Baum, Julius
geboren: 9. April 1882 in Wiesbaden
gestorben: 27. Oktober 1959 in Stuttgart
Details
Julius Baum wurde in der dritten Generation der angesehenen jüdischen Fabrikantenfamilie Baum geboren. Er war der Sohn Hermann Baums senior (1850 – 1914), Teilhaber der Firma Nassauische Leinenindustrie Joseph Maier Baum, und der ältere Bruder des Malers Franz Maximilian Baum sowie Cousin des Geschäftsmanns Joseph Baum. Die Mutter, Julia Anna Baum, geb. Bloch (1859 – 1911), war Pianistin. Von 1891 bis 1900 besuchte Julius Baum das humanistische „Königliche Gymnasium zu Wiesbaden“ am Luisenplatz (Nr. 10), wo er im März 1900 die Reifeprüfung ablegte.
Der Wohlstand der Familie erlaubte es ihm, entgegen der Familientradition statt einer kaufmännischen Laufbahn die wissenschaftliche eines Kunsthistorikers einzuschlagen. Sein umfassendes Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Landeskunde in Berlin, München und Tübingen schloss er 1905 in Tübingen bei Konrad Lange (1855 – 1921) mit einer Dissertation über „Die Kirchen des Baumeisters Heinrich Schickhardt“ ab. Danach absolvierte er noch ein zweites Studium, das der klassischen Archäologie in München. 1907 trat er aus dem Judentum aus, möglicherweise bestärkt durch die intensive Beschäftigung mit christlich-abendländischer Kunst. Doch erst im Januar 1918 wurde er Mitglied der evangelischen Bergkirchengemeinde in Wiesbaden.
Seine berufliche Laufbahn begann Baum im Januar 1908 in Stuttgart an der „Staatssammlung für vaterländische Kunst- und Altertumsdenkmale“ (heute Landesmuseum Württemberg). Bis zum Ersten Weltkrieg wirkte er hier als Kustos sowie als Denkmalpfleger, betraut mit der Inventarisation der Kunstdenkmäler Württembergs. Nach seiner Habilitation 1912 bei Heinrich Weizsäcker (1862 – 1945) an der Technischen Hochschule Stuttgart mit der bereits 1911 erschienenen bahnbrechenden Publikation „Die Ulmer Plastik um 1500“ war er zudem Privatdozent an der Technischen Hochschule und Lehrbeauftragter an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.
Deutschnational und patriotisch gesonnen, nahm er von 1914 bis 1918 als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Seit 1917 war er als Unteroffizier und Sachverständiger im Rahmen des Kunstschutzes an der Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmäler Belgiens maßgeblich beteiligt. Für seine im Krieg erworbenen Verdienste erhielt Baum 1917 das Charlottenkreuz und noch im November 1934 das Ehrenkreuz für Frontkämpfer.
Nach Kriegsende kehrte er in seine Ämter in Stuttgart zurück und wurde 1922 beamtet. Fortan war er Konservator bei den Landeskunstsammlungen (der früheren Staatssammlung) und zugleich am Württembergischen Landesamt für Denkmalpflege, außerdem nach Weizsäckers Rücktritt bis 1933 Ordinarius für Mittelalterliche Kunstgeschichte. 1924 berief ihn die Stadt Ulm zum Direktor des Städtischen Museums mit dem Auftrag der Neugestaltung des bisherigen Gewerbemuseums und der Errichtung einer Galerie der Moderne. Beherzt übernahm Baum diese Aufgabe und bereits 1925 wurde das „Museum der Stadt Ulm“ neu eröffnet. 1929 heiratete Baum Emma Gruner (1893 – 1970), die Tochter eines Esslinger Seifenfabrikanten, und wurde Vater eines Sohnes und einer Tochter.
1933, nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, wurde die Tätigkeit des engagierten Kunsthistorikers jäh unterbrochen. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft und seiner der zeitgenössischen Kunst gegenüber aufgeschlossenen Museumspolitik wurde Baum im März mit sofortiger Wirkung beurlaubt, worauf im Mai 1933 die Kündigung folgte. Baum verließ Ulm und zog mit seiner Familie wieder nach Stuttgart, wo er, auch als Professor der Technischen Hochschule entlassen, als Privatdozent tätig war und ständig von der Gestapo bespitzelt wurde. Im Rahmen der Pogromnacht im November 1938 wurde er festgenommen und für mehr als vier Wochen im „Schutzhaftlager“ Welzheim, östlich von Stuttgart, inhaftiert. Gesundheitlich schwer angeschlagen, gelang ihm Ende Februar 1939 die Flucht in die Schweiz, wo sich die Familie in Bern niederließ und Baum weiterhin wissenschaftlich arbeitete. 1941 verlor er die deutsche Staatsangehörigkeit und damit auch seine Versorgungsansprüche.
Von Theodor Heuss, dem damaligen württembergisch-badischen Kultminister gerufen, kehrte Baum bereits im Oktober 1946 nach Deutschland zurück. Ab Dezember 1947 war er Direktor des Württembergischen Landesmuseums und Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Stuttgart. Unter seiner Leitung wurden die ausgelagerten Bestände des Landesmuseums wieder zusammengeführt und neu präsentiert und der Wiederaufbau des Alten Schlosses in Angriff genommen. Ende April 1952 trat er in den Ruhestand, und im Mai desselben Jahres erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Seine letzte Ruhestätte fand er im Familiengrab seiner Frau in Esslingen.
Forschungsschwerpunkte Baums waren die Kunst des Mittelalters und der Renaissance in Deutschland, insbesondere in Schwaben bzw. Württemberg und Südwestdeutschland, darüber hinaus in Frankreich, Belgien, Großbritannien, Italien und der Schweiz. Auch war er ein überzeugter Verfechter zeitgenössischer Architektur und Kunst. Heute ist der bedeutende Kunsthistoriker, der in der Nachfolge Jacob Burckhardts (1818 – 1897) die Kunstentwicklung im Kontext der Kultur- und Geistesgeschichte sah, nur noch in Fachkreisen bekannt, obwohl er in allen Bereichen seines Faches Herausragendes geleistet hat. Die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und die Emigration haben sein Nachleben nachhaltig behindert und ihn bei einer breiteren Öffentlichkeit fast in Vergessenheit geraten lassen.
Literatur
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Wendland, Ulrike
Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, Teil 1: A - K, München 1999. (S. 27-31)
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Adams, Myrah
Julius Baum. Museumsdirektor zwischen Tradition und Moderne, Ulm 2005.