Bonatz, Paul Michael Nikolaus
Bonatz, Paul Michael Nikolaus
Architekt, Hochschullehrer
geboren: 06.12.1877 in Solgne bei Metz
gestorben: 20.12.1956 in Stuttgart
Artikel
Bonatz studierte Maschinenbau und Architektur in München und Berlin. 1900 wurde er Mitarbeiter Theodor Fischers am Stadtbauamt München und 1902 Fischers Assistent an der TH Stuttgart.
Er gewann 1907 den Wettbewerb für die Sektkellerei Henkell & Co. in Biebrich und 1911 den für den Hauptbahnhof Stuttgart (1914–28). Zuvor war er 1908 als Nachfolger Fischers auf den Lehrstuhl für Entwerfen und Städtebau berufen worden, den er bis zu seiner Emeritierung 1942 innehatte.
1908 gründete er mit Friedrich Eugen Scholer (1874–1949) das bis 1949 bestehende Architekturbüro »Bonatz & Scholer«. Bis zum Ersten Weltkrieg entstanden zahlreiche öffentliche Bauten nach Plänen von Bonatz, darunter das Justizgebäude in Mainz (1903–10), die Universitätsbibliothek in Tübingen (1908–12) und die Stadthalle in Hannover (1910–14).
Bonatz begründete mit dem Architekten Paul Schmitthenner (1884–1927) die sogenannte Stuttgarter Schule, die um 1930 »als eine der fortschrittlichsten deutschen Lehranstalten für Architektur« galt (Voigt/May, S. 70, 74).
Aufgrund seiner Leistungen im Ingenieurbau als Berater der Neckarbaudirektion (Projekt Neckarbaukanalisierung) wurde Bonatz 1934, obwohl nicht Parteimitglied, zur Mitarbeit am Bau der Reichsautobahnen (ein zentrales Propagandaprojekt des NS-Regimes) aufgefordert und 1935 als künstlerischer Berater des »Generalinspektor(s) für das deutsche Straßenwesen«, Fritz Todt, berufen. Bonatzs Stellung zum NS-Regime war zwiespältig. Mehrfach geriet er aufgrund von Denunziationen und kritischer Äußerungen in bedrohliche Situationen und dennoch kooperierte er. Er lieferte zwischen 1939 und 1944 unter anderem Entwürfe für das in Berlin geplante »Oberkommando der Kriegsmarine« und für einen neuen Münchner Hauptbahnhof mit gigantischer Kuppel.
1944–48 hielt er sich ohne Unterbrechung in der Türkei auf, wo er 1946 auf einen Lehrstuhl an der TH Istanbul berufen worden war. 1954 beendete er seine Lehrtätigkeit und kehrte nach Stuttgart zurück.
Bonatz erfuhr vielfache Ehrungen, unter anderem 1920 die Ehrendoktorwürde der TH Aachen (heute Rheinisch-Westfälische TH Aachen) und 1942 die von Hitler verliehene Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. 1952 wurde er von Theodor Heuss in den Orden Pour le merité für Wissenschaften und Künste berufen.
Literatur
Bonatz, Paul: Leben und Bauen, Stuttgart 1950.
Voigt, Wolfgang; May, Roland (Hrsg.): Paul Bonatz 1877–1956, Tübingen u. a. 2010.