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Historie

Kurzer historischer Abriss

1884 hatte Stadtbaumeister Lemcke mit zwei Jahren Bauzeit die neue Schlachthaus- und Viehhofanlage im Süden der Stadt, zwischen Taunusbahn und Ludwigsbahn, an der heutigen Gartenfeldstraße, errichtet.

Die Bauweise war von einfachster Art. Die Außenfassaden waren durchweg aus Feldbrand-Backsteinen, die Dachstühle waren alle in Holz konstruiert und, mit Ausnahme des schiefergedeckten Verwaltungsgebäudes, mit Falzziegeln gedeckt.

Von 1895 bis 1902 kam es infolge des raschen Bevölkerungswachstums in Wiesbaden zu umfassenden Neu-, Um- und Erweiterungsbauten durch Stadtbaumeister Felix Genzmer.

Die Genzmerschen Erweiterungsbauten umfassen die Kühl- und Maschinenhausanlage nebst Wasserturm (1897 bis 1899), die Fleischverkaufshalle (1898), die Kuttlerei (1899 bis 1900) sowie die Kleinviehmarkthalle.

Der Wasserturm sollte zunächst ohne Dampfkesselschornstein errichtet werden. Dass der Schornstein schließlich nicht freistehend, sondern an der Westseite des Wasserturms errichtet wurde, hatte vielleicht auch damit zu tun, den mit der Bahn nach Wiesbaden anreisenden Gast nicht gleich durch Schornsteine und Fabrikbauten abschrecken zu wollen.

Kleinviehmarkthalle und Wasserturm überstanden den Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zum Maschinen-, Kessel- und Vorkühlhaus, die in vereinfachten Formen wiederaufgebaut wurden, unbeschadet.

1991/92 wurde der Wiesbadener Vieh- und Schlachthof vor allem deshalb geschlossen, weil seine Einrichtungen nicht den neuen EG-Hygienerichtlinien entsprachen und ein Umbau zur Erfüllung dieser Richtlinien zu teuer gekommen wäre.

Von den umfangreichen Grenzmerschen Erweiterungsbauten ist lediglich der heute denkmalgeschützte Wasserturm vollständig erhalten geblieben, der "seit vielen Jahren einer denkmalverträglichen Nutzung harrt" (Peter Schabe).

Kühl- und Maschinenhausanlage nebst Wasserturm

Der Wasserturm beherrschte mit seiner Architektur eindeutig die Kühl- und Maschinenhausanlage und setzt die unterschiedlich gestalteten Bauteile der Erweiterungsanlage in architektonische Beziehung zueinander

Die dem Gleiskörper zugewandte Längsfront der Anlage erhob sich auf einem Sockel aus grauem Bruchsteinquaderwerk und wies weiß verputzte und mehrfarbig ziegelverblendete Wandflächen auf. Die Architekturglieder waren in rotem und ebenfalls weiß verfugtem Backstein ausgeführt.
Die Bauten hatten einzelne bis vierfach gekuppelte rund- und spitzbogige Fensteröffnungen erhalten. Am Kühlapparatehaus und am Wasserturm angebrachte Dreipassformen verliehen dem Ensemble ein gefälliges neugotisches Aussehen.

Der 36 Meter hohe Wasserturm mit quadratischem Grundriss zählte fünf Vollgeschosse. Das Maschinenhaus erreichte zum Teil zwei Vollgeschosse, während alle anderen Bauteile sich einstöckig erhoben.

Das oberste Stockwerk des Wasserturms beinhaltete vier mächtige runde Kaltwasserbehälter von je 60 Kubikmetern. Im Stockwerk darunter befand sich ein gut isoliertes fünftes Reservoir für heißes Wasser. Das zweite Turmgeschoss wurde von einem hellen und durch Dampfheizung erwärmten Untersuchungszimmer für die Trichinenbeschau eingenommen und das erste Turmgeschoss diente dem Schlachthofpersonal als Baderäume. Unter dem Eisausgaberaum im Erdgeschoss lag ein weiterer Kühlraum im Turmuntergeschoss.

Die Erschließung der einzelnen Turmgeschosse erfolgt über die in der Turmmitte angeordnete kreisrunde Wendeltreppe.

Der Wasserturm ist bis zum dritten Stockwerk mit roten Ziegeln verblendet, das vierte Stockwerk wurde als Eisenbinder-Holzkonstruktion ausgeführt und verschiefert. Die auf den abgeschrägten Turmecken sitzenden Ziergiebelchen wirken mit ihrer Kielbogenform besonders exotisch.
Auffällig an ihm sind neben den farbigen Wappen an der Fassade die von Dreipassblendbogen eingefassten großen Gruppenfenster, die zwei Stockwerke belichten.

Mit seinem markanten Glockendach ist der Turm stets ein Blickfang gewesen. Auf Grund seiner Monumentalität und der gotisierenden Dekorationszutaten wirkt er wie ein mächtige mittelalterlicher Stadtbefestigungsturm.

Der an der Westseite des Turms angebaute Dampfschornstein verleiht dem ganzen ein eher orientalisches Aussehen. Er ist mit spitzen und kielförmigen Blendbögen verziert. Sein aus der Viereckform aufsteigender runder Schaft wurde mit roten und gelben Ziegeln verblendet.

Der kunstvolle Schornsteinaufsatz, die Fensteröffnungen im vierten Turmgeschoss und die Dachgauben fielen der 1967 vorgenommenen Neuverschieferung des Wasserturms zum Opfer.

Genzmer konnte sich, was das Maschinenhaus betrifft, bei der Konzeption des Wasserturms baukünstlerisch am ehesten entfalten. Nicht zuletzt aufgrund des ansprechenden Aussehens, das er dem Wasserturm verlieh, ist dieser als einer der wenigen Bauwerke der Schlacht- und Viehhofanlage bis heute erhalten geblieben.

Der Turm hat längst Wahrzeichencharakter bekommen und ist heute ein beachtliches technisches Denkmal.

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Ursprüngliche Westseite des Wasserturms wiesbaden.de
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