Nordfriedhof
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Seit 1874 wurde im Wiesbadener Gemeinderat die Anlage eines neuen Friedhofs, des später sogenannten Nordfriedhofs, erörtert. Das Gelände, ein schmaler, lang gestreckter Höhenrücken zwischen Nerotal und Adamstal im Bereich des Walddistrikts Höllkund befand sich im Besitz der Stadt. Dadurch entfielen Kosten, die bei einer Erweiterung des Alten Friedhofes durch den Ankauf von Grundstücken fällig geworden wären. Ein weiterer Grund für die Wahl des neuen Begräbnisplatzes war die zunehmende städtische Bebauung: Es war bereits abzusehen, dass sich die Stadt rapide weiter nach Norden ausdehnen würde. Aus hygienischen Gründen bevorzugte man seit den Zeiten der Aufklärung Friedhofsanlagen außerhalb bewohnter Gebiete. Die Bevölkerung allerdings beklagte den weiten Weg und die höheren Kosten für die Leichenwagen. Bei der Anlage des Begräbnisplatzes wurde das Gelände weitgehend abgeholzt. Mit dem Erlös durch den Holzverkauf wurden weitere Kosten bestritten. Für eine Trauerhalle reichte das Geld jedoch nicht: Bis 1957 wurde die Trauerhalle des Alten Friedhofes genutzt, erst danach kam es zu einem Neubau.
Bei seiner Einweihung 1877 wirkte der Nordfriedhof noch recht kahl, während heute in der Literatur »das malerische Zusammenwirken von umgebender Natur, landschaftlicher Gestaltung und einer Vielzahl begrünter, historischer Grabstätten« gewürdigt wird. Der Charakter des Nordfriedhofs wird von späteren Anpflanzungen bestimmt, aus der Zeit vor seiner Anlegung stehen nur noch wenige Buchen und Eichen. Durch seinen wertvollen Baumbestand, darunter ein sehr hoher Anteil an Lebensbäumen und Zypressen, wird der Friedhof zu einer Art Landschaftsgarten, einem »schönen Trauer-Ort«, der den Todesgedanken versöhnlich machen soll.
Auf einer Fläche von insgesamt 14,5 ha fanden 85.000 Menschen ihre letzte Ruhestätte, darunter zahlreiche bekannte Persönlichkeiten, z. B. der Komponist und Kapellmeister Franz Abt, der Schriftsteller Friedrich von Bodenstedt, Wiesbadener Industrielle und Politiker.
1878 wurden ein orthodoxer israelitischer Friedhof an der Ostseite und ein liberaler israelitischer Friedhof am nördlichen Ende mit Trauerhalle im maurischen Stil eingerichtet. 1890 fand eine Erweiterung um etwa die Hälfte der bisherigen Länge statt. 1895 wurde ein Columbarium für Urnenbeisetzungen errichtet, 1902 entstand nach Plänen des Stadtbaumeisters Felix Genzmer eine neue Urnenhalle.
Die architektonische und landschaftsplanerische Gestaltung sowie der hohe Bestand an künstlerisch bedeutsamen Grabmälern führten dazu, dass der Friedhof insgesamt unter Denkmalschutz gestellt wurde. Bürger oder Organisationen können hier Patenschaften für denkmalgeschützte Grabmäler übernehmen. Der heutige Nordfriedhof ist der zweitgrößte Friedhof Wiesbadens und ehemaliger Hauptfriedhof der Stadt.
Literatur
Buschmann, Hans-Georg: Der Nordfriedhof von Wiesbaden und seine Vorgänger. Geschichte, Begräbnissitten und -riten, Grabmäler. Wiesbadener Stadt- und hessische Landesgeschichte, Frankfurt am Main [u.a.] 1991.
Sigrid Russ, Bearb., Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden II – Die Villengebiete. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2. erw. Aufl., Stuttgart 1996.