Borngässer, Heinrich Willy
Borngässer, Heinrich Willy
Evangelischer Pfarrer
geboren: 21.10.1905 in Mörstadt, Kreis Worms
gestorben: 21.10.1965 in Wiesbaden
Artikel
Borngässer studierte 1925–29 in Gießen evangelische Theologie, wo er auch in der Turnerschaft Arminia aktiv war, besuchte das Predigerseminar in Friedberg und wurde am 12.12.1930 in der Markusgemeinde in Offenbach am Main ordiniert. Von August 1932 bis Juli 1934 verwaltete er die Pfarrstelle Groß-Gerau II.
Vom 01.08.1934 bis zum 31.03.1935 war Borngässer Pfarrer an der Bergkirche in Wiesbaden, bevor er am 01.04.1935 die Pfarrstelle III der Marktkirche in Wiesbaden übernahm, die bisher Dr. Ernst Ludwig Dietrich, nunmehr Landesbischof der Evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen, innehatte.
Neben seiner umfangreichen, vor allem auf persönliche seelsorgerliche Kontakte bedachten, aber auch die öffentliche Verantwortung der Kirche einbeziehenden Gemeindearbeit promovierte er 1937 bei Theodor Odenwald (Heidelberg) mit einer aktuellen Arbeit über das Thema: »Vertragen sich der Totalitätsanspruch des Staates und der Totalitätsanspruch der Kirche?«.
Dem NS-Staat und seiner Kirchenpolitik, der er als liberaler Theologe zunächst loyal, zum Teil zustimmend gegenüberstand, begegnete er gerade auch im pfarramtlichen Alltag zusehends kritisch. Im Herbst 1939 war er fünf Tage in Gestapohaft. Am 14.12.1943 wurde er wiederum verhaftet und durch den 6. Senat des Volksgerichtshofs in Potsdam am 28.06.1944 wegen »Wehrkraftzersetzung« zu sechs Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Ehrverlust verurteilt, was seine Dienstentlassung und den Verlust der Rechte des geistlichen Standes nach sich zog. Am 01.04.1945 wurde er von den Amerikanern aus dem Zuchthaus in Butzbach befreit.
Als liberaler Theologe war Borngässer trotz seiner Leidenszeit den neuen kirchenleitenden Organen in Hessen und Nassau suspekt, deren »kirchenpolitischen Druck und dogmatische Einengung unter dem Mantel der Brüderlichkeit« er in Wort und Schrift bekämpfte.
Er wurde Vizepräsident des Landesverbandes Hessen des Deutschen Roten Kreuzes. Mitten im Dienst verstarb er durch Herzversagen.
Neben seiner 1938 erschienenen Dissertation veröffentlichte er unter anderem die Werke »Die evangelische Kirche vor der Entscheidung« (1952) sowie »Blick hinter Gitter« (1965).
Literatur
Dienst, Karl: »Zerstörte« oder »wahre« Kirche: Eine geistliche oder kirchenpolitische Entscheidung? Frankfurt am Main 2007 [bes. S. 31 ff.].
Wahrheit und Bekenntnis. Kirchenkampf in Wiesbaden 1933–1945. Hrsg.: Geißler, Hermann Otto/Grunwald, Klaus-Dieter/Rink, Sigurd/Töpelmann, Roger, Wiesbaden 2014 (Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden 12).
Renkhoff, Otto: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten, 2. Aufl., Wiesbaden 1992 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 39) [S. 72].
Wiesbaden und der 20. Juli 1944 (mit Beiträgen von Gerhard Beier, Lothar Bembenek, Rolf Faber, Peter M. Kaiser und Axel Ulrich). Hrsg.: Riedle, Peter Joachim, Wiesbaden 1996 (Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden 5) [S. 139–141].