Gerichtsgefängnis – Albrechtstraße 29
Hinter diesem Tor befand sich einst ein Gefängnisgebäude. 1875 ist dieses als Kreisgerichtsgefängnis für 100 männliche und weibliche Gefangene seiner Bestimmung übergeben worden. Im gleichen Jahr wurde für die männlichen Häftlinge im Hof eine Arbeitsbaracke errichtet. Das benachbarte Justizgebäude wurde 1897 als neues Amts- und Landgericht fertig gestellt. Auch dort sind seinerzeit sieben Zellen eingerichtet worden.
Während der NS-Zeit waren im Gerichtsgefängnis zahlreiche aus politischen, religiösen und rassistischen Gründen Verfolgte des Regimes inhaftiert. Beispielsweise wurden nach dem Pogrom vom 9. und 10. November 1938 einige jüdische Männer hier eingesperrt. Bald darauf wurden sie im Beisein zahlreicher Zuschauer auf Lastwagen verladen, um in Konzentrationslager, meist nach Buchenwald, verbracht zu werden.
Allein wegen politischer Strafsachen waren damals mindestens 90 Männer und Frauen hier in Untersuchungshaft, so auch 1941/42 fast ein Dreivierteljahr lang Georg Buch, der spätere Wiesbadener Oberbürgermeister und Präsident des Hessischen Landtages. Seine seit 1933 bestehende sozialdemokratische Widerstandsgruppe war Anfang 1941 enttarnt worden. Die gegen ihn vom Strafsenat des Oberlandesgerichts in Kassel am 13. März 1942 verhängte Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren verbüßte er in den Strafanstalten Frankfurt-Preungesheim und Hanau. Danach wurde er noch in den Konzentrationslagern Hinzert und Sachsenhausen drangsaliert. Erst im Frühjahr 1945 ist er befreit worden.
Ferner waren hier einige der im Zuge der reichsweiten Aktion "Gewitter" im Anschluss an den gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 festgenommenen Wiesbadener Regimegegner vorübergehend in Haft. Hierzu zählte unter anderem der vormalige Arbeitersekretär und Stadtverordnete beziehungsweise Stadtrat des Zentrums Ferdinand Grün, der 1946 für die CDU erneut ins Stadtparlament, auch in die Verfassungberatende Landesversammlung Groß-Hessen sowie in den Hessischen Landtag rückte. 1971 wurde das damalige Untersuchungsgefängnis endgültig geschlossen. 1996 erfolgte sein Abbruch.
Nach ihrer Machtübernahme im Jahr 1933 begannen die Nationalsozialisten umgehend damit, Recht und Justiz zielstrebig zur Bekämpfung ihrer politischen Gegner einzusetzen. Gleiches betraf Menschen, die sie im Sinne ihrer antihumanen, rassistischen Ideologie verfolgten. Auch jede nach heutigen Maßstäben noch so geringfügige Unmutsäußerung oder Kritik an ihrem Unrechtsregime beziehungsweise an dessen Funktionsträgern wurde mit drakonischen Strafen belegt.
Die Verfolgung von Regimegegnern oblag den Strafsenaten der Oberlandesgerichte sowie eigens geschaffenen Sondergerichten. Der 1934 errichtete "Volksgerichtshof" war schließlich als oberster politischer Strafgerichtshof des Regimes zuständig, nicht nur zur Verfolgung von "Hochverrat" und "Landesverrat", sondern etwa auch von "Wehrkraftzersetzung". Die Urteile waren endgültig. Seit 1936 bestand außerdem das Reichskriegsgericht; dieser höchste Militärgerichtshof des NS-Staates verfolgte aber nicht nur Strafsachen von militärischer, sondern auch von staatspolitischer Relevanz. Alle diese Gerichte verhängten viele tausend Todesurteile. Daneben wurden zahllose Menschen zu oft langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, nach deren Verbüßung sie nicht selten in eines der vielen Konzentrationslager eingewiesen wurden.