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Deportationsmahnmal Schlachthoframpe

Genau an jenem Ort, von dem aus während der NS-Gewaltherrschaft die Wiesbadener Jüdinnen und Juden deportiert worden sind, haben mehrere Künstler eine beeindruckende, zeitgemäße Form der Erinnerung an jenes Verbrechen geschaffen. Entlang der früheren Viehverladerampe des einstigen Städtischen Schlachthofs befindet sich jetzt ein mehrteiliges Gedenk-Ensemble, und zwar unmittelbar angrenzend an das Kulturzentrum Schlachthof sowie unweit von Deutschem Filmhaus und Kreativfabrik.

Im Fokus des Mahnmals stehen zwei fotorealistische Darstellungen, die vom hiesigen Sprüh-Künstler Yorkar7 seit dem Jahr 2007 auf einem Mauerrest eines ansonsten niedergelegten Gebäudes der früheren Firma Fauth aufgetragen worden sind. Sie basieren auf Aufnahmen einer historischen Fotoserie, die Zeugnis ablegt von der letzten großen Wiesbadener Deportation am 1. September 1942. Die allein an jenem Tag aus unserer Stadt vertriebenen etwa 370 zumeist älteren Mitglieder der Jüdischen Gemeinde hatten sich schon am 29. August im Synagogengebäude an der Friedrichstraße einfinden und registrieren lassen müssen. Insbesondere das gen Norden gerichtete großflächige Deportationsbild kann bereits aus der Ferne und selbst von Bahnreisenden gut wahrgenommen werden. Es zeigt eine Gruppe von Menschen beim Besteigen der Waggons, mit denen sie über Frankfurt am Main zunächst in das Konzentrationslager Theresienstadt verbracht worden sind. Das Wichtigste an jener Darstellung sei die von ihr ausgehende "eindeutige Message", dergleichen "niemals mehr zuzulassen", so hat der Graffiti-Künstler prägnant festgestellt. Es handele sich um eine "Form der Erinnerung, die weltweit verstanden wird".

Seit 2010 werden jene erschütternden Bilddokumente ergänzt durch eine vom Frankfurter Multimediakünstler Vollrad Kutscher konzipierte Kastanienallee. Diese führt in Nord-Süd-Richtung direkt auf das große Deportations-Graffito zu. Auf den vier Seiten der Pflanzschalen, welche nicht zuletzt auch als Sitzgelegenheiten dienen können, sind Textfragmente eingelassen, die meist Abschiedsbriefen damals Deportierter entnommen sind. Für jedes dieser aufwühlenden Zitate wurden von einigen jüngeren Wiesbadener Sprayern zusammen mit Kutscher und Yorkar7 eigens völlig neue, jeweils unterschiedliche Schriftzüge entwickelt. Einer von Nicole Friedrich grafisch gestalteten Informations-Stele sind außerdem knappe historische Informationen zur von den NS-Rassisten systematisch betriebenen Verfolgung und Ermordung der Juden als auch zu den Wiesbadener Deportationen zu entnehmen.

Seine besondere Ausdrucksstärke gewinnt das Gedenk-Ensemble aus dem Zusammenwirken vieler in ihm vereinigter Elemente, so zum Beispiel aus dem von Kunst und Natur, von Text und Bild sowie von Vergangenheit und Gegenwart. Für die an der Realisierung des Mahnmals beteiligten Künstler kam es entscheidend darauf an, dass jenes Areal, das schon über viele Jahre hinweg von der Wiesbadener Jugendkulturszene genutzt worden ist, zu dieser auch weiterhin in unmittelbarer Beziehung steht.

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