Richard-Strauß-Straße (Nordost)
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Im Stadtteil Nordost wurde auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 26. Januar 1956 eine Verkehrsfläche nach dem Komponisten Richard Strauss (1864-1949) benannt.
Richard Strauss wurde am 11. Juni 1864 in München als Sohn eines Berufsmusikers geboren. Zwischen 1870 und 1882 besuchte er dort die Schule. Parallel erhielt er Musikunterricht und begann bereits früh, selbst zu komponieren, und erhielt Kompositionsunterricht. 1882 legte Strauss sein Abitur ab. Anschließend studierte er an der Universität München für zwei Semester Philosophie, Ästhetik und Kunstgeschichte. Zwischen 1883 und 1885 begab sich Strauss auf eine Künstlerreise und wurde anschließend Musikdirektor der Meininger Hofkapelle.
Im Jahr 1886 wurde Richard Strauss dritter Kapellmeister an der Münchner Hofoper. In den folgenden Jahren wechselte er mehrfach die Stelle und war zugleich als Komponist, vornehmlich von Opern und Orchesterwerken, tätig, die er mit zunehmendem Erfolg veröffentlichte und zur Aufführung brachte. In den Jahren bis 1905 erarbeitete er sich zunächst im deutschsprachigen Raum und bis zur Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts internationale Bekanntheit. 1889 wechselte er nach Weimar, wo er zwischen 1889 und 1894 Kapellmeister am Hoftheater war. 1894 übernahm Strauss erstmals ein Dirigat bei den Bayreuther Festspielen und wurde erster Hofkapellmeister in München. 1898 wurde er zum Kapellmeister der Berliner Hofoper berufen. 1901 wurde Strauss Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Musikvereins. Im Jahr 1908 erfolgte die Ernennung zum Generalmusikdirektor und Leiter der Konzerte der Hofkapelle in Berlin. 1910 erhielt er den Bayerischen Maximiliansorden, dem in den Folgejahren zahlreiche weitere Auszeichnungen folgten.
Während des Ersten Weltkrieges blieb Strauss künstlerisch schaffend, im Revolutionsjahr 1918 verließ er jedoch Berlin. 1919 wurde er gemeinsam mit Franz Schalk zum Direktor der Wiener Staatsoper ernannt. Seit 1924 war Strauss als freischaffender Dirigent und Komponist tätig. Er galt zu dieser Zeit bereits als „Klassiker“ und wurde national und international sehr geschätzt. Er war im Opernsaal und im Radio der meistgespielte Komponist und seine Werke wurden allein zwischen den Jahren 1933 und 1942 etwa 4.000-mal in den deutschen Opern aufgeführt.
Zu Beginn der NS-Herrschaft 1933 zeigte sich Strauss gegenüber den neuen NS-Machthabern als linientreu. So war er Unterzeichner des „Protests der Richard-Wagner-Stadt München“ aus dem April 1933, der sich gegen eine von Thomas Mann gehaltene Rede an der Münchner Universität richtete. Mann hatte das Vereinnahmungsbestreben der Nationalsozialisten in Bezug auf Richard Wagner kritisiert, was u. a. vom „Völkischen Beobachter“ scharf angefeindet worden war.
Zugleich übernahm Strauss 1933 Dirigate jüdischer Kollegen. So ersetzte er Bruno Walter, der aufgrund massiver Drohungen von Seiten des Propagandaministeriums einen Auftritt in der Berliner Philharmonie absagte. Strauss zögerte zuerst, nahm das Engagement dann doch an. Die Gründe für dieses Verhalten sind bis heute unklar und reichen von Unterstützung für das Berliner Orchester auf Wunsch Walters bis hin zu öffentlicher Unterstützung der NS-Ideologie.
In ähnlicher Form handelte Strauss im Falle des italienischen Dirigenten Arturo Toscanini, den er bei den Bayreuther Festspielen 1933 ersetzte. Toscanini hatte sich an einem schriftlichen Protest gegen Hitler beteiligt und das Ende der politischen und religiösen Verfolgungen insbesondere von Kunstlern gefordert. Nach einem Briefwechsel mit Hitler, der ihn von einer Absage abhalten wollte, entschied sich Toscanini, das Bayreuther Dirigat aufzugeben.
Strauss äußerte sich auch in Artikeln positiv über das NS-Regime. Seine Auftritte und Äußerungen im jungen „Dritten Reich“ entfalteten Außenwirkung, was ihm insbesondere im Ausland Kritik einbrachte. Im NS-Regime selbst stieg Strauss’ Ansehen durch die Übernahmen der Dirigate, was ihm in den Folgejahren persönliche Vorteile einbrachte. So wurde er 1933 zum Ehrenpräsidenten der Deutschen Musik-Premieren-Bühne ernannt und trat im selben Jahr in Verhandlungen mit Propagandaminister Goebbels über die Präsidentschaft der neu gegründeten Reichsmusikkammer.
Im November 1933 erfolgte Straussʼ Ernennung zum Präsidenten der Reichsmusikkammer, dem nunmehr einflussreichsten Amt in der Musikpolitik im Deutschen Reich. Während seiner Präsidentschaft bis 1935 wurde u. a. beschlossen, dass „Nichtariern“ die Aufnahme in die Kammer versagt wurde, was die Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten stark einschränkte. An der Forcierung der sogenannten Entjudung des deutschen Kulturlebens, welche ab 1935 durchgeführt wurde, war Strauss allerdings nicht mehr beteiligt.
Für seine Ernennung zum Präsidenten der Reichsmusikkammer bedankte sich Strauss bei Propagandaminister Goebbels mit einem Lied, das eine Überarbeitung des Gedichts „Das Bächlein“ war.
Auch in den Dankesreden zur Eröffnung der ersten Tagung der Reichsmusikkammer im Februar 1934 und zum ersten Komponistentag der Kammer lobte Strauss die Kulturpolitik der Nationalsozialisten. Strauss bekannte sich somit zur Kulturpolitik des NS-Regimes, er unterstützte auch die allgemeinpolitischen Entwicklungen des „Dritten Reiches“ und unterhielt enge persönliche Beziehungen zur neuen Machtelite. So unterstützte er nach dem Tod Hindenburgs im August 1934 die Absicht Hitlers, das Amt des Reichskanzlers mit dem des Reichspräsidenten zu vereinen, und nahm an der Hochzeit Hermann Görings 1935 teil. Strauss überreichte dem Reichsluftfahrtminister eine handgeschriebene Fassung seiner Oper „Arabella“.
1934 wurde Strauss auch mit dem renommierten Adlerschild des Deutschen Reiches ausgezeichnet.
Straussʼ Stellung im „Dritten Reich“ erlebte im Sommer 1935 durch die sogenannte Zweig-Affäre jedoch einen empfindlichen Dämpfer. Strauss hatte mit dem jüdischen Schriftsteller Stefan Zweig als Librettisten für seine Oper „Die schweigsame Frau“ zusammengearbeitet. Als diese 1935 uraufgeführt werden sollte, kam es zu einem Eklat, da Strauss darauf beharrte, dass Zweig als Librettist auf den Ankündigungsplakaten genannt werden sollte. Daraufhin sagten Hitler und Goebbels ihren Besuch der Premiere kurzfristig ab. Zweig hatte Strauss im Vorfeld für dessen enge Beziehung zum Regime kritisiert und eine weitere Zusammenarbeit infrage gestellt. Strauss antwortete dem Schriftsteller in einem Brief, in dem er sein Engagement u. a. als Präsident der Reichmusikkammer als unpolitisch und ganz im Sinne der Weiterentwicklung und Sicherung eines künstlerischen Anspruchs darstellte. Die NS-Presseorgane bezeichnete er zudem als Schmierer. Der Brief des Komponisten erreichte Zweig allerdings nicht, weil er von der Dresdner Gestapo abgefangen und über die Gauleitung an Goebbels weitergeleitet wurde. Dieser war über Straussʼ Äußerungen zutiefst empört.
In der Folge wurde Strauss von Goebbels zum Rücktritt vom Amt des Präsidenten der RMK gedrängt. Gegenuber der Öffentlichkeit wurde der Rücktritt im gegenseitigen Einverständnis gesundheitlich begründet.
Wenngleich der Topos von Straussʼ Wirken als RMK-Prasident, „um Schlimmeres zu verhindern“, auch in der Nachkriegszeit immer wieder bemüht worden ist, zeigen die zeitgenössischen Quellen, dass Strauss durchaus versuchte, eine Rehabilitation bei den NS-Machthabern zu erreichen. Strauss suchte beispielsweise den Kontakt zu Hitler. Dieser ignorierte die Versuche, er ließ in Abstimmung mit Goebbels Strauss aber auch nicht gänzlich fallen, zumal Strauss nach wie vor erhebliche künstlerische Reputation besaß.
So durfte Strauss am 1. August 1936 im Rahmen der Eröffnungsfeier für die Spiele der XI. Olympiade in Berlin die von ihm komponierte „Olympische Hymne“ urauffuhren, mit der er 1932 beauftragt worden war. Es folgten weitere Tätigkeiten mit kulturpolitischer Bedeutung, an denen Strauss für das NS-Regime beteiligt war. Zu nennen sind etwa seine Teilnahme an den ersten Reichsmusiktagen im Mai 1938 und seine 1940 im Auftrag des Propagandaministeriums erstellte Komposition zum 2.600-jährigen Bestehen des Kaiserreichs Japan.
Das Verhältnis zwischen Strauss und Goebbels besserte sich so bis zu Beginn der 1940er Jahre wieder erheblich.
Trotz dieser Annäherung gab es auch immer wieder Spannungen zwischen dem Regime und Strauss. Ein Auslöser war die Weigerung des Komponisten, auf Anordnung der NSDAP-Kreisleitung Garmisch Flüchtlinge und Ausgebombte in seiner 19 Zimmer großen Villa aufzunehmen. Hitler erlies daraufhin 1943 eine Weisung, die anordnete, dass alle NS-Mitglieder in Führungspositionen ihre Beziehungen zu Strauss abbrechen sollten. Die Presse wurde angewiesen, nur knapp über den Komponisten und seine Engagements zu berichten. Außerdem sollten keine Veröffentlichungen zum 80. Geburtstag im folgenden Jahr erscheinen.
Zu der ambivalenten Beziehung zwischen Strauss und der NS-Führung trug auch die Tatsache bei, dass Straussʼ einziger Sohn Franz mit einer jüdischen Frau verheiratet war. Franz Strauss hatte seine Frau Alice im Jahr 1924 in Wien geheiratet. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Jahr 1933 hatten Alice Strauss und die gemeinsamen Kinder immer wieder unter antisemitischen Angriffen der Nationalsozialisten zu leiden. Die guten Kontakte von Strauss verhinderten jedoch eine Verfolgung seiner Schwiegertochter oder seiner Enkel. So bedankte er sich 1938 beim Generalintendanten der Preußischen Staatstheater, Heinz Tietjen, für dessen Bereitschaft, sich bei Hermann Göring für seine Familie einzusetzen.
Die Situation für Straussʼ Familie blieb jedoch durch die Rassenverfolgung bedroht. Seine Schwiegertochter Alice stand in Garmisch unter Hausarrest. Sein Enkel Richard wurde von Mitschülern als „Jude“ beschimpft. Am 10. November 1938 holte die SA Alice Strauss im Haus ihres Schwiegervaters ab. Alice und Franz Strauss wurden im Winter 1943/44 von der Wiener Gestapo verhaftet und verhört. Erst im März 1945 erhielt die Familie ein Telegramm, in dem bestätigt wurde, dass die bayerische Staatsregierung auf eine Deportation von Alice Strauss in ein Arbeitslager verzichtete. Tatsächlich ging mit der Prominenz von Richard Strauss ein Schutz für seine Familie einher.
Richard Strauss bezeichnete die Bedrohung seiner Familie nach 1945 jedoch lediglich als „dumme Zwischenfälle“.
Strauss selbst vertrat seit seiner Jugendzeit immer wieder selbst antisemitische Positionen und Stereotype. Dies zeigt sich beispielsweise in Briefen an Cosima Wagner. Auch in einem Brief an den Komponisten Hans Sommer ist ein rassistischer bzw. ein völkischer Antisemitismus bei Strauss abzulesen.
Strauss’ Biograf Dietrich Kroncke, der sich intensiv mit der Einstellung des Komponisten zum Judentum auseinandergesetzt hat, charakterisiert Strauss als „Salon-Antisemitien“, der antisemitische Positionen anlass- und empfängerbezogen eingenommen habe. Strauss unterschied dabei zwischen „den Juden“ im Allgemeinen und seinen persönlichen Bekannten, Freunden und Familienmitgliedern.
Antisemitische Äußerungen wurden immer dann von Strauss verwendet, wenn er entweder Konflikte mit jüdischen Kollegen wie beispielsweise Bruno Walter hatte oder sich Themen um „die Juden“ im allgemeinen Kontext drehten.
Festzuhalten ist, dass Strauss im Laufe seines Lebens eine Vielzahl von antisemitischen Äußerungen in Briefen getätigt hat. Dies trifft vor allem auf seine Jugendzeit zu. Strauss gab vor allem in Briefen an seinen Vater die zeitgenössischen herabwürdigenden Redewendungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wieder.
Auch in der Kriegszeit blieb Strauss komponierend und dirigierend tätig. 1942 erhielt er den von Gauleiter Baldur von Schirach gestifteten Beethoven-Preis der Stadt Wien. Im August 1944 wurde Strauss auf die „Gottbegnadeten-Liste“ des Propagandaministeriums gesetzt, hier sogar auf die „Sonderliste der unersetzlichen Musiker“. Neben Strauss wurden nur noch Hans Pfitzner und Wilhelm Furtwängler mit dieser Auszeichnung bedacht.
Nach Kriegsende lebte Strauss, dessen Gesundheitszustand sich verschlechtert hatte, zeitweise in der Schweiz. In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde er zunächst in die Gruppe 1 („Hauptschuldiger“) eingestuft, im Revisionsverfahren 1948 jedoch entlastet. Er starb nach letzten Auftritten in München im Sommer 1949 am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen.
Die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden empfahl die Umbenennung der Richard-Strauss-Straße wegen Straussʼ Präsidentschaft der Reichsmusikkammer, weshalb er Funktionsträger war und damit aktiv für den nationalsozialistischen Staat eintrat. Er unterstützte durch öffentliche Ansprachen das NS-Regime immateriell und artikulierte öffentlich die nationalsozialistische Ideologie. Strauss profitierte durch die Verleihung von Ehrungen und Preisgeldern sowie durch seinen Auftritt bei den Olympischen Spielen 1936 materiell und immateriell von der Kulturpolitik des „Dritten Reiches“.
Litaeratur
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Stolper, Dirk
Namen im öffentlichen Raum. Abschlussbericht der Historischen Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden, in: Schriftenreihe des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 17. Wiesbaden 2023.