Herbert, Adam
Herbert, Adam
Apotheker, Mäzen
geboren: 14.07.1887 in Groß-Gerau
gestorben: 02.09.1976 in Selters-Eisenbach
Artikel
Nach dem Besuch der Bürgerschule in seinem Geburtsort Groß-Gerau und des Gymnasiums in Darmstadt studierte Herbert in München Pharmakologie. Seinen Kriegseinsatz überlebte er mit einer schweren Verwundung. Herbert war ab 1915 als Apotheker in Wallau tätig. 1918 gründete er sein eigenes Laboratorium und zog 1927 mit seinem Unternehmen nach Bierstadt, das 1928 nach Wiesbaden eingemeindet wurde. In Wiesbaden stellte Herbert ein Nervenheilmittel her, welches er bald auch in mehreren europäischen Ländern und in Südamerika vertrieb. Der Betrieb florierte so gut, dass er 1932 ein Zweigwerk in Argentinien gründete.
Am 1. Mai 1933 trat Herbert der NSDAP, ein Jahr später der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei. Herbert war außerdem Mitglied im NS-Altherrenbund, dem Reichsbund Deutsche Jägerschaft, dem Reichskolonialbund und dem Verein für das Deutschtum im Ausland und dem Reichsluftschutzbund. Adam Herbert trat 1938 aus der evangelischen Kirche aus und bezeichnete sich fortan als »gottgläubig«, mithin die von den Nationalsozialisten präferierte religiöse Identifikationsformel. Herbert selbst begründete seinen Kirchenaustritt nach dem Zweiten Weltkrieg mit steuerlichen Gründen.
Herbert unterstützte das NS-Regime durch finanzielle Zuwendungen. Greifbar sind nur die Spenden, die Herbert nach dem Krieg in seinem Entnazifizierungsverfahren zugerechnet werden konnten, in der Hauptsache Spenden an das Winterhilfswerk der NSV in Höhe von 78.937 RM. Hinzu kam eine Spende in Höhe von 10.000 RM an die NSDAP, die für die Beschaffung eines Sportflugzeugs für Gauleiter Jakob Sprenger vorgesehen war. Weitere Geldspenden leistete er u. a. an die SS und andere NS-Organisationen. Insgesamt schätzte Herbert diese Beträge auf 5.000 bis 6.000 RM.
Adam Herbert stiftete der Stadt Wiesbaden zudem 1937 eine Parkanlage, die bis 2024 seinen Namen trug. Im Anschluss an die Reisinger-Anlage vor dem Hauptbahnhof auf dem brachliegenden Gelände des ehemaligen Taunusbahnhofs wurde 1937 durch den Gartenbauarchitekten Wilhelm Hirsch (1887–1957) eine Parkanlage, die Herbert-Anlage geschaffen (Reisinger-Anlagen).
Für die Errichtung der Gartenanlage spendete Herbert insgesamt 152.000 RM. Nach seinen Aussagen sollte die Anlage der arbeitenden Wiesbadener Bevölkerung als Erholungsort zur Verfügung stehen. Zudem sollte sie einen Anziehungspunkt für die Kurgäste darstellen. Die Herbert-Anlage bildete zusammen mit der Reisinger-Anlage im Nord-Süd-Verlauf eine direkte Verbindung zwischen der Wiesbadener Innenstadt und dem Hauptbahnhof.
Die Einweihung der Parkanlage 1937 wurde durch den Wiesbadener NSDAP-Oberbürgermeister Erich Mix unter großer Anteilnahme der Bevölkerung durchgeführt. Die Veranstaltung war ein gesellschaftliches Ereignis. Neben den wichtigsten städtischen Repräsentanten nahmen auch hochrangige Vertreter der NSDAP, der SS, der SA, des NSKK sowie der Hitlerjugend und des BDM an der Veranstaltung teil. Zusätzlich wurden hohe Militärs und Persönlichkeiten der Stadtgesellschaft, wie etwa Wilhelm von Opel, eingeladen.
Der NSDAP-Oberbürgermeister Mix betonte bei dieser Gelegenheit die lokale propagandistische Bedeutung der neu errichteten Grünanlage. Nach der Rede des Oberbürgermeisters spielte das anwesende Kurorchester das „Horst-Wessel-Lied“, die Parteihymne der NSDAP.
Adam Herbert verkehrte nicht nur gesellschaftlich, sondern auch privat mit zumeist lokalen und regionalen Funktionsträgern des NS-Staates. So war Herbert beispielsweise mit dem Landeshauptmann Wilhelm Traupel eng verbunden. Traupel, seit 1930 NSDAP-Mitglied, war ab September 1933 Landeshauptmann des Bezirksverbandes Wiesbaden und ab 1936 in Personalunion auch Landeshauptmann des Bezirksverbandes Kassel. In der SS bekleidete er ab 1939 den Rang eines Oberführers. Traupel war ab 1940 im SD-Hauptamt der SS, in der Besatzungsverwaltung in Frankreich und im Reichssicherheitshauptamt der SS in Berlin tätig.
Regelmäßig zur Jagd zu Gast waren auf Herberts Hofgut bei Limburg u. a. der Staatssekretär im Reichspropagandaministerium und Hitler-Vertraute Herrmann Esser, der NSDAP-Gauleiter von Hessen-Nassau Jakob Sprenger, der Wiesbadener NSDAP-Bürgermeister Felix Piékarski, der SS-Standartenführer und Dezernent für Anstaltswesen des Bezirksverbandes Nassau Fritz Bernotat, der maßgeblich an den Krankenmorden in Hadamar beteiligt war, der Generalarbeitsführer des RAD Wilhelm Faatz, der Präsident der Landwirtschaftskammer Georg Hermann Sauerbier und der später in den Nürnberger Nachfolgeprozessen zum Tode verurteilte SS-Gruppenführer Richard Hildebrandt.
1936 erweiterte Adam Herbert seine Apotheke mit Medikamentenherstellung um eine Filiale – die Einhorn-Apotheke in Bamberg. Herbert übernahm die Apotheke von dem jüdischen Vorbesitzer Dr. Otto Holzinger für 260.000 RM. Durch die bei der Emigration zu entrichtende Reichsfluchtsteuer verlor die Familie Holzinger einen erheblichen Teil ihres Vermögens. Jüdische Apotheker mussten auf Grundlage des »Gesetzes über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken« vom 26. März 1936 ihre Geschäfte verkaufen oder an einen »arischen« Apotheker verpachten. Die Profiteure dieser »Arisierungen« im Apothekenbereich waren oftmals NS-Funktionäre oder dem Regime nahestehende Personen.
Der Kauf der Bamberger Apotheke war nach dem Ende der NS-Herrschaft auch Gegenstand des Spruchkammerverfahrens gegen Herbert. Herbert versuchte, den erzwungenen Verkauf im Rahmen der »Arisierung« als Wohltat für den jüdischen Berufskollegen darzustellen, und erhielt dabei Unterstützung von den ebenfalls in die »Arisierungsgeschäfte« mit Apotheken verwickelten berufsständischen Interessenverbänden. Adam Herbert weigerte sich zunächst, stimmte 1951 schließlich doch einem Vergleich mit der Familie Holzinger zu. So konnte er die Apotheke wenig später wiedereröffnen und verpachtete sie an seinen Neffen Otto Herbert, der ebenfalls Apotheker war.
Adam Herbert beschäftigte auf seinem Hofgut zu Hausen im Ort Eisbach (Taunus) während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeitskräfte. In seinem Spruchkammerverfahren gab der Apotheker an, dass er bis 1945 für eingezogenes Personal zwei polnische Familien mit zehn Kindern für die Bewirtschaftung seines Hofes einsetzte. Die Hintergründe und Umstände des Zwangsarbeitereinsatzes auf Herberts Hof bleiben undeutlich.
Zunächst wurde Herbert durch die Spruchkammer 1946 in die Gruppe 1 (»Hauptschuldige«) eingestuft. In Revisionsverfahren gelang es Herberts Anwälten schließlich am 3. März 1948, gegen eine Geldzahlung von 2.000 RM eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Seine wirtschaftliche Tätigkeit setzte Herbert nach dem Zweiten Weltkrieg fort.
1957 wurde Adam Herbert mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet und 1962 zum Ehrenbürger der Landeshauptstadt Wiesbaden ernannt.
Neben dem Kochbrunnen-Springer, den Adam Herbert finanzierte, spendete der Unternehmer den Diana-Brunnen vor den Rhein-Main-Hallen (1958), für den seine Enkelin Ursula Altenheimer Modell stand. Nach Fertigstellung der neuen Rhein-Main-Hallen wird die »Diana« einen neuen Platz in der Nähe erhalten.
Herbert wurde auf dem Friedhof in Wiesbaden-Bierstadt beigesetzt und erhielt von der Landeshauptstadt Wiesbaden ein Ehrengrab.
Die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden empfahl die Umbenennung der Herbert-Anlage wegen Adam Herberts Mitgliedschaften in verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen (NSDAP, NSV, NS-Altherrenbund, Reichsbund Deutsche Jägerschaft, RKB, RLSB) bzw. nationalsozialistisch gleichgeschalteten Organisationen (Volksbund für das Deutschtum im Ausland). Außerdem unterstützte er die NS-Bewegung durch Großspenden an die NSDAP, SS sowie andere NS-Organisationen materiell. Somit gab Adam Herbert ein wahrnehmbares Bekenntnis zum Nationalsozialismus als politischer Bewegung und zum NS-Regime ab. Adam Herbert hat sich außerdem durch den Ankauf einer Apotheke unter Wert von einem jüdischen Vorbesitzer (»Arisierung«) und durch die ausbeuterische Beschäftigung von Zwangsarbeitskräften auf seinem privaten Hofgut aktiv an der Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung einzelner Personen oder Personengruppen während des »Dritten Reiches« beteiligt. Der Ortsbeirat Wiesbaden-Mitte beschloss am 1. Februar 2024, die Herbert-Anlage solle in der Reisinger-Anlage aufgehen.
Literatur
Baumgart-Buttersack, Gretel: Adam Herbert. In: Das Erbe der Mattiaca.
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Buchholz, Horst
Wiesbadener Denkmäler, Wiesbaden 2004.
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Stolper, Dirk
Namen im öffentlichen Raum. Abschlussbericht der Historischen Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden, in: Schriftenreihe des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 17. Wiesbaden 2023.