweit der Verbreitungsschwerpunkt von Forsters Hainsimse (Luzula forsteri), für deren Schutz und Bestandserhaltung der Stadt eine wichtige Aufgabe zukommt. Oberhalb 400 m über NN tritt der Taunusquarzit an die Oberfläche und bildet nährstoffarme, meist flachgründige Böden, auf denen der Hainsimsen-Buchenwald (Luzula-Fagenion) stockt. Dieser Waldtyp ist wesentlich ärmer an Pflanzenarten. Er wird charakterisiert durch das Vorkommen von Weißer Hainsimse, Draht-Schmiele, Weichem Honiggras und Wald-Reitgras.

Offene Landschaftsteile sind nahezu vollständig Folgen der Besiedelung durch den Menschen, lediglich wo Felsen anstehen, wie in Frauenstein und Sonnenberg, muss man mit natürlichen waldfreien Standorten und besonderen Pflanzenarten rechnen. Auch die Uferzonen der noch nicht regulierten Flüsse waren, zumindest teilweise, ohne Baumbestände. Offenes Kulturland trägt keine natürliche Vegetation. Landwirtschaftliches Nutzland, auch Waldwiesen, sind durch die Tätigkeit des Menschen entstanden. Offene Bachauen sind nur noch in den Waldwiesentälern Rabengrund, Goldsteintal und im oberen Theißtal vorhanden. Wo breitere Bäche fließen, werden sie von einem Saum aus Weiden und Schwarz-Erlen begleitet; kleinere Bachläufe werden von Gemeinem Gilbweiderich und Blut-Weiderich gesäumt. Am Rand dieser Wasserläufe findet man oft Pfennigkraut und Bach-Ehrenpreis.

Insgesamt ist die Flora der Waldwiesentäler besonders reich. Rabengrund und Goldsteintal sind typische Beispiele und spielen für die Erhaltung der heimischen Flora eine bedeutende Rolle. Ihr Reichtum an seltenen Arten, auch an Orchideen, erfordert strenge Schutz- und kostspielige Pflegemaßnahmen. Sie bewahren den Landschaftstyp der Mähwiesen, weil sie wegen ihrer Bedeutung für die Erhaltung der Trinkwasserqualität über Jahrzehnte weder gedüngt wurden noch Herbizide zum Einsatz kamen und die Einsaat starkwüchsiger Futtergräser nicht stattgefunden hat. Aus der modernen Agrarlandschaft sind die alten Getreide- und Hackfruchtbegleiter weitgehend verschwunden, die von der Jungsteinzeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zu finden waren. Kornblume und Mohnarten sowie Kornrade sind heute entweder ganz aus der Feldflur verschwunden oder auf Wegränder ausgewichen. Das Verschwinden der selteneren und teilweise unscheinbaren Arten vollzog sich oft schon früher und unauffällig. Für die Futterwiesen, die durch Düngung möglichst ertragreich gemacht werden, gilt Entsprechendes. Die früher unterschiedenen Wiesentypen, die durch die in ihnen dominierenden Grasarten charakterisiert wurden, sind aus der Agrarlandschaft verschwunden. Weinberge und Streuobstwiesen, die in den Stadtteilen am Westrand von Wiesbaden (Frauenstein, Dotzheim, Schierstein und Kostheim) noch vorhanden sind, haben durch die maschinelle Bewirtschaftung ebenfalls einst typische Arten verloren.

Natürlich wandern immer wieder auch neue Arten ein, allerdings überwiegt die Anzahl der verschwindenden Arten die der Neuankömmlinge erheblich. Neubürger der Flora sind oft ökologisch harmlos und besiedeln freie ökologische Nischen. Neue Arten können aber auch heimische Arten verdrängen, z. B. ersetzt der ursprünglich nordamerikanische Schwarzfrüchtige Zweizahn seit etwa 1945 zunehmend an den Flussufern den einheimischen Dreiteiligen Zweizahn. Die Erzengelwurz (Angelica archangelica) wanderte nach 1930 in die Uferzonen von Main und Rhein ein. Auch breitet sich das südafrikanische Schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens) rasend schnell entlang von Straßen und Bahnlinien aus.

Literatur

Streifzüge durch die Natur von Wiesbaden und Umgebung. Hrsg.: Nassauischer Verein für Naturkunde, 2. verb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 2012 (Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde, Sonderband 2).

Streitz, Harald: Die Farn- und Blütenpflanzen von Wiesbaden und dem Rheingau-Taunus-Kreis. Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft Nr. 562. S. 1–402, Stuttgart 2005.