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Weinbau

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Schon im 2. Jahrhundert n. Chr. ist der Weinbau im Raum Wiesbaden durch entsprechende Werkzeugfunde belegt. Als ältester Wiesbadener Weinberg gilt ein Gelände im Weidenbornfeld, nördlich des heutigen Südfriedhofs, dessen Ertrag 1096 dem Mainzer St. Jakobskloster geschenkt wurde. Älter sind urkundliche Nachweise für die Wiesbadener Vororte, so die Schenkung eines königlichen Gutes in Kostheim, zu dem unter anderem Weinberge gehörten, an das Mainzer Kloster St. Alban im Jahr 927. 973 nannte Kaiser Otto II. Weinberge in Schierstein sein eigen.

Seit 1369 besaßen die Grafen zu Nassau in dem Ort Weingärten. Auch die lokalen Adelsfamilien von Allendorf und die Ritter von Groenesteyn ließen hier ihre Weine anbauen. Kloster Bleidenstadt bezog von seinen Schiersteiner Besitzungen den Wein für seinen Abt. 1570 werden hier 120 Weinbauern genannt, die jährlich etwa 120.000 l Rebensaft ernteten. Immer wieder wird in amtlichen Urkunden auf den Weinbau auch in anderen Orten der Region Bezug genommen, so 991 für Biebrich und 1090 für Kastel. 1275 werden Weinberge in Dotzheim erwähnt, wo Kloster Eberbach und der Mainzer Erzbischof im 14. Jahrhundert über umfangreichen Weinbergbesitz verfügten. Im 12. Jahrhundert taucht erstmals Frauenstein in den Urkunden auf. Neben dem Mainzer Erzbischof bauten unterhalb der Burg auch Niederadlige und Bürger ihren Wein an. Später sollte die Frauensteiner Lage »Marschall« zu einiger Berühmtheit gelangen. 1263 werden Weinberge in Nordenstadt urkundlich erwähnt, noch 1707 wurden 52.000 l Traubenmost gekeltert. In den 1970er-Jahren wurde der Weinbau eingestellt.

Auch Wiesbadener Ortsteile, in denen heute meist nur noch Flur- oder Straßennamen an den Weinbau erinnern, waren in alten Zeiten mit Reben bestockt. Ansehnliche Weinberge gab es um 1500 in Breckenheim, aus denen der Messwein für das Kloster Bleidenstadt kam. Ein Zinsverzeichnis von 1589 listet zahlreiche Wingerte in Biebrich auf. Mitte des 16. Jahrhunderts werden erstmals Weinberge in Erbenheim erwähnt. Seit 1290 betrieb man in Delkenheim Weinbau.

In Wiesbaden besaßen die Grafen zu Nassau 1279 einen Wingert am Heidenberg. Der Dreißigjährige Krieg hatte verheerende Auswirkungen auch auf den lokalen und regionalen Weinbau in Wiesbaden. Im 18. und besonders im 19. Jahrhundert stellte das erstarkende Bürgertum zunehmend höhere Ansprüche an die Weinqualität. Viele schlechte Weinberglagen konnten diesen Anforderungen nicht mehr genügen und wurden in der Folge anderweitig landwirtschaftlich genutzt. In Biebrich und Kastel gaben die letzten Winzer allerdings erst in den 1980er-Jahren ihre Weingärten auf.

Heute sind nur noch in sechs der 26 Wiesbadener Stadtteile insgesamt 239 ha amtlich anerkannte Weinbergflächen ausgewiesen. Aktuell sind 183 ha – also ca. drei Viertel – mit Reben bestockt. Fast die Hälfte davon entfällt auf Kostheim (89 ha, Lagen: »Berg«, »Reichestal«, »St. Kiliansberg«, »Steig« und »Weiß Erd«). Auch die Stadtteile Frauenstein (51 ha, Lage: »Herrnberg«) und Schierstein (35 ha, Lagen: »Herrnberg« und »Hölle«) spielen im Wiesbadener Weinbau noch immer eine bedeutsame Rolle. Vergleichsweise klein sind die aktuellen Anbauflächen in Wiesbaden-Nordost (3,4 ha, Lage: »Neroberg«), Dotzheim (3,3 ha, Lage: »Judenkirsch«) und Delkenheim (1,6 ha, Lage: »Grub«).

In einem durchschnittlichen Weinjahr bringen die Wiesbadener Winzer aber immerhin 15.000 hl des begehrten Rebensaftes in ihre Keller. Mit einem Anteil von etwa 80 % dominiert dabei wie eh und je der Riesling. Mit großem mengenmäßigen Abstand folgt der Spätburgunder (ca. 10 %). Die Größe der Anbauflächen hat in den letzten Jahren nicht weiter abgenommen, wohl aber die Zahl der Wiesbadener Einzellagen. Waren im Jahr 2008 noch 13 Lagen in der amtlichen Weinbaukartei verzeichnet, weist diese jetzt nur noch deren 10 aus, Kleinstlagen wurden größeren Lagen zugeschlagen. Die Tatsache, dass die Sektkellereien Henkell (gegründet 1856) und Söhnlein (gegründet 1864) sich gerade hier ansiedelten, belegt die Verbundenheit Wiesbadens mit dem Weinbau.

1893 trat der Wiesbadener Magistrat der Weinlobby energisch zur Seite, als es galt, die damals drohende Weinsteuer abzuwehren. In seiner an den Reichstag gerichteten Petition reklamierte man für sich, »Hauptsitz des Rheingauer Weinhandels« zu sein. Lange war Wiesbaden in der Tat Sitz der Rheingauer Weinhändlervereinigung, die immerhin 130 Betriebe als Mitglieder zählte (1926). Vormals waren an vielen Stellen Weingärten anzutreffen, so am oberen Michelsberg, am Hang zur Saalgasse, auf dem Leberberg, am Riederberg und auch im Aukamm. Die Qualität allerdings war nicht immer die beste. Die Weine aus den nahen Gemeinden Schierstein und Biebrich z. B. erzielten stets die höheren Preise. Die einzige Weinbaufläche in der Stadt, die – neben dem Neroberg – bis ins 20. Jahrhundert als solche genutzt wurde, war der »Langelsweinberg« östlich des St. Josefs-Hospitals. Dem Neroberger Südhang drohte 1900 die lukrative Vermarktung als Wohngebiet durch das Königreich Preußen. Für 250.000 Goldmark erwarb Wiesbaden den Hang und setzte als neuer Eigentümer dessen Weinbautradition fort. Diese hatte schon 1525 ihren Anfang genommen. Graf Philipp zu Nassau-Weilburg veranlasste die Bestockung mit Rieslingreben.

Ökonomisch ertragreich war der Wingert am Neroberg bis vor kurzem nur selten. Zu größerem Ruhm brachte es der »1893er Neroberger feinste Auslese«, den Kaiser Wilhelm II. 1907 bei der Einweihung des Kurhauses publikumswirksam in seinem Pokal präsentierte. Die letzte verfügbare Flasche dieses Jahrganges war eine »1893er Neroberg Riesling Trockenbeerenauslese«, die 1986 für die sagenhafte Summe von 35.000 DM versteigert und im Schatzkeller des Klosters Eberbach eingelagert wurde. 2005 übernahmen die Hessischen Staatsweingüter den Neroberg in Pacht. Der »Neroberger« wird heute von Wiesbadener Händlern, Gastronomen und Privatkunden zunehmend geschätzt.

Seit 1976 findet jeweils im August in Wiesbaden die Rheingauer Weinwoche statt, wo an mehr als 100 Ständen etwa 1.000 verschiedene Weine aus Wiesbaden und der Region verkostet werden können.

Literatur

Daunke, Manfred: Die nassauisch-preußische Weinbaudomäne im Rheingau 1806–1918. Geschichtliche Landeskunde Bd. 63, Stuttgart 2006.

Daunke, Manfred: Der Wiesbadener Neroberg. In: Rheingau Forum, 2/2008 [S. 24–27].

Horn, Günter: Auslese aus der Geschichte des Weines in Wiesbaden. Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden, Amt für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz (Hrsg.), Wiesbaden 1994.

Städtischer Weinberg unterhalb des Opelbads, 1964 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F001-498, Urheber: Joachim B. Weber
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