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Buchhandlungen

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Das Gesuch von Ernst Ludwig Theodor Schellenberg, in Wiesbaden Nassaus erste Sortimentsbuchhandlung gründen zu dürfen, wurde im Frühjahr 1800 von Fürst Karl Wilhelm zu Nassau-Usingen aus Furcht vor demokratischen Umtrieben abschlägig beschieden.

Bei Karl Wilhelms Nachfolger, dem Fürsten (späteren Herzog) Friedrich August zu Nassau-Usingen, rannte Schellenberg mit der Wiederholung seines Gesuchs 1803 offene Türen ein. Wiesbadens erste Sortimentsbuchhandlung mit angeschlossener Leihbibliothek wurde beim Bauern Andreas Faust in der Langgasse/Ecke Webergasse in zwei kleinen Räumen eingerichtet. An Klassikern konnten Goethe, Schiller, Lessing, Uhland, Klopstock und Shakespeare ausgeliehen oder käuflich erworben werden. Besonders beliebt waren Ritter- und Räuberromane. Wegen der hohen Preise wurde Unterhaltungsliteratur kaum gekauft, sondern auch von Besserverdienenden ausgeliehen. 1809 zog die Buchhandlung in die Langgasse, und im gleichen Jahr wurde ihr das prestigeträchtige Prädikat »Hofbuchhandlung« verliehen.

Die sogenannten Karlsbader Beschlüsse, mit denen in Deutschland 1819 eine scharfe Pressezensur eingeführt wurde, beendeten die in Nassau bestehende völlige Pressefreiheit. Buchhändlern war es unter Strafandrohung verboten, nicht genehmigte Bücher zu vertreiben. Der Postweg war aber kaum zu kontrollieren, auch blühte der Schmuggel mit verbotenen Schriften, die in Buchhandlungen und Leihbibliotheken weitgehend unbehelligt den Weg zu den Lesern fanden.

Um das zu unterbinden, gründeten Österreich und Preußen 1851 unter Umgehung des Deutschen Bundestages den »Geheimen Polizeiverein«. Unter seiner Beobachtung standen neben der Presse vor allem die Buchhandlungen. Durch die sogenannte Allgemeine Novitäten-Versendungs- Liste, in der alle Buchhandlungen verzeichnet waren, die regelmäßig Neuerscheinungen in ihr Sortiment aufnahmen, verfügte der Polizeiverein über die Anschriften aller relevanten Buchhandlungen. Von den Wiesbadener Buchhandlungen standen die Friedrich’sche, die von Wilhelm Friedrich, die Kreidel’sche, die Ritter’sche, die von Wilhelm Roth und die Schellenberg’sche unter der heimlichen Observation des Polizeivereins.

Wiesbadens zweite Buchhandlung war um 1830 von Heinrich Ritter gegründet worden. Die Zahl der Buchhandlungen nahm dann kontinuierlich zu: 1831 waren es drei, 1838 vier, 1858 sieben, 1865 zehn (Feller & Gecks, Wilhelm Friedrich, Jurany & Hensel, Christian Wilhelm Kreidel, Lazarus Levi, Christian Limbarth, Julius Niedner, Wilhelm Roth, August Schellenberg und C. Wagner) und 1866 gab es in Wiesbaden dann für knapp 27.000 Einwohner zwölf Buchhandlungen. Außer Levi und Wagner betätigten sich diese mit eigenen Publikationen auch verlegerisch.

Die rasante Vermehrung der Buchhandlungen ist auch ein Indikator für die Kostenentwicklung bei der Buchherstellung. Leistungsfähigere Druckmaschinen, revolutionäre Neuerungen bei der Papierherstellung und fabrikähnliche Großbuchbindereien, die an die Stelle der handwerklichen Buchbinder getreten waren, ließen die Preise für Bücher sinken. Auch die Alphabetisierung der Bevölkerung hatte einen hohen Grad erreicht.

August Schellenberg gab seine Buchhandlung unter Beibehaltung des Namens und des Geschäftslokals 1866 an Jacob Greiß ab, der sie seinerseits 1869 an Jurany & Hensel weitergab, die die Buchhandlung noch bis 1888 betrieben. Bis 1900 stieg die Zahl der Buchhandlungen auf 24. Feller und Gecks in der Langgasse 49 verkaufte auch Kupferstiche, Radierungen und Fotografien, betrieb eine Leihbibliothek und unterhielt einen »Schönwissenschaftlichen Zeitschriften-Zirkel«. Die Verlagsbuchhandlung Staadt, die 1878 gegründet wurde, gab die Wiesbadener Volksbücher heraus.

In den folgenden Jahren ist eine Spezialisierung, etwa auf fremdsprachliche oder technische Literatur, zu beobachten.

In jüngster Zeit haben viele der alten Traditionsbuchhandlungen ihre Pforten schließen müssen, bzw. sind von Filialisten »geschluckt« worden. So konnten Feller und Gecks sowie Staadt zwar jeweils noch ihren 125. Geburtstag begehen, Schwaedt den 75., doch heute existieren diese Buchhandlungen nicht mehr, und auch insgesamt hat die Zahl abgenommen. Knapp 40 Buchhandlungen gab es 2015 in Wiesbaden.

Literatur

Müller-Schellenberg, Guntram: Wiesbadens Pressegeschichte, Bd. 1: Von Napoleon zu Bismarck. Die Presse im Spannungsfeld von Kultur, Wirtschaft und sozialen Verhältnissen. Taunusstein 2011.

Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Nassau, Jahrgänge 1830–1866.