Verfassungsberatende Landesversammlung (VL)
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In Hessen setzte Anfang 1946 der Prozess der Demokratisierung ein. Ein wesentlicher Aspekt bei diesem demokratischen Neuanfang in dem am 19.09.1945 proklamierten Groß-Hessen war die Verfassungsgebung in den einzelnen Ländern der amerikanischen Besatzungszone.
Am 04.02.1946, nur wenige Tage nach den ersten freien Wahlen auf kommunaler Ebene, erließ die Zentrale der US-Militärregierung OMGUS ihre Direktive zur Vorbereitung von Länderverfassungen. Dieser Weisung des im IG Farben-Haus in Frankfurt am Main residierenden US-General Lucius D. Clay folgend, berief Ministerpräsident Karl Geiler, selbst von der Militärregierung ernannt, den Vorbereitenden Verfassungsauschuss.
Dieses noch vorparlamentarische Gremium bestand aus 13 Personen, darunter Mitglieder des Kabinetts wie die Minister Werner Hilpert (CDU) oder Georg August Zinn (SPD). Den Vorsitz hatte Ministerpräsident Karl Geiler. Mit Aufnahme seiner Tätigkeit am 12.03.1946 erarbeitete dieses Gremium von Sachverständigen zunächst einen Gesetzentwurf für die Wahl der Verfassungsberatenden Landesversammlung. Nach diesem Wahlgesetz sollte die Verfassungsberatende Landesversammlung aus 90 Mitgliedern bestehen, die nach einem Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht zu wählen waren. Zwischen April und Juni 1946 entwarf der Vorbereitende Verfassungsausschuss die Verfassung für Groß-Hessen. Dieser Verfassungsentwurf trug die Handschrift des Heidelberger Staatsrechtlers Prof. Walter Jellinek, der sich erfolgreich für einen zentralen Katalog an unveräußerlichen Grundrechten einsetzte.
Mit der ersten landesweiten Wahl zur Verfassungsberatenden Landesversammlung vom 30.06.1946 trat die Verfassungsgebung in ein parlamentarisches Stadium ein. Von 90 Sitzen konnte die SPD 42 Sitze erringen, die CDU 35, die KPD 7 und die LDP 6. Die konstituierende Sitzung dieses Parlaments fand am 15.07.1946 in der Aula des Realgymnasiums in der Oranienstraße, der heutigen Oranienschule, statt.
Im weiteren Verlauf der Verfassungsberatungen widerstand die SPD der politischen Versuchung, gemeinsam mit der KPD ihre Vorstellungen von einer »sozialistischen Demokratie« durchzusetzen. Stattdessen fanden SPD und CDU nach schwierigen Verhandlungen schließlich auf einer breiten politischen Basis zum legendären hessischen Verfassungskompromiss, der sich als langfristig tragendes Fundament erweisen sollte. Nach der Genehmigung des Verfassungsentwurfs durch die US-Militärregierung vom 29.10.1946 fand nur gut einen Monat später die Volksabstimmung und gleichzeitige Wahl zum Hessischen Landtag statt. 76,8 % der Wählerinnen und Wähler votierten am 01.12.1946 für die Annahme dieser ersten deutschen Landesverfassung nach der NS-Diktatur.
Bei den Landtagswahlen zur 1. Legislaturperiode konnte wieder die SPD einen Sieg erringen. Im Wiesbadener Stadtschloss als Sitz des Hessischen Landtags setzte sie die Zusammenarbeit aus der Verfassungsgebung mit der zweitplatzierten CDU in einer großen Koalition fort.
Literatur
Berding, Helmut: Die Entstehung der Hessischen Verfassung von 1946. Eine Dokumentation, Wiesbaden 1996.
Kropat, Wolf-Arno: Entnazifizierung, Mitbestimmung, Schulgeldfreiheit. Hessische Landtagsdebatten 1947–1950, Wiesbaden 2004.
Will, Martin: Die Entstehung der Verfassung des Landes Hessen von 1946, Tübingen 2009.