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Palasthotel

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Als 1902 die über 400 Jahre alten Badhäuser »Zum weißen Schwan« und »Engel« abgerissen wurden, fand man Reste einer römischen Thermenanlage und eine heiße Quelle, die seit 1.000 Jahren nicht mehr genutzt worden war. Im Juni 1903 besichtigte das deutsche Kaiserpaar – Wilhelm II. und Auguste Viktoria – die für die Wissenschaft hochbedeutende Entdeckung.

Hier, am Kranzplatz, wurde dann ab 1903 das Palasthotel nach Plänen des Architekten Paul A. Jacobi errichtet, der bis Oktober 1904 auch die Bauleitung innehatte. Fertiggestellt wurde es unter der Leitung des Architekten Fritz Hatzmann, die Fassade entwarf der Wiesbadener Architekt Theobald Schöll. Im Frühjahr 1905 wurde das sechsgeschossige, luxuriöse Hotel der Belle Époque eröffnet.

Die konvex geschwungene, bis heute erhaltene Fassade der bis an die Saalgasse reichenden geschlossenen Vierflügelanlage kann als städtebaulicher Glanzpunkt angesehen werden. Asymmetrisch gestaltet, zeigt sie neben neubarocken Formen auch solche des Jugendstils, vor allem in der Rahmung des Haupteingangs und in der Dachzone. Im ursprünglich üppig begrünten Innenhof befindet sich noch heute ein pavillonartiger Bau mit Terrasse, Brunnen und seitlichen Freitreppen, der ehemalige Wintergarten mit kunstvoller Jugendstilverglasung. Vestibül und Haupttreppenhaus sowie Gesellschaftsräume, Gästezimmer und Familienwohnungen waren luxuriös und kunsthandwerklich hochwertig ausgestattet.

Neben dem Wintergarten gab es unter anderem ein Thermalbadhaus, dessen Bäder aus der Kochbrunnenquelle gespeist wurden. Somit war das Haus auch für die immer populärer werdende sogenannte Winterkur gerüstet. Prominentester Besucher war wohl der Tenor Enrico Caruso. Er gastierte am 01.10.1908 im Hoftheater in Verdis »Rigoletto«. Im Zweiten Weltkrieg diente das Hotel als Lazarett, danach als Quartier für die amerikanische Besatzungsmacht und schließlich als Bürohaus für städtische Ämter und Landesdienststellen.

Nachdem im Zuge der Planungen von Ernst May sogar ein Abriss erwogen worden war, fiel 1973 die Entscheidung zugunsten einer Wohnnutzung nach Maßgabe des sozialen Wohnungsbaus. Der Umbau erfolgte 1976/77 unter Einbeziehung des südlich angrenzenden Hotels; zudem wurde der Nordflügel um einen Erweiterungsbau in zeitgenössischer Formensprache ergänzt.

Bis heute enthält das ehemalige Palasthotel über 80 Wohneinheiten, dazu Büroflächen und in den beiden Untergeschossen Läden und ein Restaurant. Äußerlich fast unverändert, erinnern im Inneren nur noch wenige Relikte wie z. B. das repräsentative Treppenhaus an die Glanzzeit des Hauses.

Literatur

Schulze-Köln, Otto: Das Palast-Hotel in Wiesbaden. In: Innendekoration. Illustrierte kunstgewerbliche Zeitschrift für den gesamten inneren Ausbau, Alexander Koch (Hrsg.), Bd. XVI., Darmstadt 1905 [S. 117–132].

Vollmer, Eva Christina: »Palast-Hotel« am Kranzplatz. Wo Caruso die Donna mobil machte… In: Zeitzeugen, Bd. II [S. 84– 89].

Wiesbaden. Stadtgestalt und Denkmalschutz im Städtebau. Beitrag der Landeshauptstadt Wiesbaden zum Wettbewerb Stadtgestalt und Denkmalschutz im Städtebau 1978, Wiesbaden 1979 [S. 117–122; 128–140].

Fassade des Palasthotels, ca. 1985 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F000-8558, Urheber: Joachim B. Weber
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