Abschied von Herzen – freie Trauerreden

Unternehmen:
Abschied von Herzen – freie Trauerreden

Gründerin:
Gabriella Vitiello

Gründungsdatum:
1. Februar 2023

Branche:
Gesundheit

"Wir brauchen Geschichten, um physisch überleben zu können. Sie sind tröstlich", sagte der Schriftsteller Peter Bichsel einmal.

Mit einer einfühlsamen Rede möchte ich den Menschen einen gelungenen Abschied ermöglichen, der in Erinnerung bleibt. Eine einfühlsame Rede erleichtert den Angehörigen den Neuanfang.

Worum geht es bei Ihrer Gründung und was ist das Besondere daran?
Eine Abschiedsrede – auch Erinnerungs-, Lebens- oder Trauerrede genannt – ist ein zeitgenössisches Ritual, das die Einzigartigkeit eines Lebens feiert. Ich vergleiche eine Rede manchmal mit einer Einladung zum Essen. Die Angehörigen sind meine Gäste, denen ich meine ganze Aufmerksamkeit schenke. Sie bringen die Zutaten mit – etwa Anekdoten, Erinnerungen, kleine Geschichten und große Gefühle, aus denen ich ein herzerwärmendes Menü bereiten darf.

Für das Ende des Abends wünsche ich mir, dass die Gäste gestärkt sowie mit dem Leben und dem Abschied versöhnt nach Hause zurückkehren.

Während ich die Rede halte, ist es mir sehr wichtig, dass der Verstorbene in seiner ganzen Vielfalt und Unverwechselbarkeit für die Angehörigen und die Trauergäste noch einmal vorstellbar und spürbar wird. Es heißt ja immer: das Leben schreibt die besten Geschichten. Und ich schreibe dazu das Schlusskapitel, denn jedes Leben ist besonders und verdient es, erzählt zu werden.

Mein Vater hat mir etwas von seinem süditalienischen Temperament vererbt. Mit dieser von Herzen kommenden Leichtigkeit und Energie möchte ich heitere und lebensfrohe Momente auch in schweren Situationen schenken.

Was sind Ihre ersten Erfolge?
Es freut mich immer sehr zu erleben, dass mir Angehörige, wenn ich zu einem Vorgespräch bei Ihnen bin, auf Anhieb Vertrauen schenken. Es ist ein sehr motivierender Moment, zu erfahren, dass Menschen mir die Lebensgeschichte des Verstorbenen gerne erzählen.

Vor kurzem hatte mich ein Bestatter bei einer Angehörigen mit folgenden Worten zum Gespräch angekündigt: "Mit Frau Vitiello werden Sie viel Spaß haben!". Das war für mich ein großer Erfolg, denn aus dem Satz spricht ebenfalls viel Vertrauen.

Bewegt hat mich auch der sehr rührende Anruf einer 90jährigen Dame ein paar Tage nach der Bestattung ihres verstorbenen Mannes. Sie erzählte mir am Telefon, sie wolle mir jetzt auch Freude bereiten, weil ich allen Gästen bei der Bestattung ihres Mannes eine große Freude gemacht hätte: "Ihre Rede war so interessant und so ehrlich. Viele haben gesagt, es sei die schönste Beerdigung gewesen, die sie erlebt hätten."

Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?
Die Geschichten anderer zu hören, faszinierte mich schon immer. Ich mag es anderen Menschen zuzuhören und ihren Erlebnissen eine Stimme zu geben. Deswegen bin ich nach meinem Studium für fast 10 Jahre nach Neapel gegangen, um dort zu leben und zu arbeiten.

Als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Gesellschaft, Kultur und Tourismus habe ich viele Geschichten geschrieben und Interviews geführt. Nachdem sich mein Lebensschwerpunkt wieder nach Deutschland verlagert hatte und meine Kinder langsam größer wurden, wollte ich meine Fähigkeiten verstärkt vor Ort, in Wiesbaden, wo ich lebe, ausbauen.

Zunächst fing ich an, Italienischunterricht zu geben, an einer Sprachschule und an der VHS. Ich arbeite gerne in direktem Kontakt mit anderen Menschen. In diesem Sinne ist die Tätigkeit als Trauerrednerin eine Fortführung meiner vorherigen Aktivitäten. Es geht immer um Erfahrungen, Erzählungen und Lebensgeschichten anderer Menschen und darum, ein kleines Stück des Weges gemeinsam zu gehen.

Was war für Sie der Auslöser, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
2001 erschien der Roman "Rot" von Uwe Timm. Die Hauptfigur darin verdient seinen Lebensunterhalt als Beerdigungsredner. Als ich diesen Roman vor rund 20 Jahren las, beschloss ich, irgendwann Trauerrednerin zu werden. Neapel allerdings, wo ich damals lebte, war nicht die richtige Stadt für eine solche Tätigkeit.

Die vielen Eindrücke aus Süditalien haben allerdings mein Bild und meinen Umgang mit Trauer und Tod sehr geprägt. Die Lebenden in Italien haben meistens ein herzliches Verhältnis zu den Verstorbenen und drücken dies in einer Vielzahl von Ritualen aus.

Insgesamt ist die Vergangenheit dort sehr lebendig und gehört immer mit zur Gegenwart dazu – zum Beispiel, wenn man durch antike Tempelanlagen oder durch römische Ausgrabungen läuft. Hier in Deutschland ist der Tod leider oft noch ein Tabu, über das kaum jemand gerne spricht. Das finde ich schade und möchte dies mit meinen Reden ein wenig ändern und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man einen Abschied auch mitgestalten darf.

Wer hat Sie beraten, wer sind Ihre Helfer und Mentoren?
Zu Beginn meines Gründungsvorhabens habe ich den Austausch mit einem Bestatter gesucht. Dominik Fink berichtete mir aus seiner Sicht, welcher Voraussetzungen, Eigenschaften und Schritte es bedarf, die Tätigkeit eines professionellen Trauerredners auszuüben. Dafür bin ich ihm immer noch dankbar! Das hat mir den Einstieg erleichtert. Ich habe mir daraufhin einen kleinen „Unternehmensplan“ erstellt.

Dabei war ein sehr wichtiger Schritt die Fortbildung zum Schreiben von Trauerreden, die ich beim Bund Deutscher Bestatter gemacht habe. Auch BerufsWege für Frauen e.V. ist zu jeder Zeit eine wertvolle Unterstützung. Sie haben mir sehr dabei geholfen, eine gute Webdesignerin zu finden und Tipps gegeben zu den Themen Internetpräsenz und Vernetzung.

Natürlich steht auch meine Familie hinter meiner neuen Tätigkeit und freut sich über jeden Auftrag, den ich bekomme. Eine große Stütze ist darüber hinaus mein früherer Professor für Philosophie von der Uni Mainz. Mit Stephan Grätzel spreche ich regelmäßig darüber, welche Bedeutung Erinnerung, Riten und Geschichten für unser Leben haben und welche Funktion sie für eine Gemeinschaft haben. Er steht mir auch mit Rat zur Seite, etwa wenn es in einer Rede um schwierige Themen geht wie Suizid oder wenn Menschen, besonders Kinder, früh aus dem Leben gerissen werden.

Wie haben Sie die ersten Tage als Gründerin erlebt?
Den klassischen ersten Tag gab es bei mir nicht. Ich habe meine Tätigkeit in sehr kleinen Schritten aufgebaut, während ich zugleich als freie (Teilzeit)-Journalistin und Italienischlehrerin arbeitete. In diesen Arbeitsfeldern nehme ich derzeit auch noch Kunden und Projekte an.

Als ich meine erste Rede gehalten habe, wusste ich: Das ist das richtige für mich. Ich wollte weitermachen und dranbleiben, ganz gleich, wie viele Hürden noch kommen würden!

Was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?
Für mich gibt es zwei große Herausforderungen. Aus wirtschaftlicher Sicht etwa das Marketing. Wie sieht die beste Strategie aus, Aufträge zu erhalten? Wie überzeuge ich die Bestatter von meinen Fähigkeiten, so dass sie mich weiterempfehlen?

Auf der anderen Seite geht es bei Abschiedsreden nicht einfach nur um ein Business. Es geht um die Frage: Wie wollen wir uns verabschieden? Möchten wir in einer sehr individualisierten Gesellschaft eine unpersönliche Bestattung oder einen einzigartigen Abschied, der das Leben noch einmal feiert und aufzeigt, wie wichtig die Erinnerung ist?

Wie machen Sie auf Ihr Unternehmen aufmerksam? Was ist Ihre beste Vermarktungsidee?
Ich zeige auch Internet-Präsenz. Meine Website ist ein gutes Aushängeschild und sehr hilfreich bei Kontaktaufnahmen und bei der Vernetzung – auch mit anderen RednerInnen.

Darüber hinaus suche ich den persönlichen Kontakt zu Bestatterinnen und Bestattern, um mich bei Ihnen vorzustellen. Ich mache also das so genannte „Klinkenputzen“, denn viele Angehörige buchen eine Abschiedsrede direkt über das Bestattungsunternehmen.

Auf Dauer hoffe ich, dass auch persönliche Empfehlungen Wirkung zeigen werden. Derzeit versuche ich, möglichst oft in den Austausch mit anderen Menschen zu gehen. Ich weise auch immer wieder darauf hin, dass ich ein Vorgespräch und eine Rede auch auf Italienisch halten kann.

Wie haben Sie die Finanzierung Ihrer Gründung umgesetzt?
Ich habe auf eine sehr niedrigschwellige Umsetzung gebaut, da ich ja in einem fließenden Übergang auch noch Aufträge als Italienischlehrerin und als freie Journalistin annehme. Deswegen habe ich bislang nur Eigenmittel und so genannte Notgroschen investiert.

Welchen Traum möchten Sie noch verwirklichen?
Eine Reise rund um das gesamte Mittelmeer ist ein lang gehegter, privater Traum. Meine Idee war, dabei mit gewöhnlichen Passagierfähren von Hafenstadt zu Hafenstadt zu reisen. Mittlerweile würde ich diesen Traum lieber etwas abgewandelt realisieren. Ich würde gerne ein Gravel Bike mitnehmen und Landstrecken mit dem Rad zurücklegen.

Beruflich gesehen hielte ich die Einrichtung eines Netzwerks für Abschiedsreden für sinnvoll: Mehr Zusammenarbeit und Austausch als Konkurrenz unter den freien Rednerinnen und Rednern. Im Moment habe ich den Eindruck, dass viele Einzelkämpfer unterwegs sind.

Bitte ergänzen Sie folgenden Satz: Wenn ich mehr Zeit hätte würde ich ...
... würde ich gerne jeden Tag ein bis zwei Stunden lang in einem guten Roman lesen.

Was ist Ihr besonderer Tipp: Was würden Sie Gründerinnen und Gründern empfehlen?
Am Anfang stand ich vor einem riesigen Berg an Ideen, Tipps und Aufgaben. Wenn man sich Schritt für Schritt vorwagt, ist man irgendwann am Ziel – trotz aller Hürden und Hindernisse. Im Italienischen gibt es ein Sprichwort: Chi va piano, va lontano. Wer langsam geht, kommt weit.