Ringkirche
Details
Die innen wie außen weitgehend im Originalzustand erhaltene Ringkirche wurde in den Jahren 1892 bis 1894 als drittes evangelisches Gotteshaus nach der Marktkirche und der Bergkirche errichtet.
Gab es 1860 in Wiesbaden 12.900 evangelische Gläubige, so stieg deren Zahl bis 1890 bereits auf 42.900 an, bedingt durch die Entstehung der Südstadt und des Kaiser-Friedrich-Rings. Die Bebauung des Rheingauviertels erfolgte erst nach Fertigstellung der Kirche, die zunächst während der Planungszeit den Namen „Reformationskirche“ trug, dann aber aufgrund ihrer Lage „Ringkirche“ genannt wurde. Für einige Jahre stand sie nach der Fertigstellung frei, ohne umgebende Wohnbebauung.
Architekt war Johannes Otzen, der als bedeutender Kirchenbauer in Hamburg und Berlin wirkte und in Wiesbaden bereits die Bergkirche errichtet hatte. Mit der Ringkirche verwirklichte er entschieden seine Vorstellung eines Zentralbaus und folgte dabei dem von Pfarrer Emil Veesenmeyer entwickelten so genannten Wiesbadener Programm, einem „Bauprogramm für eine konsequent gestaltete Predigtkirche“. Dieses forderte eine radikale Abkehr von der als Rückgriff auf gotische Basiliken gewählten lang gestreckten Form eines Prozessionsraumes in Verbindung mit einem separat ausgebildeten Chorraum. An deren Stelle sollte die Kirche als Versammlungsort der Gemeinde treten. Hier sollte die Einheit von Gemeinde und Klerus durch die Vereinheitlichung des Kirchenraumes zum Ausdruck kommen, die Feier des Abendmahls inmitten der Gemeinde vollzogen werden können und Altar, Kanzel sowie Orgel- und Sängertribüne räumlich zusammengefasst und im Angesicht der Gemeinde angebracht sein.
Das Wiesbadener Programm stand im Mittelpunkt des ersten Kongresses für protestantischen Kirchenbau 1894 in Berlin, erfuhr dort Widerspruch, aber auch viel Anerkennung, vorwiegend von den „vom reformierten Geist beseelten unierten Gemeinden“. Für eine reformierte Kirche allerdings wären der steinerne Altar und die Statuen an der Sängerempore, wie in der Ringkirche zu sehen, undenkbar.
Die Ringkirche ist ein Baudenkmal von besonderer nationaler kultureller Bedeutung wegen ihrer Auswirkung auf den evangelischen Kirchenbau. Dieser kehrte mit ihr zu seiner ureigensten Raumform zurück, wie sie bereits von George Bähr in der Dresdner Frauenkirche verwirklicht worden war, wenn auch nicht in letzter Konsequenz, was schon Otzen anmerkte.
Literatur
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Kiesow, Gottfried
Das verkannte Jahrhundert. Der Historismus am Beispiel Wiesbaden, Bonn 2005.
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Gmelin, Ralf Andreas
Der Dom der kleinen Leute. Kirchenführer und Baugeschichte. Ein Portrait der Wiesbadener Ringkirche, ihrer Baugeschichte und Architektur, 3. überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2008.
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Genz, Peter
Das Wiesbadener Programm. Johannes Otzen und die Geschichte eines Kirchenbautyps zwischen 1891 und 1930, Kiel 2011.