Ziegeleien
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Ziegel als Baustoff wurden bereits in der Antike von den Sumerern verwendet. Die lange Lebensdauer von Ziegelbauten aufgrund der Dauerhaftigkeit, der Druckfestigkeit, der Witterungs- und atmosphärischen Widerstandsfähigkeit des Materials hat sich über Jahrtausende bewährt. Da die Rohstoffe Ton, Lehm und Wasser in fast allen Gebieten der Erde zur Verfügung stehen, finden sich in zahlreichen Kulturen Ziegelbauten.
Bereits im 16. Jahrhundert gründeten die Grafen von Nassau in Wiesbaden ihre erste Ziegelhütte in dem Gebiet zwischen dem heutigen Kaiser-Friedrich-Platz und der Burgstraße. Der Grund für die staatliche Förderung des widerstandsfähigeren Baustoffs waren zahlreiche Brände wie beispielsweise die Feuersbrunst von 1547, die unter den meist aus Holz und Lehm errichteten Gebäuden des mittelalterlichen Wiesbaden zu verheerenden Zerstörungen geführt hatten.
Da die erste Ziegel-Manufaktur unwirtschaftlich arbeitete und zudem für die Produktion nötige Energie durch Verbrennung weiter Teile der herzoglichen Wälder erzeugt wurde, beschloss die Herrschaft Anfang des 17. Jahrhunderts die Verpachtung der Ziegelei. Hans Georg Schramm wurde als erster Pächter urkundlich vermerkt. Für 50 Gulden im Jahr übernahm er die Produktion der Ziegel. Allerdings subventionierte der Herzog die Wiesbadener Manufaktur ebenso wie seine übrigen Ziegeleien durch verbilligte Holzpreise, so dass von einer Wirtschaftlichkeit für das Herzogtum nicht gesprochen werden kann.
Durch den steigenden Bedarf an Ziegeln im expandierenden Wiesbaden verbesserte sich mit den Jahrzehnten der Absatz und im Jahr 1740 musste Johann Friedrich Gottron bereits eine Pacht von 50 Gulden entrichten. Er steigerte die Produktivität der Ziegelei und wollte sie schließlich kaufen. Das Geschäft scheiterte am Widerstand des Herzogs, der in der Zwischenzeit zwei weitere Ziegeleien hatte errichten lassen, um den steigenden Bedarf in der Stadt zu decken. Diese Manufakturen für Backsteine und Dachziegel wurden mit den Jahren von der Familie Ritzel übernommen, die bereits in Bierstadt eine Ziegelei betrieb.
Das Prinzip der Herstellung hat sich im Laufe der Zeit nicht verändert. Nach der Gewinnung und Aufbereitung des Rohmaterials erfolgen die Formgebung, die Trocknung und schließlich das Brennen. Bis ins 19. Jahrhundert wurden diese Arbeitsschritte weitgehend in mühevoller Handarbeit vollzogen. Die Industrialisierung Europas begann zwar mit der Verbreitung von Dampfmaschinen im ausklingenden 18. Jahrhundert, die Automatisierung der Ziegelproduktion setzte dagegen erst mit der Erfindung der Schneckenpresse und des Ringofens durch den Ingenieur Friedrich Eduard Hoffmann Mitte des 19. Jahrhunderts ein. 1870 wurden in Preußen erstmals Normen für die Größe und Zusammensetzung von Ziegeln erlassen, um eine umfangreichere Produktion und einfachere Transportmöglichkeiten zu erreichen. Durch die Mechanisierung, die mit der ersten vollautomatischen Ziegelproduktion 1909 ihren Höhepunkt erreichte, verdrängten industrielle Großbetriebe die kleineren Ziegeleien.
Von der Automatisierung der Ziegelproduktion profitierte in Wiesbaden die Portland-Zement-Fabrik Dyckerhoff & Söhne seit ihrer Gründung 1864. Zwischen 1872 und 1900 wurden allein neun Ringöfen mit jeweils 18 Kammern errichtet, deren Tagesleistung bei 60 bis 65 Tonnen pro Ofen lag. Allerdings nutzte das Unternehmen die Technologie nicht zur Backsteinproduktion. Vielmehr wurde das Verfahren im Herstellungsprozess von Zement verwendet. Dennoch trug diese Entwicklung zum Niedergang der Wiesbadener Ziegeleien im 20. Jahrhundert bei, da Beton vermehrt in Konkurrenz zum Backstein als Baustoff trat.
Die Anlage der Kuranlagen, die Errichtung erster Hotels und des Kurhauses (Kurhaus, altes) im Jahr 1810 in unmittelbarer Nähe zu den ursprünglichen Produktionsstätten führten bereits zur Schließung der Ziegeleien im neuen Stadtzentrum. Dadurch stieg die Bedeutung der Ziegeleien in den heute eingemeindeten Stadtteilen. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren beispielsweise die Ziegeleien Bücher, die 1904 geschlossen wurde, und Ritzel, die 1905 nach Igstadt verlagert wurde, von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für Bierstadt. Im Areal der heutigen Waldstraße, an der Kahlemühle und am ehemaligen Bahnhof in Dotzheim sowie in Schierstein wurden aufgrund der Nähe zu lehmhaltigen Böden zahlreiche Ringöfen errichtet, in denen Firmen wie Linnenkohl, Nicolei-Rossel oder Hotter die Backsteine für die Wiesbadener Gebäude aus der Zeit des Historismus produzierten.
Im damaligen Wiesbadener Stadtgebiet gab es um 1900 allein 22 Ziegeleien und Ringöfenbetriebe. Während des Ersten Weltkrieges und der anschließenden Wirtschaftskrisen mussten traditionsreiche Unternehmen wie Beckel (auf dem Gelände des heutigen Hessischen Hauptstaatsarchivs) am Mosbacher Berg, oder Peters in Schierstein (heute erinnert noch der Straßenname „An Peters Ziegelei“ an die Firma) die Produktion einstellen.
In den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen erlebten die rund zehn unversehrten Wiesbadener Ziegeleien einen letzten Aufschwung. Paul Schillo reaktivierte in den 1950er-Jahren sogar eine stillgelegte Ziegelei. Allerdings mussten aufgrund der Ablösung des Backsteins durch modernere Baustoffe wie Bims-, Kalksand und Gasbetonsteine sowie Beton schließlich alle Betriebe nach und nach schließen.
Am 17. Juli 1968 stellte die 1884 von den Brüdern Schauss gegründete und später von der eingeheirateten Familie Speicher übernommene Ziegelei an der Erich-Ollenhauer-Straße zwischen Biebrich und Dotzheim ihren Betrieb ein. Nur ein Pfosten der Toreinfahrt der 1970 abgerissenen Fabrik erinnert heute noch an die letzte Wiesbadener Ziegelei und die lange Tradition der hiesigen Backsteinproduktion.
Literatur
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Heimat- und Geschichtsverein Igstadt e.V. (Hrsg.)
Igstadter Geschichte(n). Vom Bauerndorf zum Stadtteil - das 20. Jahrhundert. Chronik 2, Wiesbaden 2009.
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Landeshauptstadt Wiesbaden, Ortsverwaltung Bierstadt (Hrsg.)
1075 Jahre Bierstadt. 927 bis 2002, Festschrift zur 1075-Jahrfeier, Wiesbaden-Bierstadt 2002. (S. 157-159)
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Fuhr, Clärle
Zwischen Biebrich und Wiesbaden: Das Waldstraßenviertel. In: Von Biebrich nach Wiesbaden. Zwei Städte wachsen zusammen, Kur- und Verkehrsverein e. V. (Hrsg.), Wiesbaden 1998.
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Dyckerhoff Portland-Zementwerke A.G. (Hrsg.)
Portland-Cement-Fabrik Dyckerhoff & Söhne. Der Chronik zweiter Teil 1896-1924, Wiesbaden, 1954.