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Gedenkstätte Nordenstadt

Idee und Gestaltung: Marc van den Broek, Auftraggeber: Kulturamt der Landeshaupstadt Wiesbaden, Einweihung:
7. Dezember 1994, Wiesbaden-Nordenstadt, Stolberger Straße/Ecke Heerstraße, vor dem alten Rathaus.

Die entscheidende ideologische Grundüberzeugung des Nationalsozialismus war der Antisemitismus. Die Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft und ihre Ausgrenzung durch die nichtjüdische Bevölkerung setzten daher unmittelbar mit dem Regierungsantritt Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 ein. Sie nahmen im Verlauf der nationalsozialistischen Diktatur immer schärfere Formen an.

Am 9. und 10. November 1938 zündeten marodierende SA-Horden im gesamten Deutschen Reich die Synagogen an. Die Feuerwehren griffen zumeist nur ein, wenn Nachbargebäude vom Feuer bedroht waren. Den Vorwand für die organisierten Brandstiftungen lieferte die Erschießung des Legationssekretärs der Deutschen Botschaft in Paris, Ernst vom Rath, durch den 17-jährigen Herschel Grünspan. Unmittelbar nach der Reichspogromnacht wurden zahlreiche Terrormaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung eingeleitet: Die Versicherungsleistungen für erlittene Schäden in der Reichspogromnacht wurden beschlagnahmt. Der Besuch von Theatern und anderen kulturellen Veranstaltungen wurde ihnen untersagt. Jüdische Ärzte und Rechtsanwälte erhielten Berufsverbot. Die Ersparnisse der Juden wurden konfisziert, und ihnen wurde eine kollektive Sondersteuer von einer Milliarde Reichsmark auferlegt. Jüdische Kinder wurden von den allgemeinen Schulen verbannt. In Wiesbaden wurde für sie eine Baracke auf dem Gelände der Mainzer Straße 10 errichtet. Seit Anfang 1941 mussten alle Juden, die das sechste Lebensjahr vollendet hatten, als weithin sichtbares Zeichen den "Judenstern" tragen.

Auf der berüchtigten "Wannsee-Konferenz" am 20. Januar 1942 trafen sich 15 hohe Beamte von Reichs-Parteibehörden, unter ihnen Reinhard Heydrich und Adolf Eichmann, in einer Villa am Wannsee in Berlin, um die Organisation und die Logistik des Massenmordes an den europäischen Juden zu koordinieren. Im besetzten Polen wurden die Vernichtungslager Auschwitz, Belzec, Chelmno, Majdanek, Sobibor und Treblinka errichtet. Aus dem gesamten Deutschen Reich und aus den von deutschen Truppen besetzten Gebieten wurde die jüdische Bevölkerung in die Vernichtungslager verbracht. SS, Polizei und Wehrmacht arbeiteten dabei Hand in Hand. Die Zahl der Menschen, die diesem Völkermord zum Opfer fielen, wird auf sechs Millionen geschätzt.

In Nordenstadt war die Zahl der Juden seit 1933 kontinuierlich zurückgegangen. Wer es sich finanziell leisten konnte, suchte im Ausland eine neue, sichere Existenz. Im Juli 1941 lebten noch 16 Juden in Nordenstadt. Ein Jahr später waren es noch 14. Am 10. Juni 1942 wurden zwölf von ihnen, darunter der einjährige Paul Frank, zum Rathaus der Gemeinde gebracht und von dort, zusammen mit Juden aus anderen Gemeinden des Main-Taunus-Kreises, in ein unbekanntes Vernichtungslager im Osten deportiert. Zwei zurückgebliebene ältere Leute wurden in einem zweiten Deportationszug in das Lager Theresienstadt deportiert.

Am 7. Dezember 1994 wurde zur Erinnerung an die ermordeten Nordenstadter Juden eine Gedenkstätte der Öffentlichkeit übergeben. Die Bevölkerung von Nordenstadt, wo die Erinnerung an die Deportation unter den älteren Bewohnern noch lebendig ist, reagierte verhalten. Nur wenige Nordenstadter waren erschienen. Manche sahen der Zeremonie von Weitem zu. Die Gedenkstätte steht auf einer kleinen Grünfläche an der Ecke Heerstraße/Stolberger Straße, unmittelbar vor dem früheren Rathaus, von wo die Deportation der Nordenstadter Juden ihren Ausgang nahm. Der aus Belgien stammende Wiesbadener Künstler Marc van den Broek hat sie entworfen und errichtet. Sie besteht aus 14 metallenen Stelen, auf deren Oberseite jeweils ein Messingschild den handgeschriebenen Namen eines der Ermordeten zeigt:

Erna Wolf, Else Weis, Elise Weis, Leo Ochs, Frieda Ochs, Sylvia Ochs, Benny Schönfeld, Clementine Schönfeld, Sali Löwenstein, Frieda Löwenstein, Irena Frank, Ludwig Frank, Paul Frank, Josef Joseph.

Auf einer weiteren Stele befindet sich, ebenfalls auf einer Messingplatte, die Erläuterung:

Am 10. Juni und am 28. August 1942 wurden die Nordenstadter Juden von hier in die Vernichtungslager deportiert. Wehret den Anfängen!

Der Schlusssatz gibt der Besorgnis darüber Ausdruck, dass rassistische und ausländerfeindliche Haltungen zunehmend wieder in gewalttätige Handlungen und Angriffe auf Menschen und Einrichtungen münden. Der Satz "Wehret den Anfängen!" war bei Errichtung der Gedenkstätte im Jahre 1993 unter den Fraktionen des Ortsbeirats Nordenstadt heftig umstritten. Inzwischen liegt das Stadium der Anfänge hinter uns. Gewalttaten gegen Ausländer und Angehörige von Minderheiten gehören zu unserem gesellschaftlichen Alltag.

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