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Neue soziale Bewegungen

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Im Mai 1968 kam es in Wiesbaden zu einer Demonstration hessischer Schüler für eine Schulreform, ähnliche Aktionen folgten. Im Oktober 1968 protestierten Studenten aus Mainz und Frankfurt gegen den Debütantinnen-Ball im Wiesbadener Kurhaus. Kneipen wie das »Bumerang« in der Wellritzstraße entwickelten sich zu Diskussionszentren. In der Tradition des politischen Klubs früherer Zeiten wurde 1967 in der Webergasse der Club Voltaire gegründet, der mit seiner Bücherstube zu einem wichtigen Treffpunkt wurde. 1970 entstand der Fußballverein »Roter Stern«, der sich als Teil der linken Szene verstand und von 1976–82 eine Zeitung herausbrachte. Schüler und Auszubildende trafen sich im »POP-Club« und organisierten, unterstützt von dem Schriftsteller Hans-Christian Kirsch, Veranstaltungen mit den Autoren Alfred Kantorowicz (»Spanisches Tagebuch« über den Bürgerkrieg) und Günther Amendt (»Sexfront«) und über die Geschichte der Linken. Das 1972 gegründete Jugendzentrum PUB (Politik-Unterhaltung-Bildung) bot im »Haus der Heimat« in der Friedrichstraße einen Raum für selbst gestaltete Programme und Projekte.

Gegen die Pläne von Ernst May, das östliche Villenviertel aus einem Wohngebiet in ein Verwaltungsgebiet umzustrukturieren, wurde nach einem Vorstoß der Jungsozialisten im Juni 1971 die »Bürgerinitiative City Ost« gegründet. Im Bergkirchenviertel führten die Sanierung und ihre befürchteten Folgen zu einer Intensivierung der Nachbarschaftsbeziehungen, aus denen heraus 1977 das älteste Wiesbadener Straßenfest in der Nerostraße entstand. 1977 fand erstmals das Festival »Folklore im Garten« im Schlosspark Freudenberg statt. Eine ähnliche Funktion erfüllten die Feste im »Nero«, dem als provisorisches Kulturzentrum genutzten ehemaligen Neroberghotel.

Die Gruppen, die solche Gelegenheiten nutzten, gehörten zu den politischen und sozialen Bewegungen, die um 1980 in allen Städten entstanden und bald stärker wurden. Sie waren auch mit Informationsständen in der Stadt und vielfältigen Veranstaltungen präsent, suchten die Diskussion mit allen Bürgern und fanden zum Teil auch Raum in den Kirchen. Aus den ökologischen Initiativen, die besonders gegen Atomkraftwerke – in Hessen gegen Biblis – kämpften, entstand die Partei der Grünen. Die Friedensbewegung war eine Reaktion auf den NATO-Doppelbeschluss von 1979, führte die Auseinandersetzung aber ins Grundsätzliche. 1986 wurde der Verein Eine-Welt-Zentrum Wiesbaden e.V. gegründet, der in seinen Räumen den »Weltladen« betreibt.

1979 entstand die politische Schwulen- und Lesbengruppe »Rosa Lüste«, die durch die Zeitschriften »LUST- Lesbische Und Schwule Themen« und »Lustblättchen« auch über Wiesbaden hinaus in die Szene wirkt. Die AIDS-Hilfe Wiesbaden, wie überall Teil der schwulen Szene, gibt es seit 1986. Die Frauenbewegung ist besonders durch die »Frauenwerkstatt Wiesbaden – Zentrum für Kommunikation und Bildung e.V.« vertreten, die seit 1984 das frauen museum wiesbaden betreibt.

Ein politisches Thema, das im Rhein-Main-Gebiet im besonderen Maße motivierend wirkte, war der geplante Bau der Startbahn West. Eine große Demonstration dagegen fand 1981 in Wiesbaden statt. Aus der Bewegung gegen die Startbahn entstand 1984 das Café Klatsch in der Marcobrunner Straße. Es wird als Kollektivbetrieb geführt und unterstützt politische Projekte.

Schon 1978 eröffnete die älteste Szenekneipe in Wiesbaden, das »Kneipchen« in der Scharnhorststraße im Westend. Das Gegenstück im Bergkirchenviertel war das »Eckhaus« Webergasse/Ecke Hirschgraben. Das Café Cicero in der Kirchgasse (City-Passage) war Treffpunkt und Veranstaltungsort, unter anderem für die Reihe »Erzählcafe«. Als linke Wochenzeitung erschien von 1979–84 das »Regionalblatt«. Anlaufstelle dafür war der alternative »Buchladen am Sedanplatz«. Bis 1989 gab es das kostenlose Monatsblatt »Szene Wiesbaden«, eine Art »Zentralorgan« für die Neuen sozialen Bewegungen mit Terminübersicht und kritischen Glossen. Als Zentrum für die freie Kulturszene wurde 1979 das HinterHaus in der Karlstraße eröffnet, das als Kleinkunstbühne, Galerie, Filmtheater und Vortragsforum genutzt wurde. 1980 schlossen sich viele kulturell aktive Gruppen zusammen, um eine gemeinsame Veranstaltungsreihe zu gründen, die sich schon durch ihren Namen gegen die subventionierte Hochkultur richtete: die »Anderen Maifestspiele«, die vier Jahre lang stattfanden.

In den 1980er-Jahren entstanden mehrere Vereine, die über politische, soziale und historische Themen mit oder ohne regionalen Bezug wie z. B. »Urbanität« oder »40 Jahre BRD« Veranstaltungen durchführten: der »Verein für Volksbildung und Kultur«, die »Gesellschaft zur Förderung von Publizistik und Kommunikation« und die »Wiesbadener Geschichtswerkstatt«. 1986 eröffnete das Pariser Hoftheater als zweite freie Kleinkunstbühne, die auch Gruppen ein Forum bot. Seit 1985 werden auch freie und »alternative« Initiativen, meist kulturelle, von der Stadt finanziell unterstützt. Die Vernetzung der Gruppen untereinander führte zu gemeinsamen Aktivitäten, z. B. 1992 gegen den erstarkenden Rechtsradikalismus unter dem Motto »Wiesbaden ist bunt und das bleibt auch so.«

Literatur

Schabe, Peter: Kultur in Wiesbaden. Das Handbuch. Kulturamt der Landeshautstadt Wiesbaden (Hrsg.), Wiesbaden 1990.

Studentendemonstration für neue Hochschulpolitik auf dem Luisenplatz, 1968 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F000-16606, Urheber: Hans A. Scheffler
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