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Bücherverbrennung

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Seit dem 12.04.1933 wurde durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund und die Deutsche Studentenschaft eine Kampagne durchgeführt, die sich gegen die Werke marxistischer, demokratischer und pazifistischer Schriftsteller richtete. Nach der reichsweiten Verbreitung von »12 Thesen wider den undeutschen Geist« und der Erstellung entsprechender Listen wurden die Publikationen der verfemten Autoren systematisch aus Universitäts-, Instituts- und anderen Bibliotheken, aus öffentlichen und privaten Leihbüchereien sowie aus Buchhandlungen und privaten Buchbeständen entfernt. Sodann sollten, terminiert auf die Abendstunden des 10.05., in allen Hochschulstädten öffentliche Bücherverbrennungen veranstaltet werden.

Betroffen hiervon waren Werke von Bertolt Brecht, Sigmund Freud, Bertha von Suttner, Erich Maria Remarque und Erich Kästner, auch von Stefan Zweig, Carl von Ossietzky, Joseph Roth, Kurt Tucholsky, Anna Seghers und von vielen anderen, auch von nichtdeutschen Autoren. Allein auf dem Berliner Opernplatz wurden rund 25.000 Bände in die Flammen geworfen.

Auch in 21 weiteren Städten fanden im Schein von Fackeln und Scheiterhaufen gleichermaßen makaber inszenierte Aktionen statt. Darüber hinaus war es in Berlin und einigen anderen Städten bereits seit Mitte März zu sogenannten nichtstudentischen Bücherverbrennungen gekommen, und zwar hie und da auch vor Gebäuden bzw. Einrichtungen der von den NS-Machthabern längst massiv verfolgten Arbeiterbewegung.

So wurde in Wiesbaden das Heim des Biebricher Fabrikarbeiter-Verbandes in der Mainzer Straße schon am 10.03. durch einen bewaffneten SA- und SS-Trupp gestürmt und demoliert, wobei packenweise Flugblätter und Gewerkschaftszeitungen in den Hof geworfen und dort in Brand gesetzt worden sind. Im Zuge der am 02.05.1933 reichsweit um zehn Uhr vormittags durchgeführten Zerschlagungsaktion gegen die sozialdemokratischen Gewerkschaftsverbände wurden auch im Volkshaus in der Wellritzstraße 49, dem heutigen Konrad-Arndt-Haus, alle Akten, Werbebroschüren und sonstigen schriftlichen Materialien von SA-Leuten aus den Büros geholt und auf der Straße angezündet, ebenso die gesamte gesellschaftskritische Literatur der dortigen Organisationsbücherei.  Anführer der Aktion war der Kreisleiter der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation Franz Weismantel.

Allerdings hatten kurz zuvor noch manche Werke sowie mehrere Organisationsfahnen versteckt werden können. Da es gerade den Aktivisten der Arbeiterbewegung nun klar zu werden begann, dass sich bei den jederzeit drohenden Haussuchungen das Auffinden von Büchern und Broschüren von zumal jüdischen Autoren mit kommunistischer, sozialistischer und demokratischer Gesinnung unweigerlich als äußerst nachteilig für sie auswirken würde, sorgten sie alsbald entweder selbst für deren Vernichtung oder aber sie verbrachten solche Publikationen in eher unauffällige Quartiere, nämlich zu Familienangehörigen, Freunden oder zuverlässigen Bekannten.

So gelang es Georg Buch z. B., bestimmte Teile seiner Privat- wie auch der Organisationsbibliothek der hiesigen Sozialistischen Arbeiterjugend zu retten, während das übrige Schriftgut bei zwei Polizeikontrollen konfisziert worden war. Die Bibliothek der kleinen Wiesbadener Ortsbörse der Freien Arbeiter-Union Deutschlands – Anarcho-Syndikalisten wurde auf dem Dachboden eines Hauses in der Rheinstraße versteckt. Des Weiteren konnte Georg Feller nach der Auflösung des Wiesbadener Ortsvereins des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold nicht nur dessen Fahne bei seiner Schwester in der Schiersteiner Straße sicher verwahren, sondern obendrein noch mehrere gebundene Jahrgänge der »Illustrierten Reichsbanner-Zeitung« retten.

Auf ganz andere Weise bewahrte der Inhaber der Leihbücherei Schwarz in der Bleichstraße 18 einen nicht unerheblichen Teil seines Buchbestandes vor Beschlagnahmung und Vernichtung, indem er diesen beizeiten gezielt an vertrauenswürdige Stammkunden veräußerte.

Die Bestände der damaligen Nassauischen Landesbibliothek wurden einer besonderen Bücher- und Benutzersperre für die vom NS-Regime unerwünschte, listenmäßig erfasste Literatur unterworfen. Andererseits musste dort NS-Literatur systematisch ergänzt werden. Entsprechendes wird wohl auch den Beständen der vom Volksbildungsverein Wiesbaden bis zum Spätsommer 1934 unterhaltenen Leihbüchereien wie auch seiner bis zur Vereinsauflösung Anfang 1936 in der nachmaligen Elly-Heuss-Schule betriebenen Lesehalle widerfahren sein, wenngleich gesicherte Angaben hierzu nicht vorhanden sind.

Im ➞ Stadtarchiv Wiesbaden wird ein geringfügiger Restbestand von Büchern aufbewahrt, welche die Verfolgungszeit in diversen Verstecken überdauert haben, desgleichen eine kleine Materialsammlung mit Hinweisen hierzu.

Literatur

Bembenek, Lothar/Ulrich, Axel: Widerstand und Verfolgung in Wiesbaden 1933–1945. Eine Dokumentation. Hrsg.: Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden – Stadtarchiv, Gießen 1990.

Ulrich, Axel: Konrad Arndt. Ein Wiesbadener Gewerkschafter und Sozialdemokrat im Kampf gegen den Faschismus. Mit einem Beitrag von Hajo Rübsam zur Geschichte des Alten Gewerkschaftshauses in Wiesbaden. Hrsg.: IG Metall Verwaltungsstelle Wiesbaden-Limburg und Verein Volkshaus J.P., Wiesbaden 2001.

Brunn-Steiner, Ursula: Der Volksbildungsverein Wiesbaden. Bibliothekarische Bildungsarbeit im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Wiesbaden 1997 (Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden 6).

Walberer, Ulrich (Hrsg.): 10. Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen, Frankfurt am Main 1983.