Brunnenkolonnade
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Schon in den ersten Jahren nach Erbauung des Gesellschaftshauses (1810), des alten Kurhauses, zeigten sich im Alltag des Kurpublikum-Verkehrs Mängel. Es fehlte ein Gebäude, das bei schlechtem Wetter als Promenade dienen konnte, zum anderen erwies sich der Verkauf von Waren in den „Buden“ im und vor dem Gesellschaftshaus als störend. Nur mit der Errichtung eines flächenmäßig großen Gebäudes konnte man dem Verlangen des Kurpublikums nach einem erheblich größeren Warenangebot nachkommen: „So entschloss man sich zur Anlage einer im Stil des Gesellschaftshauses gehaltenen selbständigen Kolonnade, die im rechten Winkel dazu zugleich als Abschluss des Kurhausplatzes gegen Norden gedacht war.“ (Spielmann)
Baurat Heinrich Jacob Zengerle erhielt im Jahre 1826 den Auftrag zur Erbauung der Kolonnade, die sowohl das beim alten Kurhaus befindliche Wachthaus als auch zahlreiche Verkaufsläden aufzunehmen imstande sein sollte. In den Jahren 1826/27 wurde der Bau für eine Summe von circa 70.000 Gulden errichtet. Das auf 46 dorischen Säulen ruhende, von zwei Eckpavillons abgeschlossene, 129 Meter lange Gebäude enthielt 50 Läden, worin die verschiedensten Waren ausgestellt werden konnten. Der zeitgenössischen Antikenverehrung verpflichtet, gab die Kolonnade dem Kurhausvorplatz erstmals einen Rahmen, der jedoch erst mit der Erbauung der südlichen, der Neuen Kolonnade (der späteren Theaterkolonnade) im Jahre 1839 geschlossen wurde.
Im Jahre 1937 erhielt das Gebäude durch den Einbau der vom Kochbrunnenwasser gespeisten Trinkstelle eine völlig neue Funktion, indem es mit der feierlichen Einweihung am 24. April 1937 zum neuen Mittelpunkt der Trinkkur wurde. Die Bezeichnung „Brunnenkolonnade“ war zuvor in einem Preisausschreiben ermittelt worden. Die Neugestaltung der Kolonnade zu einer Wandelhalle erfolgte unter dem Architekten Eberhard Finsterwalder, nachdem man in der Planungsphase Paul Bonatz als Berater hinzugezogen hatte. Die bisherigen Läden wurden aufgegeben, die zur Sonnenberger Straße hin gelegene Wand entfernt und an deren Stelle eine zweite Säulenreihe errichtet.
Darüber hinaus erhielt die Kolonnade den rückwärtigen, dreiteiligen Anbau, bestehend aus einem großzügigen, halbrund schließenden Raum, der Trinkhalle, und zwei kleineren flankierenden Räumen. Der westliche diente dem Ausschank des Quellwassers, der östliche der Traubenkur. Alle drei Räume waren mit ornamentalen und figürlichen Mosaiken des Malers Ernst Wolff-Malm ausgestattet.
Literatur
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Malten, Heinrich Mr.
Wiesbaden und seine Umgegend, Darmstadt und Wiesbaden 1842. (S. 40)
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Spielmann, Christian
Das Kurhaus zu Wiesbaden 1808–1904. Aktenmäßige Geschichte seiner Entwicklung, Wiesbaden 1904. (S. 70f. und S. 154)
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Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland
Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden I.1-3, bearbeitet von Sigrid Russ. Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), Stuttgart 2005. (I.1, S. 60; und I.2, S. 44)