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Der Wiesbadener Stadtwald – ein Multitalent

Viele Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt erholen sich regelmäßig im Wald rund um Wiesbaden. Was viele nicht wissen: Der Wald, der sich wie ein Halbkreis von Osten nach Westen um das Stadtgebiet erstreckt, gehört der Stadt Wiesbaden und wird selbständig verwaltet. Der Wiesbadener Wald hat sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von damals 900 Hektar auf knapp 4300 Hektar vergrößert. Der größte Zuwachs erfolgte in den Jahren 1926 bis 1928, als eine ganze Reihe umliegender Orte nach Wiesbaden eingemeindet wurden. Eine eigene Forstverwaltung gibt es seit 1977.

Geologisch und klimatisch bietet Wiesbaden hervorragende Bedingungen für das Wachstum von Laubholzarten. Es ist deshalb auch nicht erstaunlich, daß unser Wald zu über 80 Prozent aus Buchen und Eichen besteht. Ziel der Waldbewirtschftung ist jedoch , möglichst viele der über 50 vorkommenden Baumarten in unterschiedlichen Altern zu etablieren, so dass auf der Flächen dauerhaft Bäumen (Dauerwald) stehen.

Stadtwald wird seit 1988 naturgemäß bewirtschaftet

So werden zum Beispiel Kirschen, Ahorn und Eschen vermehrt gepflanzt und bei den bereits vorhandenen Bäumen wird darauf geachtet,diese zu fördern. Grundsätzlich gibt es schon seit langen Jahren keine Kahlschläge mehr im Wald. Gepflanzt wird nur dort, wo durch Sturm, Schneebruch oder Borkenkäfer größere Freiflächen entstehen. Ansonsten wird auf die natürliche Verjüngung gesetzt, das heißt, dass die Bäume ab einem bestimmten Alter Samen und Früchte tragen, die im Erdboden keimen und im Laufe von 100 bis 200 Jahren wieder zu einem stattlichen Stamm werden. Diese Art der Bewirtschaftung, dass viele Baumarten in den unterschiedlichsten Alterklassen wachsen, bietet nicht nur ökologische Vorteile bezüglich der Artenvielfalt, sondern auf die Dauer auch positive betriebswirtschaftliche Effekte.

Der Stadtwald wird seit 1988 naturgemäß bewirtschaftet, ist seit 1999 zertifiziert nach Naturland und FSC® (Forest Stewardship Council®, FSC® C007867) und verbindet dadurch schonende Bewirtschaftung mit einem hohen Standard für Biotop- und Artenschutz. Es werden keinerlei Pestizide verwendet und es werden standortheimische Baumarten gepflanzt beziehungsweise deren Verjüngung gefördert.

Darüber hinaus sind die natürlich vorkommenden Baumarten auch bereits besser angepasst an die standörtlichen Verhältnisse, so dass eine möglichst hohe Vielfalt auch den zunehmend spürbaren Klimawandel und dessen Folgen für den Stadtwald in seiner Stabilität unterstützt: Der Fichtenanteil ist nur noch sehr gering, da dieser Baumart die Niederschläge fehlen, er spielt bei der Baumartenzusammensetzung eigentlich keine Rolle mehr.

Masssiver Borkenkäferbefall - Kahlflächen wieder aufgeforstet

Durch den masssiven Borkenkäferbefall sind auch im Wiesbadener Stadtwald große Kahlflächen entstanden, die zum Teil bereits wieder mit standortgerechten Baumarten aufgeforstet wurden, es bleibt jedoch weiterhin viel zu tun, da die Massenvermehrung des Käfers noch  nicht zum Stillstand gekommen ist. Vermehrte Sommerstürme führen dazu, dass insbesondere stärker dimensionierte Buchen mit großen Kronen und viel Laub geworfen werden. Positiv zu sehen ist, dass darunter in der Regel bereits mindestens eine zweite Baumschicht "in Lauerstellung" wartet und selbst nach Stürmen in den letzten Jahren keine großen Kahlflächen zu beklagen sind.

Der Klimawandel bereitet dem Team des Stadtwaldes nicht nur Probleme hinsichtlich zunehmender Stürme und fehlender Niederschläge in der Wachstumszeit, sondern auch durch mittlerweile sehr frostarme Winter, die zudem meist mit hohen Niederschlagsperioden einher gehen. Dies erschwert in hohem Maße die Holzernte und führt dazu, dass die vorgesehene Menge an Holz nicht im geplanten Umfang eingeschlagen werden kann. Um dies zu verdeutlichen: Vor 20 Jahren begannn die Holzernte im September und dauerte meist bis in den April. Heute reicht das Zeitfenster knapp von Mitte Dezember bis Anfang März, es ist also eine ganz andere Logistik und Planung notwendig als damals. Sehr hilfreich ist hier eigenes Personal, dass die Örtlichkeiten kennt und auch kurzfristig flexibel eingesetzt werden kann. 

Unser Wald dient nicht nur den Wiesbadener Bürgerinnen und Bürgern als Erholungsort, viele Besucherinnen und Besucher kommen aus Mainz und dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. Wiesbaden verfügt über ein ausgedehntes Wander- und Reitwegenetz sowie eine ganze Reihe von Ruhebänken, Liegewiesen, Wanderparkplätzen und Grillhütten. Darüberhinaus gibt es viele Naturschutzgebiete, die auf gekennzeichneten Wegen erkundet werden dürfen, genannt sei hier als Beispiel der Rabengrund. Wo so viele Interessen aufeinandertreffen, bleiben natürlich auch Konflikte nicht aus.

Ein wenig Rücksichtnahme auf allen Seiten könnte so manches "Gerangel" deutlich entschärfen und dazu beitragen, daß jeder auf seine Weise die Erholung im Wald findet. In den letzten Jahren nehmen die Freizeitaktivitäten im Stadtwald zu, leider auch illegale Nutzungen wie zum Beispiel Fahrradfahren abseits von Wegen, was ein hohes Störpotenzial für Flora und Fauna bedeutet, ebenso wie – insbesondere nächtliches- Geocaching.

Wilde Müllablagerungen sind ebenfalls ein Thema und nehmen leider zu.  Der Wald wird hierdurch zusätzlich belastet und in seiner Schutz- und Erholungsfunktion eingeschränkt. Auch überfüllte Papierkörbe und achtlos weggeworfene Dosen bieten keinen schönen Anblick und zeugen nicht von Waldverständnis  und -gesinnung. Die notwendige “Waldreinigung” belastet sowohl den Wald in seiner ökologischen Funktion als auch den Forstbetrieb finanziell.

 

Ein Teil der Stadtwaldfläche ist im Rahmen der Zertifizierung still gelegt worden, es handelt sich um rund acht Prozent der Gesamtfläche. Auf diesen Flächen findet keine Holznutzung statt, sie sollen sich ungestört entwickeln. Auf den meisten dieser Flächen sind bislang optisch keine großen Veränderungen zu sehen, da die Veränderungsprozesse im Wald sehr langsam ablaufen und 20 Jahre für ein Baumleben nicht gerade viel sind. 

Mittlerweile sind – gerade in bewirtschafteten Teilen - des Stadtwaldes eine stattliche Anzahl von geschützten Pflanzen und Tieren nachgewiesen worden. So gibt es Vorkommen von grünem Besenmoos, die Bechsteinfledermaus, den Hirschkäfer, die Wildkatze und viele andere mehr. Sie alle profitieren offenbar von der schonenden Bewirtschaftung, was beweist, dass Schutz und Nutzung durchaus auf gleicher Fläche betrieben werden können. Dies erforder ortskundiges Personal mit hohen fachlichen Qualifikationenm, denn der Stadtwald hat darüber hinaus noch viele andere Funktionen wie zum Beispiel Wasser-, Klima- und Bodenschutz, Teile sind sogar denkmalgeschützt und über die Hälfte des gesamten Gebietes liegen im FFH-Gebiet "Buchenwälder nördlich von Wiesbaden".

Dabei erfolgt die Nutzung sehr schonend, nicht nur nach den Vorgaben der Zertifzierung, sondern auch nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit, das in deutschen Wäldern seit über 200 Jahren praktiziert wird. Dieses Prinzip besagt, dass nur soviel entnommen werden darf wie wieder nachwächst. In unserem Stadtwald übertrifft der Zuwachs sogar die Nutzung. Das Wiesbadener Holz wird zum Beispiel zu Möbeln oder Fußbodenbelägen verarbeitet, zu Konstruktionsholz für Häuser, manchmal auch für Weinfässer. Holz ist ein absolut umweltfreundlicher Rohstoff, der sowohl bei der "Herstellung" wie auch bei der Rückkehr in den Naturkreislauf völlig ohne Abfälle und Rückstände auskommt. Zudem handelt es sich hier um den einzigen Rohstoff, der immer wieder nachwächst. Die schonende Bewirtschaftung des Waldes sichert eben nicht nur Arbeitsplätze, sondern hat auch eine Unmenge ökologischer und umweltfreundlicher Aspekte.
 

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Der Wiesbadener Stadtwald – ein Multitalent. wiesbaden.de / Foto: Grünflächenamt
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