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Linde, Antonius van der

Linde, Antonius van der

Theologe, Philologe

geboren: 14.11.1833 in Haarlem (Niederlande)

gestorben: 13.08.1897 in Wiesbaden


Artikel

Linde, der Sohn eines friesischen Sattlers und einer mennonitischen Mutter sollte zunächst Missionar werden und schlug die theologische Laufbahn ein. Er überwarf sich aber mit seiner Gemeinde. 1861/62 studierte er Geschichte und Philosophie in Göttingen und promovierte über Spinoza.

Danach siedelte er sich in Nimwegen an, beschäftigte sich mit Schach und veröffentlichte seine ersten Werke über die Geschichte des königlichen Spiels. Weil er in einer seiner zahlreichen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten 1870 nachwies, dass nicht der Haarlemer Weinhändler Laurens Janszoon Coster den Buchdruck erfand, sondern der Mainzer Johannes Gutenberg, machte er sich in seiner Heimat als »Costermörder« unbeliebt. 1871 zog er nach Berlin und lernte unter anderem Sanskrit, um die Ursprünge des Schachspiels zu erforschen. 1874 veröffentlichte er sein zweibändiges Standardwerk »Geschichte und Literatur des Schachspiels«. 1875 verlor er durch den Bankrott eines Amsterdamer Bankhauses sein Vermögen. Er verkaufte seine Schachbuchsammlung an die Königliche Bibliothek im Haag, sie bildete den Grundstock einer der größten Schachbuchsammlungen der Welt.

1876 wurde Linde vom preußischen Kultusminister Adalbert Falk zum Bibliothekar der Königlichen Landesbibliothek in Wiesbaden berufen, als Anerkennung für seine wissenschaftlichen Arbeiten und seine Parteinahme für das Deutsche Reich. 1876–95 war er deren Leiter. In dieser Zeit erschienen weitere bedeutende Werke zur Schachliteratur und Quellenstudien zur Geschichte des Schachspiels. 1880 war Linde Ehrenpräsident eines Internationalen Schachkongresses im Wiesbadener Kurhaus. Er verfasste auch eine Untersuchung über Kaspar Hauser. Für seine »Geschichte der Erfindung der Buchdruckkunst« erhielt er 1886 den Professorentitel.

Linde war ein Genie, das auch psychopathische Züge besaß. In Wiesbaden witterte er überall Verschwörer und führte zahlreiche Beleidigungsklagen. Währenddessen vernachlässigte er die Landesbibliothek aufs Gröbste. Nach dem Besuch zweier Kommissionen aus Berlin wurde er 1895 seines Amtes enthoben.

Er ist auf dem Nordfriedhof begraben. Zu seinem 100. Todestag fand 1997 im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden ein internationaler Kongress der Schachgeschichtsforscher statt.

Literatur

Leppla, Ruprecht: Antonius van der Linde, 1833–1897. In: NL, Bd. 5 [S. 233–245].