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Kalle, Wilhelm Jakob Ferdinand

Kalle, Wilhelm Jakob Ferdinand

Chemiker, Industrieller, Politiker

geboren: 19.02.1870 in Biebrich

gestorben: 07.09.1954 in Wiesbaden


Artikel

Kalle studierte in Genf, Straßburg und Erlangen sowie an der TH Dresden Chemie. 1897 wurde er nach der Promotion Teilhaber der Chemischen Fabrik Kalle & Co. in Biebrich, nach der Umwandlung des Familienunternehmens in eine Aktiengesellschaft 1904 Mitglied des Vorstandes und wechselte nach der Eingliederung in die I. G. Farben 1925 in den Aufsichtsrat. Dort leitete er den sogenannten Kalle-Kreis, der aus politischen Mandatsträgern der Führungsgremien der I. G. Farben bestand und das konservativ-bürgerliche Parteienspektrum unterstützte. Seit 1937 war Kalle stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der I. G. Farbenindustrie AG und gehörte dem Reichsverband der Deutschen Industrie an. Die TH München verlieh ihm die Würde eines Dr. Ing. e.h.

Seine politische Laufbahn begann 1912 als Stadtverordneter in Biebrich, lange Zeit amtierte Kalle als Stadtverordnetenvorsteher. Nach dem Ersten Weltkrieg trat er in die Deutsche Volkspartei (DVP) ein. 1919/20 war er Mitglied der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, gehörte 1921/24 dem Preußischen Landtag und 1924–32 für Hessen-Nassau dem Reichstag an. Während der französischen Besatzungszeit wurde er 1923 aus Biebrich ausgewiesen.

Kalle war Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses für die besetzten Gebiete in Koblenz und Mitglied des Parteivorstandes. 1929 setzte er sich erfolgreich für die Errichtung einer Ehrenhalle für Stresemann am Mainzer Fischtorplatz ein, die von dem nationalsozialistischen Gauleiter von Hessen Jakob Sprenger sechs Jahre später beseitigt wurde. 1954 engagierte er sich für ihre Wiedererrichtung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste er wegen der Beteiligung der IG Farben- Werke an Kriegsverbrechen eine Anklage in Nürnberg fürchten. Da er auch Verbindungen zu Gegnern des NS-Regimes hatte, wurde er jedoch verschont. Seine Villa am Starnberger See war von den Amerikanern beschlagnahmt worden, so dass er mit seiner Frau bei seinem Chauffeur unterkommen musste.

1953 wurde Kalle zum Ehrenbürger der Stadt Wiesbaden ernannt.

Literatur