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Mosbach-Sande

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Ungefähr 40 m oberhalb der heutigen Spiegel von Rhein und Main haben sich auf dem Höhenzug »Rheingauer Feld« östlich Wiesbadens Ablagerungen eines eiszeitlichen Flusssystems erhalten. Die Sande erhielten ihren Namen nach dem Ort Biebrich-Mosbach. Im 19. Jahrhundert wurden die Mosbach-Sande noch in kleinen Gruben beiderseits der Biebricher Allee gewonnen, später am Bahnhof Waldstraße, an der Adolfshöhe und am Nassauischen Landesdenkmal. Dieses nordwestlich der heutigen Aufschlüsse gelegene Areal ist heute längst überbaut.

Vor rund 170 Jahren wurden die ersten Fossilien aus den Mosbach-Sanden wissenschaftlich beschrieben. Mittlerweile liegt in zehntausenden von Funden eine reichhaltige eiszeitliche Lebensgemeinschaft vor. In ihr dominieren einerseits Muscheln und Schnecken (ca. 150 Arten), andererseits Säugetiere. Seltenere Funde sind solche von Fischen, Amphibien und Vögeln. Vor allem die Säugetierfauna mit mehr als 65 Arten war und ist von großer Bedeutung für die Großgliederung der Eiszeit in Mitteleuropa. Daher ist auch eine Anzahl von Arten nach der Lokalität benannt, z. B. die Wühlmaus »Arvicola mosbachensis«, das Wildpferd »Equus mosbachensis« oder der Wolf »Canis lupus mosbachensis«. Fossilien aus den Mosbach-Sanden werden vorwiegend in den wissenschaftlichen Sammlungen größerer Museen des Rhein-Main-Gebiets wie dem Museum Wiesbaden, dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt, dem Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt am Main und dem Naturhistorischen Museum Mainz aufbewahrt.

Die fossilführenden Flussablagerungen der Mosbach-Sande lassen sich in unterschiedliche fluviale Zyklen einteilen. Am Aufbau der Sedimentstapel hatten ein Ur-Main sowie ein Ur-Rhein wechselnden Anteil. In einer Mächtigkeit von ca. 5 m liegen basal, oft in Hohlformen (Dolinen) der Kalkoberfläche versenkt, grobe kiesig-sandige sowie auch feinkörnige, tonige Sedimente (bezeichnet als Grobes Mosbach und Feinkörnige Mosbacher Dolinenfüllung). Nach paläomagnetischen Messungen sind diese Sedimente in den älteren Abschnitten der Eiszeit (Altpleistozän) mit einem Alter von ca. >900 000 Jahren zu stellen. Eine arten- und individuenarme Fauna (»Mosbach 1«) ist aus dem Groben Mosbach bekannt, in der z. B. eine urtümliche Art des Steppenelefanten und das etruskische Nashorn (Stephanorhinus etruscus) kennzeichnend sind.

Der zweite und jüngere fluviale Zyklus von mittelpleistozänem Alter lagert über einer bedeutenden Schichtlücke auf. Seine Sedimente werden »Graues Mosbach«, in der älteren Literatur auch »Hauptmosbach« genannt. Grobschotter, Kiese, Sande, Schluffe und Mergel in einer Mächtigkeit von maximal ca. 12 m setzen diese Ablagerungen zusammen. Nach paläomagnetischen Messungen besitzen sie ein absolutes Alter von ca. <780 000 Jahren. Die arten- und individuenreiche Fauna (»Mosbach 2«) wird z. B. durch die Wühlmaus »Arvicola mosbachensis« charakterisiert, durch einen kleinen Maulwurf (Talpa minor), durch den Waldelefanten (Elephas antiquus) und gegenüber der Art »Stephanorhinus etruscus« weiter entwickelte Nashörner. Unter den Kleinsäugetieren dominieren Insektenfresser und Nager. Unter den Großsäugetieren sind Elefanten (Waldelefant und Mammut), Paarhufer (z. B. Wildrind, Hirschartige, Wildschwein), Unpaarhufer (Wildpferd und Nashorn) sowie Raubtiere (z. B. Wolf, Bär, Marder, Vielfraß, Dachs, Fischotter, Hyäne, Luchs, Löwe, Panther, Gepard und Säbelzahntiger) vertreten.

Die Säugetiere und auch Mollusken (Muscheln und Schnecken) der Fauna Mosbach 2 weisen im Artenbestand einige Arten auf, die zu Lebzeiten an ein bestimmtes wärmeres oder auch kühleres Klima gebunden waren. Als Extreme sind hier z. B. das Flusspferd, eine ihrer Herkunft nach mediterrane Form wie auch das Rentier zu nennen, eine arktische Art. Tiere so gegensätzlicher Klimabevorzugungen sind, zusammen in einer Lebensgemeinschaft, nicht vorstellbar. In den Mosbach-Sanden sind sie in einer sogenannten Grabgemeinschaft vereinigt. Die Flusssande enthalten somit Eiszeittiere zweier unterschiedlicher Klimaphasen der Eiszeit, eines wärmeren (atlantisch geprägten) und eines trockeneren und etwas kühleren (kontinental geprägten) Zeitraums.

Die Flussablagerungen der Mosbach-Sande sind nicht nur im Stadtgebiet Wiesbadens verbreitet. Nach Otto Kandler (1970) sind sie westlich Wiesbadens bis in den Rheingau und südlich bzw. westlich des Rheins im Gebiet von Mainz und Umgebung anzutreffen, doch ist dieser Nachweis mittels biostratigraphischer bzw. paläomagnetischer Belege noch zu führen. Die Mosbach-Sande werden terrassenmorphologisch zur ersten und ältesten Terrasse des Mains, der t1 – Terrasse, gestellt (Arno Semmel 1969). In den Aufschlüssen im Osten Wiesbadens werden die Mosbach-Sande von zwei jüngeren Main-Terrassen (t2; t3) überlagert und zum Teil erodiert, die noch als mittelpleistozän eingestuft werden. Sie enthalten keinen eigenen Fossilinhalt. Darüber lagert jungeiszeitlicher Löss.

Die Erforschung der Mosbach-Sande ist noch nicht abgeschlossen. Seit dem Beginn der 1990er-Jahre werden vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Paläontologische Denkmalpflege) regelmäßige Fundbergungen und Befundaufnahmen durchgeführt. Umfassende Dokumentationen und eine zugehörige Sammlung geborgener Fundstücke sind im sogenannten Mosbach-Archiv des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen im Schloss Biebrich zusammengefasst.

Literatur

Keller, Thomas/Radtke, Gudrun: Quartäre (Mosbach-Sande) und kalktertiäre Ablagerungen im NE Mainzer Becken, Exkursion L am 14.04.2007. In: Jahresberichte und Mitteilungen des oberrheinischen geologischen Vereins, N.F. 89, 2007 [S. 307–333].

Koenigswald, Wighart von: Bemerkungen zur Altersstellung der pleistozänen Mosbach Sande bei Wiesbaden. In: Geologisches Jahrbuch Hessen, 115, 1987 [S. 227–237].

Semmel, Arno: Quartär. In: Erläuterungen zur Geol. Karte von Hessen 1:25000, Blatt Nr. 5916 Hochheim am Main, 3. Aufl. 1969 [S. 51–99].