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Kinderspielplätze

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Um die Mitte des 19. Jahrhunderts forderten vor allem Mediziner und Pädagogen für Kinder in den wachsenden Städten die Möglichkeit von freiem Spiel im Grünen, so auch der Arzt und Pädagoge Daniel Gottlob Schreber, der sich in Leipzig für die Schaffung von Spielwiesen einsetzte. In Abwandlung seiner Ideen entstanden die später nach ihm benannten »Schrebergärten«.

Ende des 19. Jahrhunderts spielten die meisten Wiesbadener Kinder auf Straßen und Plätzen sowie in den Anlagen der Stadt. Vor allem für den Nachwuchs aus Arbeiterhaushalten oder anderen weniger begüterten Familien war die Straße der bevorzugte Spielort. Der Nachwuchs bürgerlicher Familien, die über einen eigenen Garten verfügten, spielte in der Regel dort oder zu Hause in den Wohnungen. Speziell für Kinder ausgewiesene Spielflächen gab es nur selten. Zwischen Spiel- und Sportplätzen für Erwachsene oder größere Kinder, die auch für den Turnunterricht oder andere sportliche Aktivitäten genutzt wurden, und Kinderspielplätze für Kleinere wurde um 1900 kaum unterschieden.

So regten die Leiter der beiden städtischen Gymnasien sowie der Oberrealschule 1902 ganz allgemein die Einrichtung eines »Spielplatzes« im Waldbezirk Unter den Eichen an. 1914 wurde erstmals zwischen »Spielplätzen« und »Kinderspielplätzen« unterschieden. Der Spielplatz Unter den Eichen war zwischenzeitlich fertig gestellt und schon erweitert worden. Vor allem Schulen, aber auch andere Gruppen nutzten ihn für Turn- und Jugendspiele sowie für festliche Veranstaltungen. Auch der rund 2.000 m2 große Platz oberhalb der Gutenbergschule war nach heutigem Verständnis eher ein Sportplatz: Er sollte den Mädchen der Schule zum Turnen zur Verfügung stehen. Ähnlich verhielt es sich bei dem ca. 10.000 m2 großen Gelände im Distrikt Kleinfeldchen. Ausdrücklich auch an kleinere Kinder richtete sich ein Platz an der damaligen Nikolasstraße (heute Bahnhofstraße). 1913 entstand an der Gartenfeldstraße ein Spielplatz.

Ferner standen den Schulen die alten Exerzierplätze an der Schiersteiner Straße und der Lahnstraße zur Verfügung. Freiflächen in den Kuranlagen, am Warmen Damm, am Paulinenschlösschen, im Dambachtal, im Nero- und Walkmühltal und an der Coulinstraße werden 1914 ausdrücklich als Kinderspielplätze genannt. Außerdem standen zehn Stadtplätze in der heutigen Innenstadt zum Spielen zur Verfügung: Luisenplatz, der Sedan- sowie der Blücherplatz, der Faulbrunnenplatz, der Luxemburgplatz und der Elsässer Platz. Ausgewiesene Kinderspielplätze, d. h. mit Sandkasten usw. ausgestattet, waren sie jedoch nicht. Auch an der Platter Straße war 1914 ein Kinderspielplatz geplant; hier sollte ein »Volkspark« an den ehemaligen Schießständen eingerichtet werden.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg waren Spielgeräte auf den Spielplätzen nur selten zu finden. Meist handelte es sich eher um einen von der Umgebung abgetrennten Platz mit einem Untergrund aus Sand oder Kies, an dessen Rändern Bänke für die Aufsichtspersonen standen.

In den 1920er- und 1930er-Jahren kamen der Ausbau und die Anlage neuer Kinderspielplätze in Wiesbaden nur langsam voran. Ein wichtiger Anlass für die Einrichtung einer Spielfläche war schon in dieser Zeit die mögliche Gefährdung der Kinder durch den zunehmenden Straßenverkehr. Die Stadtverordnetenversammlung befürwortete daher 1929 einen Spielplatz am Sedanplatz. Der Kinderspielplatz war mit einer Trinkstelle, einem Sandkasten mit Spieltisch und Geräten wie einer Wippe sowie Bänken ausgestattet. Um den Durchgangsverkehr nicht zu beeinträchtigen, war er zweigeteilt – in der Mitte verlief die Straße. Mitte der 1930er-Jahre gab es in der Stadt vier Spielplätze (Bose-, Sedanplatz, Schulberg und Mittelheimer Straße), die bis zu ihrer Schließung um 19.00 Uhr von einem Wärter beaufsichtigt wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Kinderspielplätze, die fast alle zerstört worden waren, nach und nach wieder hergerichtet. Wiesbaden zählte damals rund 19.000 Kinder im sogenannten Spielplatzalter zwischen drei und zehn Jahren. Ihnen standen nur 21 öffentliche Spielplätze zur Verfügung. Ausgestattet waren sie in der Regel mit Sandkasten, Schaukel und Wippe, seltener gab es Rutschbahnen, Karussells oder Klettergerüste; alle wurden beaufsichtigt. Verschiedene Bezirke waren in dieser Zeit ganz ohne Kinderspielplätze, neben eher ländlich geprägten Stadtteilen wie Frauenstein, Heßloch oder Kloppenheim gab es auch im Kurviertel, dem Nerotal oder dem Walkmühltal keine öffentlichen Kinderspielplätze.

In den 1960er-Jahren stieg die Zahl der Kinderspielplätze von rund 30 (1963) auf etwa 90 (1973). Auch die Ansprüche an die Flächen und ihre Ausstattung änderten sich. 1973 plante die Stadt, 15 neue Kinderspielplätze nach »pädagogischen Gesichtspunkten« einzurichten oder umzugestalten. Die Spielgeräte sollten den Kindern ermöglichen, »ihre Phantasie zu entfalten«. Geplant wurden Holzhütten, Palisaden, Klettergerüste oder Balancierbalken. In den 1970er-Jahren legte die Stadt in der Bertramstraße den ersten »Bauspielplatz« an, auf dem die Kinder unter Aufsicht mit Werkzeugen umgehen konnten. Gleichzeitig entstand auf dem Alten Friedhof ein Freizeitpark mit ausgedehnten Spielflächen und einem »Abenteuerspielplatz«. In der Siedlung Parkfeld wurde ein »multifunktionaler Spielplatz« angelegt und in der Adolfsallee entstand im Rahmen der Umgestaltung ebenfalls ein neuer Kinderspielplatz.

2013 gab es im Stadtgebiet rund 150 öffentliche Kinderspielplätze unterschiedlicher Größe und Ausstattung mit einer Fläche von insgesamt 430.000 m2 (so viel wie 1914). Neben herkömmlichen Schaukeln, Wippen und Sandkästen gibt es Seilbahnen, Balancierparcours oder große Klettergerüste.  Ein »Spielplatz« der besonderen Art ist der von einer Stiftung getragene »Biberbau« in Biebrich. Er bietet Kindern und Jugendlichen seit 2007 freies Spiel in einer grünen Umgebung mit Obstbäumen und Kleintieren sowie den selbstständigen Umgang mit Werkzeugen. Kleineren Kindern stehen heute auch Indoor-Spielplätze zur Verfügung. Auf der Straße spielende Kinder sind 2017 jedoch selten geworden.

Literatur

Behnken, Imbke: Urbane Spiel- und Straßenwelten. Zeitzeugen und Dokumente über Kindheit am Anfang des 20. Jahrhunderts, Weinheim u. a. 2006.

Herzfeld, Gottfried: Freizeiteinrichtungen für Jugendförderung und Kulturpflege, Leibesübungen und Sport in der Stadtgemeinde Wiesbaden, Wiesbaden 1956 [S. 15 ff.].

Kalle, Fritz/Mangold [Emil]: Die Wohlfahrtseinrichtungen Wiesbadens, Wiesbaden 1902.

Streich, Brigitte: Wiesbaden. Kindheit und Jugend um 1900, Erfurt 2009.

Verwaltungsberichte der Stadt Wiesbaden 1910–1976.