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Central Collecting Point Wiesbaden

Im Central Collecting Point im Museum Wiesbaden - einer Sammelstelle für Kunst - wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Kunstwerke zusammengeführt, um sie an ihre früheren Besitzer zurückzugeben. Die Werke waren während des Krieges ausgelagert gewesen, geraubt oder beschlagnahmt worden.

Details

Nach Kriegsende 1945 richtete die amerikanische Militärregierung in Deutschland Sammelstellen für Kunst ein, die so genannten Central Collecting Points (CCPs). Dabei ging es zum einen um Bestände deutscher Museen, die während des Krieges in Bergwerken, Stollen oder Baracken ausgelagert worden waren, zum anderen um Kunstwerke, die im Deutschen Reich oder in den besetzten Gebieten geraubt oder beschlagnahmt worden waren. Diese sollten ihren ursprünglichen Besitzern zurückgegeben werden. Die in der amerikanischen Besatzungszone zuständige Abteilung der Militärregierung war die „Monuments, Fine Arts & Archives Section“ (MFA & A).

Ein Central Collecting Point, der die Restitution zum Schwerpunkt hatte, entstand in München in zwei Gebäuden am Königsplatz, dem ehemaligen „Verwaltungsbau der NSDAP“ (heute Zentralinstitut für Kunstgeschichte) und dem ehemaligen „Führerbau“ (heute Hochschule für Musik und Theater). In Wiesbaden organisierte der ausgebildete Architekt und Kunstschutzoffizier Walter I. Farmer (1911-1997) einen weiteren Central Collecting Point im Museum Wiesbaden, der vor allem Bestände der Berliner Museen aufnehmen sollte.

Diese waren im März 1945 in ein Salzbergwerk bei Eisenach gebracht, dort von der US-Armee geborgen und zunächst im Gebäude der Reichsbank in Frankfurt am Main aufbewahrt worden. Am 20. August 1945 traf der erste Transport in Wiesbaden ein, wo das leicht beschädigte Museum in zwei Monaten dafür instandgesetzt und militärisch abgesichert worden war.

Am 6. November 1945 erhielt Farmer telegrafisch den Befehl, 202 Gemälde aus dem Berliner Bestand in die USA zu transportieren. Daraufhin organisierte Farmer ein Treffen der in Deutschland stationierten Kunstschutzoffiziere, bei dem bereits einen Tag später das so genannte „Wiesbadener Manifest“ beschlossen wurde. Darin hieß es: „Wir sind einmütig der Auffassung, dass die Verbringung solcher Kunstwerke, ausgeführt von der Armee der Vereinigten Staaten auf Anweisung der höchsten nationalen Autorität, einen Präzedenzfall begründet, der weder moralisch vertretbar noch verständlich zu machen ist. (...) Wir möchten darauf hinweisen, dass unseres Wissens keine historische Kränkung so langlebig ist und so viel gerechtfertigte Verbitterung hervorruft wie die aus welchem Grunde auch immer erfolgende Wegnahme eines Teils des kulturellen Erbes einer Nation, sei es auch, dass dieses Erbe als Kriegstrophäe aufgefasst wird.“ (Farmer, S. 63)

Trotz dieser Protestnote musste Farmer 202 der wertvollsten Gemälde der europäischen Malerei per Schiff nach Amerika schicken. Im Dezember 1945 trafen sie in der National Gallery in Washington ein. Das „Wiesbadener Manifest“ wurde 1946 in verschiedenen amerikanischen Zeitungen publiziert und rief weitere Proteste hervor. 1948 verfügte Präsident Truman schließlich, die Gemälde im Anschluss an eine Ausstellungstournee durch 13 amerikanische Städte nach Wiesbaden zurückzubringen.

Dort hatte Farmer inzwischen begonnen, die hier lagernden Kunstwerke in wechselnden Ausstellungen der Öffentlichkeit zu präsentieren, auch um dadurch weiteren geheimen Abtransport zu erschweren. In der ersten Ausstellung im Februar 1946 wurde die Büste der Nofretete präsentiert, dann der Welfenschatz und Werke von Raffael, Rembrandt, Rubens, Dürer, Watteau, Caspar David Friedrich, oft zu Themenschwerpunkten zusammengefasst und durch Leihgaben ergänzt. 1949 wurden auch die aus den USA zurückgekehrten Gemälde gezeigt, und die Rückführung dabei als Lehrstück in Demokratie, als Akt der Reeducation dargestellt.

Der Wiesbadener Central Collecting Point war auch für Bestände aus Frankfurt und Wiesbaden selbst zuständig, außerdem für eine Reihe von Objekten, die an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben waren. Insgesamt wurden hier fast 700.000 Objekte inventarisiert. Weitere Central Collecting Points entstanden 1945/46 kurzzeitig in Berlin, Celle und Marburg. Ein weiterer in Offenbach kümmerte sich bis 1949 um Judaica.

1949 wurde die Zuständigkeit für die Kunstwerke in Wiesbaden an den hessischen Staat übertragen, die Amerikaner befassten sich allerdings weiterhin mit Beständen unklarer Herkunft. 1951 wurde ein deutscher Restitutionsausschuss eingerichtet, der bei Rückgabefällen mit den Alliierten zusammenarbeitete. 1951 wurden die verbliebenen Central Collecting Points in Wiesbaden und München geschlossen. Bis 1956 blieben die Berliner Kunstwerke in ihrem „Wiesbadener Asyl“, dann übergab die hessische Treuhandverwaltung sie nach Berlin. 1996 wurde Walter I. Farmer das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.

Literatur