Kronprinzenstraße (Mitte)
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Der Magistrat beschloss am 14. März 1903 eine Straße im Stadtteil Mitte dem Sohn des Kaisers Wilhelm II., dem Kronprinzen Wilhelm von Preußen (1882-1951) zu widmen.
Wilhelm von Preußen wurde am 6. Mai 1882 in Potsdam als Sohn des damaligen Kronprinzen Wilhelm und seiner Ehefrau Kronprinzessin Auguste Viktoria geboren. Ab dem Besuch der Untersekunda im Jahr 1896 bewohnte er das sogenannte Prinzenhaus in Plön. Von 1901 bis 1903 studierte Wilhelm von Preußen Staats- und Verwaltungsrecht in Bonn. 1911 übernahm er das Kommando des 1. Leib-Husaren-Regiments Nr. 1 in Danzig. Während des Ersten Weltkrieges war er nominell Kommandeur der 5. Armee. Nach der deutschen Kapitulation 1918 war Wilhelm von Preußen in den Niederlanden ansässig und kehrte 1923 als Privatmann nach Deutschland zurück.
Der Kronprinz pflegte wohl schon seit ca. 1910 eine Nahe zum Alldeutschen Verbund. Bereits in frühen Stellungnahmen nach der Revolution von 1918 sind antisemitische und antidemokratische Äußerungen von Wilhelm von Preußen überliefert. So machte der ehemalige Kronprinz Juden öffentlich für den Niedergang des Deutschen Reiches und der Revolution verantwortlich.
Gleichzeitig unterhielt er bis mindestens 1933 Beziehungen zur jüdischen Oberschicht. Diese Beziehungen führten jedoch nicht dazu, dass Wilhelm öffentlich die nationalsozialistische Verfolgung und Ermordung von Juden ablehnte. Nach der Abdankung seines Vaters war der ehemalige Kronprinz bereits seit seiner Zeit im niederländischen Exil dem rechten Rand zuzuordnen. Wilhelm von Preußen war spätestens mit dem Aufkommen des italienischen Faschismus ab 1924 davon überzeugt davon, dass Deutschland einen Diktator brauche.
Ein weiterer Indikator für die Begeisterung des ehemaligen Kronprinzen für den Faschismus war seine Mitgliedschaft in der profaschistischen Gesellschaft zum Studium des Faschismus. Hier wurden unter anderem Netzwerke geknüpft und antidemokratische Konzepte diskutiert.
Die politische Agenda Wilhelms von Preußen war durchgängig von einer Restauration der Hohenzollern-Monarchie getragen, auch wenn es für dieses Vorhaben keine konkreten und realistischen Planungen gab. 1929 trat von Preußen dem »Stahlhelm« bei. Bereits zuvor hatte er sich immer mehr der Organisation von alten Frontkämpfern angenähert, die als größter republikfeindlicher Wehrverband der Weimarer Republik galt. Wilhelm von Preußen trat außerdem regelmäßig bei öffentlichen Veranstaltungen des »Stahlhelms – Bund der Frontsoldaten« auf.
Vom konservativen Milieu wurde der Kronprinz seit spätestens 1930 für eine Reichstagskandidatur ins Spiel gebracht. Er verfügte über ein großes Netzwerk und gute Kontakte in die Reichswehrführung und die Deutschnationale Volkspartei (DNVP). Im Laufe der 1930er Jahre intensivierte Wilhelm von Preußen auch seine Beziehungen zu der politisch aufsteigenden NSDAP. Er pflegte beispielsweise Kontakte mit Hermann Goring und traf Adolf Hitler wohl bereits im Jahr 1926 im Schloss Cecilienhof. Im Wahlkampf 1932 ließ sich Wilhelm von Preußen neben NSDAP-Mitgliedern mit NS-Propagandaplakaten fotografieren. Außerdem setzte er sich bei Reichswehr- und Innenminister Wilhelm Groener (parteilos) gegen das Verbot von SA und SS.
Wilhelm von Preußen suchte die Nähe zur Staatsführung am ende der Weimarer Republik, weil er selbst eine Rolle bei den sich ändernden politischen Vorzeichen spielen wollte. Bei diesem Vorhaben musste auch Adolf Hitler als Führer der Nationalsozialisten ins Blickfeld des Kronprinzen geraten. Das Verhältnis zwischen Hitler und Wilhelm von Preußen wurde enger, aber der Kronprinz hatte Hitler nicht als einzige politische Option für seine Agenda vor Augen, sondern war auch zu einer Zusammenarbeit mit den konservativen Politikern bereit. Wilhelm von Preußen agierte allerdings unvorsichtig, sodass unter anderem Hindenburg kein Interesse an einer Zusammenarbeit hatte. Nach dem 30. Januar 1933 bot sich Wilhelm von Preußen als »royales Aushängeschild« des »Dritten Reiches« an.
Das neue Selbstverständnis Wilhelms von Preußen nach der »Machtübernahme« der Nationalsozialisten wurde insbesondere beim sogenannten Tag von Potsdam am 21. März 1933 deutlich, als das Regime öffentlich den Schulterschluss zwischen den Eliten des alten Kaiserreichs, der Reichswehr und dem neuen Hitler-Deutschland inszenierte. Wilhelm von Preußen nahm mit seiner Familie am Staatsakt zur Eröffnung des neu gewählten Reichtags sowie an Paraden teil. Die Familie war stets prominent und gut sichtbar platziert.
Öffentliche Werbung für Hitler und die Nationalsozialisten betrieb Wilhelm von Preußen aber auch im Ausland. In seiner Korrespondenz finden sich Belege, dass er gegenüber ausländischen Politikern und Prominenten die antisemitischen »Maßnahmen« des NS-Regimes verteidigte. Ähnlich positiv äußerte sich von Preußen über Hitler beispielsweise auch in der amerikanischen Presse.
Wilhelm von Preußen trat nicht nur öffentlich für Hitler und das Regime ein, er engagierte sich auch in NS-Organisationen. Er trat im Mai 1933 dem Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) bei. Im Januar 1934 wurde er Mitglied der Motor-SA. Der ehemalige Kronprinz absolvierte als Mitglied dieser Organisationen eine Reihe von öffentlichen Auftritten, bei denen er sich mit Hakenkreuzbinde ablichten ließ und sich neben NS-Größen wie SA-Chef Ernst Röhm und SS-Reichsführer Heinrich Himmler präsentierte.
Trotz dieser Anbiederung verlor Wilhelm von Preußen nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten und mit der »Gleichschaltung« sowie dem Rückdrängen der alten Machteliten aus den Schaltstellen der Staatsverwaltung an politischer Bedeutung. Öffentliche Auftritte wurden immer seltener.
Nach Kriegsende wurde Wilhelm von Preußen in Österreich verhaftet und nach Hechingen gebracht, wo er von den Alliierten über mehrere Jahre unter Arrest gestellt wurde. Von Preußen wurde im Rahmen der Nürnberger Prozesse vom amerikanischen Anklagevertreter Robert Kempner verhört, aber juristisch nicht belangt. In Nürnberg, aber auch in Pressegesprächen präsentierte sich der ehemalige Kronprinz nun als strikter Gegner Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus. Wilhelm von Preußen starb am 20. Juli 1951 in Hechingen.
Die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden empfahl die Namensentwidmung der Kronprinzenstraße wegen Wilhelms von Preußen Mitgliedschaften im NSKK und der Motor-SA. Auch vor 1933 hat er sich mit seiner Mitgliedschaft im »Stahlhelm« und der Gesellschaft zum Studium des Faschismus in völkisch-nationalistischen Gruppen betätigt.
Wilhelm von Preußen unterstützte durch öffentliche Auftritte im In- und Ausland und durch seinen Auftritt beim »Tag von Potsdam« das NS-Regime immateriell.
Er verharmloste die antisemitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten in der nationalen und internationalen Presse und artikulierte dadurch öffentlich die nationalsozialistische Ideologie.
Nach dem Ende der NS-Herrschaft relativierte und verharmloste Wilhelm von Preußen die Verbrechen des NS-Regimes und relativierte seine eigene Rolle in beschönigender und exkulpativer Absicht.
Der Ortsbeirat Mitte folgte in seiner Sitzung vom 1. Februar 2024 der Empfehlung der Fachkommission und beschloss die Namensentwidmung der Kronprinzenstraße.
Literatur
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Stolper, Dirk
Namen im öffentlichen Raum. Abschlussbericht der Historischen Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden, in: Schriftenreihe des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 17. Wiesbaden 2023.