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Speditionen

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1842 führte der in den 1830er-Jahren aus Hachenburg nach Wiesbaden gezogene Zuckerbäcker, Wirt und Ackerbauer Johann Rettenmayer erstmals gewerbliche Transporte mit einem Pferdewagen durch.

Zu einer Transportfirma mit internationalen Geschäftsverbindungen wurde die Firma seit 1869 unter Carl Haagner, auf den eine bedeutende Innovation zurückgeht, nämlich die Konstruktion spezieller Möbelwagen für Übersee-Transporte, die aufgrund kleiner und leicht demontierbarer Räder samt Inhalt verschifft werden konnten. Diese als »Möbelkoffer ohne Umladung« patentierten und später als »Lift Vans« international eingesetzten Container revolutionierten das Transportgewerbe. 1886 wurde Carl Haagner zum Ersten Vorsitzenden des Internationalen Möbeltransport-Verbandes berufen. Sein Sohn Friedrich verbesserte die Verpackungsmethoden z. B. durch die Abpolsterung der Container, die inzwischen in allen möglichen Größen zu bekommen waren. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Spedition mit der Ernennung zum »Hofspediteur des Kaisers und Königs« sowie zum »Grossfürstlich Russischen Hofspediteur« ausgezeichnet. Der Expansion des Unternehmens wurde der Firmensitz in der Nicolasstraße (heute Bahnhofsstraße) nicht mehr gerecht; 1904 entstand mit dem »Wiesbadener Möbelheim« an der Waldstraße eines der größten und modernsten Lagerhäuser Deutschlands. Eine Betriebskrankenkasse für die Arbeiter wurde eingerichtet, die Fuhrleute erhielten eine eigene Arbeits- und Lohnordnung. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs expandierte das Unternehmen weiter.

Neben zahlreichen internationalen Dependancen wurden mit der »Rhein- und Seeschiffahrts-Gesellschaft Köln und Mannheim« sowie dem Intern. Reise-Bureau in Wiesbaden weitere Geschäftsbereiche gegründet. Die 1988 gegründete »Möbeltransportgesellschaft Rettenmayer« ist europaweit an zahlreichen Umzugsfirmen beteiligt, benannte sich 2010 in »TEAM Relocations GmbH« um und hat heute 34 Niederlassungen in zwölf Ländern. Ebenso traditionsreich ist die 1864 gegründete Firma J. & G. Adrian. Als Transporteur des Gepäcks und des Silbers des Hofstaats wurde Adolph Jacobi, der nachfolgende Firmeninhaber, 1914 zum »Hofspediteur seiner Majestät« ernannt. Den Ersten Weltkrieg überstand das Unternehmen genauso unbeschadet wie die Wirtschaftskrise der 1920er-Jahre. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude der Spedition in der Gartenfeldstraße zerstört und die Fahrzeuge beschlagnahmt. Mit dem Wiederaufbau nach Kriegsende erholte sich das Unternehmen und expandierte an seinem neuen Firmensitz an der Mainzer Straße.

Ende des 19. Jahrhunderts gründete Christian Frankenbach sein Fuhrunternehmen mit einem Pferdegespann in Mainz-Kastel. Sein Sohn Ernst erweiterte die bald zehn Fuhrwerke umfassende Firma 1936 um erste Lastkraftwagen. In den 1950er-Jahren wurden erste Silofahrzeuge angeschafft und damit ein neues Geschäftsfeld eröffnet. Der Einstieg der Enkel des Firmengründers war 1970 der Auftakt für die globale Ausrichtung des Familienunternehmens.

1904 nahm das »Roll-Comptoir der vereinigten Spediteure GmbH« seinen Betrieb als bahnamtliche Spedition in Wiesbaden auf. In einem Vertrag mit der Königlich Preußischen Staatsbahn wurde der bis dahin ungeordnete An- und Abtransport von Gütern aller Art zu den Wiesbadener Bahnhöfen zu festen Tarifen geregelt. Im Laufe der Jahrzehnte modernisierte man neben dem Fuhrpark auch die Tätigkeitsfelder und den Namen der Firma. Die »Speditionsgesellschaft Rollkontor« organisiert an ihrem Stammsitz am Wiesbadener Hauptbahnhof die globale Transportlogistik, eine eigene Zollagentur und Lagerlogistik sowie verschiedene Archivierungs- und Dokumenten-Management-Systeme.

Neben den national und international tätigen Logistikunternehmen spielte die »Kraftverkehr Genossenschaft Wiesbaden« eine gewichtige Rolle. Sie entstand 1928, als sich neun Wiesbadener Fuhrunternehmer in der Genossenschaft zusammenschlossen, um die Vermittlung von Transportaufträgen zentral zu organisieren. Zunächst versorgten ihre Pferdefuhrwerke die Wiesbadener Hotels unter anderem mit Wasser aus den heimischen Quellen. Später wurden die Gespanne durch Lastkraftwagen abgelöst. In den 1960er- und 1970er-Jahren stieg die Zahl der Mitglieder und der eingesetzten Fahrzeuge – zeitweise waren dies über 60 Lastkraftwagen. Mithilfe moderner Fahrzeuge vom 7,5- bis zum 42-Tonner und eines festen, regionalen Kundenstamms versucht die Kraftverkehr Genossenschaft auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben. Ergänzt werden die etablierten Wiesbadener Transport- und Speditionsunternehmen durch die 1950 gegründete Entsorgungsfirma Knettenbrech und Gurdulic. 1961 stieg der Transportbetrieb in die Entsorgungswirtschaft ein und entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einem in diesem Gewerbe führenden Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet.

Literatur

Spiegel, Margit: Wiesbadener Firmenbriefköpfe aus der Kaiserzeit 1871–1914. Fabrik- und Hotelansichten auf Geschäftsschreiben und Rechnungen. 50 Beispiele mit Firmenkurzporträts, Bd. 1, Wiesbaden 2003 [S. 134–136].

Zeitungsausschnittsammlung Stadtarchiv Wiesbaden, "Speditionen".