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Bergkirche

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Die evangelische Bergkirche wurde 1876–79 nach der Marktkirche als zweites protestantisches Gotteshaus erbaut. Sie ist Mittelpunkt und Wahrzeichen des nach ihr benannten Bergkirchenviertels, dem damaligen Quartier der Dienstleute des Kurbetriebs. Architekt war Johannes Otzen aus Berlin, der später auch die Pläne für die Ringkirche entwarf. Als Baumaterial diente wie bei der Marktkirche Backstein mit Gesimsen aus grauem Pfälzer Sandstein. Die Architektur orientiert sich an den Formen der rheinischen Frühgotik. Am 28.05.1879 wurde die Bergkirche von Landesbischof Dr. Ludwig Wilhelm Wilhelmi geweiht.

Die Bergkirche wurde über einem kreuzförmigen Grundriss errichtet. Die zu einem Achteck erweiterte Vierung, die die gesamte Breite des Schiffes einnimmt, nähert sich deutlich einem Zentralraum. Im Osten schließt der polygonale hohe Chor an, flankiert von niedrigeren kapellenartigen Sakristeien. Von den Kreuzarmen im Norden, Süden und Westen ist der westliche als kurzes basilikales Langhaus ausgebildet. Das Oktogon der Vierung wird von einem Turm bekrönt, dessen hoher spitzer Helm den Kirchenbau markant überragt.

Architektonisch gilt die Bergkirche als Vorstufe zur Ringkirche, da sie die Forderungen des Wiesbadener Programms noch nicht erfüllt. Ähnlichkeiten zwischen beiden Bauten bestehen bei den Steinemporen in den Querschiffarmen, dem Sterngewölbe in der Vierung und vor allem in der Raumwirkung.

Für protestantische Verhältnisse ist die Bergkirche mit Malereien, Glasfenstern, Statuen und Reliefs geradezu üppig ausgestattet. Die Kirche hat eine hervorragende Akustik und besitzt zudem eine der klangschönsten Orgeln in Wiesbaden. Die ursprüngliche Orgel der Firma E. F. Walcker & Cie. in Ludwigsburg wurde Anfang der 1930er-Jahre von der Firma G. F. Steinmeyer & Co. umgebaut. Anregungen dazu gab Albert Schweitzer, der die Bergkirchen-Orgel gespielt hatte. In den Jahren 1938 und 1948 wurde sie erneut klanglich umgestaltet.

Während der NS-Zeit war die Bergkirchengemeinde Hort des Widerstands und Zentrum der Bekennenden Kirche in Wiesbaden unter ihren Pfarrern Franz von Bernus, Ludwig Anthes, Max Fries und Dr. Heinrich Vömel. Sie wurden unterstützt vom Wiesbadener Rechtsanwalt Dr. Hans Buttersack. Auch der Widerstandskämpfer Hermann Kaiser pflegte Kontakte zur Gemeinde, in der ein weit verzweigtes Netzwerk aus Gegnern des NS-Regimes bestand. Man besaß sogar eine illegale Druckmaschine. Zu Martin Niemöller, dem späteren Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, steht die Bergkirche in besonderer Beziehung.

In wohl kaum einer der Wiesbadener Kirchengemeinden geht die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen den Bewohnern des Bergkirchenviertels und der sich anschließenden Villen im Nerotal, zwischen Sozialhilfeempfängern und Millionären, so weit auseinander wie an der Bergkirche.

Literatur

Bergkirche Wiesbaden. Schnell, Kunstführer Nr. 2552, Regensburg 2004.

Gerber, Manfred; Sawert, Axel: Die Wiesbadener Bergkirche, Frankfurt am Main 2016.

Kiesow, Gottfried: Architekturführer Wiesbaden. Die Stadt des Historismus, Bonn 2006 [S. 133–135].

Bergkirche, 1888 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F000-235, Urheber: J. Nöhring
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