Stadtwappen
Als offizielles Wappen der Stadt Wiesbaden gilt durch den Magistratsbeschluss vom 3. Mai 1905 ein mit drei gelben Lilien auf blauem Grund belegter Schild. Damit beendete der Magistrat einen Streit um das Wappen, in dessen Verlauf immer wieder zwei Dinge, nämlich Siegelbild und Stadtwappen, miteinander vermischt worden waren.
Siegel und Wappen haben aber ganz unterschiedliche Funktionen. Siegel wurden seit dem frühen Mittelalter als Beweismittel und für die Beglaubigung von Schriftstücken verwendet; Wappen entstanden erst seit dem späten 12. Jahrhundert im Turnierwesen und waren in erster Linie Erkennungs- und Eigentumszeichen.
In den nassauischen Städten kamen Siegel seit dem frühen 13. Jahrhundert auf. Das 1314 für Wiesbaden erstmals belegte Stadtsiegel ist somit relativ jungen Datums. Es zeigte auf mit Schindeln besätem Grund den nassauischen Löwen im Schild: ein Symbol der Abhängigkeit vom Landesherrn und nicht so sehr ein Zeichen städtischer Autonomie.
Erste Spuren eines Stadtwappens datieren demgegenüber aus dem frühen 16. Jahrhundert. In gewollter Abgrenzung vom Stadtherrn, so hat es Otto Renkhoff interpretiert, wurde 1512 ein städtisches Gerichtssiegel geschaffen, das zwar auch noch den nassauischen Löwen enthält, zusätzlich jedoch drei zwei zu eins gestellte Lilien, die ungewöhnlich groß sind und die Umschrift des Siegels durchschneiden. Diese Lilien sind daher nicht als nebensächliche Beizeichen des Siegels zu werten, sondern das erste Zeugnis eines Wiesbadener Wappens. Die Wiesbadener Lilien schmückten in den nachfolgenden Jahrhunderten als einziges Symbol das Wiesbadener Wappen, das seit 1592 in vielfacher Ausprägung, insbesondere in der Bauplastik, überliefert ist. Am Alten Rathaus, auf dem Kupferstich von Matthäus Merian und an mehreren anderen Stellen findet sich dieses Wappen. Im 16. Jahrhundert findet das städtische Emblem, und zwar als einzelne Lilie, Eingang in das städtische Signet, das kleine Siegel. Einzelne Lilie oder drei (eins über zwei) angeordnete Lilien begegnen häufiger als Hoheitszeichen in der Stadt. Zwischen 1898 und 1905 hielt man eine Kombination von Lilien und Nassauer Löwen für das echte Wiesbadener Stadtwappen.
Worauf ist die Symbolik der Lilie zurückzuführen, welche Bedeutung hat sie? Wie die gelehrten Humanisten im 16. Jahrhundert sich die Entstehung des Wappens erklärten, zeigt sich im Jahre 1562. Graf Philipp II. von Nassau bemühte sich in diesem Jahr bei dem in Frankfurt weilenden Kaiser Ferdinand I. um eine Bestätigung der Wiesbadener Privilegien, darunter auch um eine Bestätigung des Wiesbadener Wappens, das der Stadt angeblich zur Zeit Karls des Großen verliehen worden sei. In dieser Argumentation vermischt sich die Erinnerung an Wiesbadens ruhmreiche, wenn auch sehr kurzfristige Vergangenheit als Reichsstadt mit der Interpretation der Lilie als Attribut Kaiser Karls. Im 14. Jahrhundert nämlich hatte die mittelalterliche Heraldik dem großen Frankenkaiser nachträglich ein Phantasiewappen zugesprochen, das neben dem Reichsadler auch die Lilie enthielt. Aus diesem vermeintlichen Wappen Karls des Großen dürften die Wiesbadener Bürger um 1500 das Symbol in ihr Wappen übernommen haben, da man damals Wiesbaden für eine Gründung des Frankenkaisers hielt. Die Farben des Stadtwappens hingegen, gelbe Lilien auf blauem Feld, verweisen auf die Grafen von Nassau.