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Kleingärten

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Die sogenannten Armengärten, die im 19. Jahrhundert in England zur Linderung der Not in den Städten angelegt wurden, gelten als Vorläufer der heutigen Kleingärten. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es sie bereits in zahlreichen großen Städten Deutschlands. Auch größere Industriebetriebe legten Gärten für ihre Arbeiter an. Vor den Toren der Städte waren neben Armengärten Gemüse-, Obst-, aber auch Lustgärten städtischer Bürger in unterschiedlicher Größe und Ausstattung weit verbreitet.

Die für die heutigen Kleingärten Namen gebende Bezeichnung »Schrebergärten« geht auf eine Initiative des Leipziger Schuldirektors und Reformpädagogen Ernst Innozenz Hauschild (1808–1868) zurück. Er gründete den »Verein zur Landbeschaffung für Kinderspielplätze«, der nach dem Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808–1861) »Schreberverein« genannt wurde.

In Wiesbaden förderte die Stadtverwaltung um 1900 die Anlage von Gartengrundstücken zum Anbau von Gemüse und Obst. 1902 waren in verschiedenen Teilen der Feldgemarkung größere Grundstücke als »Schrebergärten« hergerichtet worden, die die Stadt auf eigene Kosten einfriedete und mit Wasserleitungen versah. Die Grundstücke konnten für 30 Mark im Jahr gepachtet werden. Die Gärten erfreuten sich großer Beliebtheit bei Menschen »... aus allen Berufskreisen«. Neben Gemüse bauten sie Blumen und Obst an oder nutzten die Gärten als Kinderspielplätze. Da die erste Kleingartenanlage so erfolgreich angenommen wurde und finanziell für die Stadt keine Nachteile mit sich brachte, wurde eine zweite Anlage eingerichtet und der Pachtpreis gesenkt, um auch ärmeren Familien eine Gartennutzung zu ermöglichen. 1914 zählte man schon 212 Kleingartenparzellen, die für 2–4 Mark verpachtet wurden. Zusätzlich überließ die Stadt 20 Grundstücke mit der Gesamtgröße von 20 Morgen (ca. 5 ha) im Distrikt Holzstraße Armen unentgeltlich zur selbstständigen Bewirtschaftung. Man versprach sich neben der besseren Versorgung mit Gemüse auch einen erzieherischen und gesundheitlichen Effekt für kinderreiche Familien.

Das Wachsen der Städte Anfang des 20. Jahrhunderts und der Bau neuer Siedlungen bedrohten jedoch den Bestand vorhandener Kleingärten, so dass Forderungen nach gesetzlichen Sicherungen und dauerhaften Kleingartenanlagen immer lauter wurden. Von entscheidender Bedeutung war daher die »Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung« vom 31.07.1919, die den Kündigungsschutz sowie den Schutz gegen Spekulation und Zwangspacht in Deutschland regelte. 1921 schlossen sich alle Organisationen, die sich um die Anlage und Verwaltung von Kleingärten bemühten, zum »Reichsverband der Kleingärtnervereine Deutschlands« zusammen. Die ersten Kleingartenvereine in Wiesbaden entstanden nach dem Ersten Weltkrieg, als Inflation und wirtschaftliche Not das Leben kennzeichneten.

Der älteste heute noch existierende Wiesbadener Verein ist »Zwo Börn«, der 1919 an der heutigen Berliner Straße gegründet wurde; die Stadt stellte den Kleingärtnern hier 3,8 ha Land zur Verfügung. Zwei Jahre später gründete sich »Wiesbaden und Umgebung«, 1922 der Biebricher Verein »Selbsthilfe« sowie 1924 »Unter den Nussbäumen«.

In Notzeiten war die Nachfrage nach Kleingärten und Grabeland naturgemäß am größten. In der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre stieg daher aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der Mittellosigkeit vieler die Nachfrage nach Kleingärten sprunghaft an. Die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 6.10.1931 erlaubte es, Land für Kleingärten gegen eine angemessene Entschädigung zu enteignen. Im Oktober 1933 gründete sich die Stadtgruppe Wiesbaden der Kleingärtner im »Reichsbund Deutscher Kleingärtner e.V.«, sie war der Vorläufer des heutigen »Stadt- und Kreisverbandes Wiesbaden der Kleingärtner e.V.«, 1959 wurde die Bezeichnung »Stadtgruppe Wiesbaden der Kleingärtner e.V.« eingeführt; diese erhielt 1974 den heutigen Namen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Kleingärten und Grabeland zur Versorgung vieler Menschen überlebenswichtig. Um die niedrigen Lebensmittelzuteilungen ausgleichen zu können, pflanzte die Bevölkerung in den frühen Nachkriegsjahren ihr eigenes Gemüse auf allen nutzbaren Flächen an, zu denen auch öffentliche Grünanlagen gehörten. Auch die Stadtverwaltung Wiesbaden stellte in dieser Zeit zusätzliche Schrebergärten und Gartenflächen, insgesamt 1.200 Parzellen, zur Verfügung. 1948 gab es in Wiesbaden 5.500 organisierte Kleingärten, 1950 waren es sogar 6.300 mit einer Fläche von rund 205 ha, eine Zahl, die danach nie wieder erreicht wurde. Allerdings lag ihre Größe unter der gewünschten Norm von 300–400 m2 pro Parzelle.

Mit der Verbesserung der Lebens- und Ernährungssituation der Bevölkerung seit den 1950er-Jahren wandelte sich die Funktion der Kleingärten, der Aspekt der Gärten als zusätzlicher Nahrungsquelle trat in den Hintergrund. Mitte des Jahrzehnts kam ein Bericht über städtische Freizeiteinrichtungen zu dem Schluss, dass Kleingärten zu einer »eigentlichen Freizeiteinrichtung« geworden seien (Hertzfeld 1956, S. 116). Sie böten neben dem Ausgleich zur Berufsarbeit auch Urlaubserholung und förderten zudem die gemeinsame Freizeitgestaltung der Familien. Der Bau neuer Siedlungen ab den 1950er-Jahren verringerte die Zahl der Kleingärten in Wiesbaden. Seit 1950 fiel sie von 3.349 Parzellen auf 2.654 (1980). Durch die Errichtung der Neubausiedlung ➞ Klarenthal gingen z. B. 175 Gärten mit rund 8 ha Fläche verloren. Um den Bedarf an Gartenland zu decken, stellte die Stadt dafür an anderer Stelle Land für neue Anlagen zur Verfügung, so etwa 1989, als in Klarenthal der Verein »Am Klosterweg e.V.« neu gegründet wurde, oder im Jahr 2000 in ➞ Schierstein, als der Kleingartenverein »Im Boden e.V.« entstand.

Das Kleingartengesetz von 1919 wurde 1983 durch das »Bundeskleingartengesetz« abgelöst, das den Vereinen nun Bestandssicherheit garantiert. Im folgenden Jahr schloss der »Stadt- und Kreisverband Wiesbaden der Kleingärtner e.V.« mit der Stadt Wiesbaden einen Generalpachtvertrag für alle Grundstücke, auf denen sich Kleingartenvereine befanden. Der Verband betreut heute 47 Vereine mit rund 3.700 Mitgliedern in den Kreisen Wiesbaden, Main-Taunus, Rheingau-Taunus und Darmstadt. Neben dem Bund, dem Land Hessen und der Stadt Wiesbaden sind Kirchengemeinden und Privateigentümer die Verpächter der Flächen.

Im Stadtgebiet Wiesbaden bestehen insgesamt 32 Kleingartenanlagen mit einer Gesamtfläche von rund 56 ha. Die Nachfrage nach Parzellen ist auch heute konstant hoch und übersteigt in der Regel das Angebot an ausgewiesenen Flächen. Kleingärten gelten als ein wichtiger Bestandteil städtischer Grüns und bieten den Menschen in der Großstadt wertvolle Garten- und Erholungsflächen. Sie dienen der Freizeitgestaltung sowie der Natur- und Landschaftspflege.

Literatur

Grünflächenamt (Hrsg.): Entwicklung des Kleingartenwesens, Wiesbaden 1980.

Herzfeld, Gottfried: Freizeiteinrichtungen für Jugendförderung und Kulturpflege, Leibesübungen und Sport in der Stadtgemeinde Wiesbaden, Wiesbaden 1956.

Kalle, Fritz/Mangold [Emil]: Die Wohlfahrtseinrichtungen Wiesbadens, Wiesbaden 1902.

Kalle, Fritz/Borgmann, Hanns: Die Wohlfahrtseinrichtungen Wiesbadens, 2. Aufl., Wiesbaden 1914.

Stadt- und Kreisverband Wiesbaden der Kleingärtner e.V. (Hrsg.): Festschrift des Stadt- und Kreisverbandes Wiesbaden der Kleingärtner e.V. anlässlich der 75 Jahr Feier, Wiesbaden 2008.