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Renaturierung des Klingenbachs im Ortskern Breckenheim

Im Bereich der Ortslage Breckenheim war der Klingenbach durch eine massive Ufer- und Sohlverbauung gekennzeichnet. Vermutlich wurde dieser massive Verbau angelegt, um Hochwasserabflüsse schnell durch die Ortslage abzuführen und den Unterhaltungsaufwand (Rückschnitt von Bewuchs, Beseitigung von Ufer- und Sohlerosionen) zu minimieren. Der Abschnitt wurde nach der Gesamtbewertung 2013 durch das Land Hessen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie als "vollständig verändert" eingestuft (schlechtmöglichste Klassifizierung).
Der Klingenbach wurde daher in 2020 im Bereich 55 Meter nach der Kreuzung Alte Dorfstraße/Klingenbachstraße bis Neue Schulstraße innerhalb der städtischen Gewässerparzelle durch das städtische Umweltamt renaturiert. Bereits Vermessungsarbeiten in 2010 ergaben, dass der Klingenbach eine eigene Gewässerparzelle mit einer Breite zwischen 3,70 Meter bis 4,60 Meter aufweist. Alte Rasengittersteine wurden entfernt und ein neuer naturnaher Bachabschnitt im oberen Renaturierungsabschnitt mit Stillwasserzonen, Kiesbänken und natürlichen Strukturelementen angelegt. Im Ausgleich für notwendige Baumfällungen im Zuge der Baumaßnahme wurden auetypische Gehölze, Stauden und Gräser angepflanzt. Zusätzliche Nisthilfen für Vogel- und Fledermausarten sind begleitend zum Bachufer eingerichtet worden.

Arbeiten im Vorfeld

Das geplante Vorhaben stellte alle Beteiligten vor eine schwierige Ausgangslage: Der Klingenbach passiert im Ortskern die eng bebaute Ortslage, eine Kita, Infrastruktureinrichtungen und diverse Brückenbauwerke. Erschwerend für die Umsetzung kam hinzu, dass im Oberlauf des Wickerbachsystems, zudem der Klingenbach als Gewässer 3. Ordnung zählt, eine Steinkrebspopulation vorhanden ist, die artenschutzrechtlich als besonders schützenswert gilt und auch auf der Roten Liste Deutschlands als stark gefährdete Art eingestuft wird.

Abstimmung

Durch viele Informationsgespräche im Vorfeld mit dem Ortsbeirat Breckenheim, den direkten Bachanliegern, den verschiedensten Ämtern sowie der Genehmigungsbehörde Regierungspräsidium Darmstadt konnte letztendlich Zustimmung und Einigkeit über die Umsetzung der Renaturierung erzielt werden.

Beweissicherungsverfahren

Im Vorfeld der Bauarbeiten wurde ein Beweissicherungsverfahren durch einen unabhängigen Sachverständigen durchgeführt, der bereits vorhandene Schäden an Gebäuden, Bauwerken und Sicherungseinrichtungen dokumentierte.

Elektrobefischung

Bei der Elektrobefischung wird elektrischer Strom zum Fang von Fischen eingesetzt. Vor dem Beginn von Bauarbeiten wurden Fische für ihren Schutz gefangen und an sicherer Stelle bachabwärts wieder ausgesetzt. Die Elektrobefischung schadet den Tieren nicht.

Desinfektion

Der im Wickerbachsystem vorkommende Steinkrebs wird durch die Krebspest und invasive gebietsfremde Flusskrebse wie den Signalkrebs bedroht. Daher hatte im Rahmen der Renaturierung die Seuchenprophylaxe hinsichtlich des Steinkrebsschutzes hohe Priorität.

Fördermittel und Kosten

Die Bau- und Planungskosten betragen rund 1,1 Millionen Euro. Da der Renaturierungsabschnitt im Maßnahmenprogramm der Wasserrahmenrichtlinie festgelegt ist (WRRL-Maßnahme ID 179976), wird das Projekt mit rund 920.000 Euro aus dem hessischen Landesprogramm "Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz" bezuschusst.

Wer profitiert davon?

Der Klingenbach ist jetzt an vielen Stellen für die Bevölkerung wieder erlebbar geworden. Der Erholungswert wurde durch die Renaturierungsarbeiten in der Ortslage erheblich gesteigert.

Durch die Herstellung einer naturnahen Bachsohle ist der Klingenbach für Fische und andere Wasserorganismen in Längsrichtung wieder durchwanderbar. Letztendlich führt die Renaturierung im urbanen Bereich zu einer erheblichen ökologischen Aufwertung des Lebensraums Gewässer insbes. für die heimische Tier- und Pflanzenwelt.

Bauabschnitte

Abschnitt Neue Schulstraße bis Bachweg

Vorher

Bauzeit

Aufgrund der schweren Zugänglichkeit und der engen Arbeitsverhältnisse mussten alle Materialanlieferungen und -abtransporte im Gewässerbett vorgenommen werden. Als Hilfskonstruktion dienten Stahlplatten, die auf dem Klingenbach als Fahrstraße dienten.

Nachher

Der Klingenbach weißt jetzt eine deutlich erhöhte Strömungsdiversität im Bereich des Bachsohle auf. Der Klingenbach ist wieder als Fließgewässer für den Betrachter wahrnehmbar. Aufgrund der engen Bebauung ist hier eine eigendynamische Entwicklung des Uferbereiches jedoch auch nach der Renaturierung nicht möglich.

Abschnitt Bachweg bis Mühlgartenweg

Vorher - Bauzeit- nachher

Ein Umbau der öffentlichen Bachwegbrücke konnte leider aus Kostengründen nicht realisiert werden.
Daher wurde die Brückenplatte aus Stahlbeton seitlich gelagert, anschließend nach Beendigung der Bauarbeiten wieder eingebaut und mit einem neuen Anstrich versehen.

Vorher - nachher

Vorher - nachher

Das Gewässerbett konnte erheblich aufgeweitet werden. Der Klingenbach dominiert jetzt das Landschaftsbild (Fotos links).

Vorher - Bauzeit - nachher

Ein vorhandenes Brückenbauwerk wurde entnommen. Trittsteine ersetzen jetzt die alte Überwegung.

Vorher - nachher

Vorher - Bauzeit - nachher

Vorher - nachher

Abschnitt Mühlgartenweg bis Kita

Vorher - Bauzeit – nachher

Mühlgartenstraße stromauf: Auch in diesem Bereich mussten aufgrund der steilen und engen Platzverhältnisse Stahlplatten (in spektakulärer Weise!) über den Klingenbach gelegt werden, die als Baustraße dienten. Gerne habe sich hier große und kleine Zuschauer eingefunden, die dem Baggerführer bei der Arbeit zusahen!

Vorher - nachher

Vorher - nachher

Nach Abstimmung mit der Kindertagesstätte und dem Ortsbeirat wurde die vorhandene Engstelle auf den stadteigenen Flächen aufgeweitet und auch für die Kleinsten wieder erlebbar gemacht. Nicht nur optisch ein Mehrgewinn ...

Vorher - nachher

Neue Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Der Klingenbach wird wieder erlebbar für Alt und Jung.

Vorher - nachher

Als einzig mögliche Zuwegung für Baumaschinen und Material musste der Gehweg neben der Kita genutzt werden, der für diese Zeit für die Bevölkerung gesperrt wurde. Die vorhandene Brücke musste abgebaut werden um die Baumaschinen in das Gewässer heben zu können. Dies erforderte einen Neubau der Brücke inkl. neuem Widerlager.

Abschnitt Kita bis Klingenbachstraße

Durch Flächenankauf wurde es möglich, einen neuen Gewässerabschnitt anzulegen. Der restliche Altlauf wurde teilverfüllt und dient als Stillwasserzone und zur Schaffung von Retentionsvolumen.

Vorher - nachher

Bachaufweitung an Engstellen sorgt für größeres Retentionsvolumen bei stärkeren Regenfällen.

Vorher - nachher

Vorher - nachher

Pflanzung

Die Bepflanzung des Renaturierungsabschnitts erfolgte im November 2020. Da durch die Renaturierungsmaßnahme am Klingenbach auf privaten Grundstücken Uferbepflanzung entfernt werden musste, wurden hier mit ohnehin vorgesehenen heimischen Sträuchern in Abstimmung mit den Anliegern Nachpflanzungen vorgenommen, die auch im November 2020 durchgeführt wurden.

Die Auswahl der Gehölze und Stauden basierte auf dem artenschutzrechtlicher Fachbeitrag zur Genehmigungsplanung. Gepflanzt wurden u.a. Salweide, Korbweide, Zweigriffliger Weißdorn, Pfaffenhütchen und Waldgeißblatt. Bei den Stauden und Gräsern wurden vorrangig Sumpf-Segge, Scheinzyperngras, Mädesüß, Sumpf-Schwertlilie und Gewöhnlicher Blutweiderich gepflanzt.

Bewährungsprobe Hochwasser im Februar 2021

Das Hochwasser im Februar 2021 hat viele Flüsse und Bäche weit über ihre Ufer treten lassen. Der dringend benötigte Regen, der in 2019 und 2020 gefehlt hat, und die aktuelle Schneeschmelze sorgten für stark steigende Wasserstände. Das Hochwasser stellte auch die neue Renaturierungsmaßnahme am Klingenbach auf eine Bewährungsprobe.

Fazit: Die Sicherungselemente wie zum Beispiel Riegelsteine, Riegelsteinmauern oder Steinschüttungen haben nicht nur standgehalten. Vielmehr haben sich im Bereich Kita bis Klingenbachstraße neue natürliche Strukturelemente wie Kiesbänke und –ablagerungen etabliert und neu gebildet. Den Stockenten hat dies zumindest gut gefallen ...

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Nachher wiesbaden.de / Foto: Umweltamt
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