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Wasserversorgung

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Das älteste Zeugnis der Wiesbadener Wasserversorgung stammt aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Etwa 90 n. Chr. gossen Angehörige der XIV. römischen Legion Bleirohre, um Wasser der heißen Quellen zu fassen und in ein Thermalbad zu leiten. Erst viele Jahrhunderte später setzte eine Wasserversorgung im heutigen Sinne ein.

1566 ließen die Grafen zu Nassau-Idstein einen »springenden bronn« auf dem Platz vor ihrem Schloss in Wiesbaden bauen, der von den Quellen des Heiligenborn gespeist wurde. Probleme mit der Wasserversorgung hatten in Wiesbaden eine jahrhundertealte Tradition: Die Kehrseite der Segnungen der heißen Quellen war, dass sie die Gewinnung von gutem Trinkwasser ausschlossen. Im Mittelalter nutzten die Einwohner die Feldbrunnen in der Umgebung der Stadt. Seit dem 16. Jahrhundert ließ die nassau-idsteinische Landesregierung das Heiligenbornwasser in Holzröhren zum Marktbrunnen leiten. Auch in der Folgezeit hinkte die Wasserversorgung stets der Stadtentwicklung hinterher.

Neue quantitative und qualitative Anforderungen ergaben sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Weitere Quellen am Taunus wurden für die Versorgung der anfangs neun, dann 17 Laufbrunnen in der Stadt genutzt, um 1860 waren 32 öffentliche Brunnen vorhanden. Steigender Wasserbedarf erzwang in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts allgemein den Rückgriff auf Grundwasser, dessen Beschaffenheit und Ergiebigkeit in zunehmendem Maße erforscht wurde. Die Fassung der stadtnahen Feldbrunnen und des Quellhorizonts unterhalb der Platte sowie seit 1870 des Wassers des Pfaffenborns (»Klosterbruch«) oberhalb der Fasanerie boten kurzfristige Entlastungsmöglichkeiten, ehe ab 1875 dank der geologischen Erkenntnisse Dr. Carl Kochs das Wasserdargebot der Quarzitschichten des Taunus erschlossen werden konnte. 1875–1910 erschloss man durch vier imposante Stollen von zusammen über 11 km Länge, regelrechten »Trinkwasserbergwerken«, das Wasserdargebot. Die Portalbauten der Stollenanlagen (Kellerskopf-, Münzberg-, Schläferskopf- und Kreuzstollen) gelten in der Fachwelt als technische Denkmäler von nationalem Rang.

Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde deutlich, dass zur Sicherung der Versorgung Wiesbadens zusätzlich auch die Wassergewinnung aus dem Rhein notwendig sein würde. 1899 begannen auf dem Gelände zwischen Schierstein und Niederwalluf erste Probebohrungen, deren Ergebnisse zur Errichtung eines Wasserwerks führten. Erstmals wurde das in Rheinnähe gewonnene Wasser am 24.06.1905 dem Wiesbadener Wassernetz zugeführt. Im Sommer 1907 wurde das gesamte Gelände der Trinkwassergewinnung eingedeicht. 1920–28 wurde das Schiersteiner Wasserwerk, ein Grundwasseraufbereitungswerk, unter der Führung von Christian Bücher ausgebaut.

Im Zuge der Eingemeindungen (1926, 1928 und 1977) erweiterte sich das Versorgungsgebiet. Die Wasserversorgung der Wiesbadener Vororte war zuvor recht unterschiedlich erfolgt, je nach geografischer Lage. Um Probleme bei der Wasserversorgung der Bevölkerung trotz der Kriegsschäden nach dem Zweiten Weltkrieg überbrücken zu können, wurde 1946/47 das Kalle-Notwasserwerk errichtet. Die 1950er-Jahre waren geprägt von einer immer ausschließlicher auf Schierstein fixierten Wassergewinnungspolitik der Stadtwerke. Nur dort bestand die konkrete Aussicht, durch forcierten Anlagenausbau wenigstens zeitweise mit der dramatisch ansteigenden Verbrauchsentwicklung Schritt halten zu können. Alternative Lösungen, deren Verfolgung und zumindest teilweise Realisierung das nächste Jahrzehnt prägen sollten, zeigten sich damals nicht.

Baumaßnahmen für amerikanische Besatzungsangehörige im Bierstadter Aukammtal waren Anlass für ein im hügeligen Wiesbaden seltenes Projekt. Trotz der Einrichtung eines Wasserreservoirs an den »Fichten«, das ein Fassungsvermögen von 200 m3 erhielt, reichte dies allein zur Versorgung der knapp 600 Wohnungen nicht aus. Man war deshalb gezwungen auf dem Landrücken zwischen Sonnenberg und Bierstadt, aber auf Rambacher Grund, bei 283,05 m über NN einen rund 28 m hohen Wasserturm zwischenzuschalten, der 1957 fertiggestellt wurde. Ende der 1950er-Jahre sah man ausschließlich im Ausbau des Schiersteiner Wasserwerks die Lösung zur Befriedigung des steigenden Bedarfs. 1961 war der Bau des 3. Werkes abgeschlossen.

Mit dem Abschluss der Ausbauarbeiten hatte man alle innerhalb des Stadtgebietes nutzbaren Quellen erschlossen. Dennoch blieb die Stadt in der Folgezeit von Wassernotständen nicht verschont, bis es Ende der 1960er-Jahre endlich gelang, Anschluss an die Wasserressourcen des Hessischen Rieds zu finden. Am 12.10.1968 wurde das im Jägersburger Wald bei Einhausen entstandene Wasserwerk eingeweiht, das täglich annähernd 50.000 m3 Trinkwasser nach Frankfurt am Main und Wiesbaden liefern konnte.

Heute (Stand 2015) wird Wiesbaden zu 40 % mit Wasser aus dem Hessischen Ried versorgt, 30 % des Wassers werden im Taunus gewonnen und weitere 30 % im Wasserwerk in Schierstein.

Literatur

Kopp, Klaus: Wasser von Taunus, Rhein und Ried. Aus zwei Jahrtausenden Wiesbadener Wasserversorgung, Wiesbaden 1986.