Wittgen, Wilhelm
Wittgen, Wilhelm
Lehrer, Schriftsteller
geboren: 16. Oktober 1868 in Weyer
gestorben: 15. Januar 1943 in Wiesbaden
Artikel
Wilhelm Wittgen wurde als Sohn des Landwirts Georg Wittgen in Weyer im Oberlahnkreis geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Weyer wechselte Wittgen an die Präparandenanstalt und anschließend an das Lehrerseminar in Usingen, das er 1889 mit dem Bestehen der ersten Lehrerprüfung abschloss.
Nach seinem Militärdienst trat Wilhelm Wittgen eine Stelle als Lehrer an der Volksschule in Heringen im Kreis Limburg an. Hier absolvierte er seine zweite Lehrerprüfung.
1893 wechselte Wittgen an die Volksschule im pfälzischen Holzappel. 1898 beantragte er schließlich seine Versetzung nach Wiesbaden, wo bereits sein Bruder Philipp als Lehrer tätig war.590Wilhelm Wittgen erhielt eine Stelle an der Volksschule an der Lehrstraße, an der er am 1. Januar 1923 zum Konrektor ernannt
wurde. Diese Stelle bekleidete er bis zu seiner Pensionierung 1930.
Neben seiner Tätigkeit als Volksschullehrer war Wittgen Autor und Publizist. Er veröffentlichte eine Vielzahl von Erzählungen über die Geschichte und Gegenwart Nassaus. Seine Schriften erschienen unter anderem in verschiedenen regionalen Zeitungen. Die stets heimatbezogenen Texte hatten nationalistische Untertöne,
antisemitische Tendenzen wiesen sie hingegen nicht auf.
Wittgen übernahm ab 1901 die Herausgeberschaft des „Nassauischen Allgemeinen Landeskalenders“ und nach dem Tod des Wiesbadener Stadtarchivdirektors Christian Spielmann ebenfalls die Herausgabe der Zeitschrift „Nassovia“.
Die NS-Bewegung und die „Machtergreifung“ Hitlers begrüßte Wittgen. Er trat am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein. Seit 1938 war er zudem Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Der pensionierte Lehrer wurde außerdem Mitglied des NS-Lehrerbundes.
Auch in seiner publizistischen Tätigkeit schlug sich eine positive Einstellung zum Nationalsozialismus punktuell nieder. Im Kern war der jährlich erscheinende „Nassauische Allgemeine Landeskalender“ ein Medium für Erzählungen und historische Abhandlungen. Gleichwohl enthielt er in der NS-Zeit in mehreren Jahresausgaben Editorialbeiträge mit dem Titel „Heil Hitler“, die aus Bekenntnissen zu Hitler und der NS-Bewegung bestanden. In der Ausgabe des Jahres 1938 war der Beitrag mit dem Kürzel „W.W.“ gezeichnet. Sein Autor Wilhelm Wittgen gab folgende Ehrbekundung für den „Führer“ ab:
„Heil Hitler! Mit diesem Gruße legt das deutsche Volk seit vier Jahren sein Bekenntnis ab zu dem Manne, der uns aus Not und Trübsal errettet, den uns Gott geschenkt in schweren Tagen […]. Und dann hat unser Führer die Arbeitslosigkeit beseitigt […]. Den Arbeiter stellte er in die Reihe der geachteten Menschen […]. Eifrig ist Adolf Hitler bemüht, ihn aus Hinterhaus und Dachgeschoß zu befreien, ihm ein eigenes Heim zu bauen, in dem er sich mit Weib und Kind im Umgange mit seiner Natur seines Lebens freut. […] Dem deutschen Bauern werden seine Erzeugnisse dem Wert entsprechend bezahlt; nicht braucht er zu fürchten, daß ein Wucherer die Preise drückt. […] Unvergeßlich wird es sein, daß er die Brüder an der Saar befreit und sie zum Herzen von Mutter Germania zurückgebracht. Der deutsche Soldat steht seit März 1936 wieder im Rheinland und hält treue Wacht, nachdem ein Jahr zuvor die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, und es kein Feind wagen wird uns anzugreifen. Der ganzen Welt ist Der ganzen Welt ist Adolf Hitler dadurch zum Retter geworden, denn eine schützende Mauer ist ausgeführt gegen den Bolschewismus, der von Osten und Westen her droht. […] Es ist eine Lust zu leben, auch für uns Alten, die die Schmach zähneknirschend erduldeten, die sahen, wie fremde Völker unsere Saaten zertraten und den deutschen Namen lästerten. […] An einen solchen Aufstieg hat niemand geglaubt. Es ist zur Wahrheit geworden, und der Mann, der es in Gottes Auftrag geschafft hat, ist Adolf Hitler. Darum entbieten wir ihm aus vollem Herzen Dank und Gruß und bitten den Allmächtigen, er möge auch ferner mit ihm sein. Heil Hitler!“
Neben seiner publizistischen Tätigkeit engagierte sich Wittgen in der 1903 geschaffenen Wiesbadener Baugenossenschaft Eigenheim eGmbH. Dieser Bauverein erwarb in Wiesbaden-Sonnenberg Bauplätze, um Wohnraum für Beamte, Offiziere und Kaufleute zu schaffen. Aus dieser Initiative entwickelte sich durch
Erweiterung der Siedlung der Stadtteil Eigenheim. Wittgen starb in Wiesbaden am 15. Januar 1943.
Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 23. Mai 1951 wurde eine Verkehrsfläche nach den Brüdern Philipp und Wilhelm Wittgen im Stadtteil Sonnenberg benannt.
Die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden empfahl die Kontextualisierung des Wittgenwegs wegen Wittgens Mitgliedschaften in mehreren nationalsozialistischen Organisationen (NNSDAP, Reichsschrifttumskammer, NSLB). Aufgrund seiner Tätigkeit als Herausgeber des „Nassauischen Allgemeinen Landeskalenders“ war Wittgen für mehrere Artikel verantwortlich, die Adolf Hitler und das NS-Regime verherrlichten. Mindestens einen dieser Artikel verfasste Wittgen selbst. Hierdurch gab er ein wahrnehmbares Bekenntnis zum Nationalsozialismus ab und artikulierte öffentlich nationalsozialistische Ideologie. Ein darüber hinausgehendes aktivistisches Verhalten oder eine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus konnten anhand der verfügbaren Quellen nicht belegt werden.
Literatur
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Stolper, Dirk
Namen im öffentlichen Raum. Abschlussbericht der Historischen Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden, in: Schriftenreihe des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 17. Wiesbaden 2023.