Gerhart-Hauptmann-Schule
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Auf Beschluss des Magistrats der Landeshauptstadt Wiesbaden und des Hessischen Kultusministeriums wurde die Mittelschule am Boseplatz 1957 nach dem Schriftsteller und Dramatiker Gerhart Hauptmann benannt. Wegen der allgemeinen Raumnot, die insbesondere die Mittelschulen in Wiesbaden betraf, bezogen einige Klassen der Gerhart-Hauptmann-Schule 1961 Räumlichkeiten in der noch an der Manteuffelstraße gelegenen Friedrich-List-Schule. Nach deren Umzug in den Neubau in der Welfenstraße wurde die Gerhart-Hauptmann-Schule komplett an den Standort in der Manteuffelstraße verlegt. Dort befindet sie sich noch heute.
Gerhart Hauptmann wurde am 15. November 1862 als Sohn eines Hotelbesitzers im schlesischen Bad Salzbrunn geboren. Nach dem Besuch der Dorfschule wechselte er an die Realschule in Breslau und absolvierte im Anschluss eine landwirtschaftliche Ausbildung. Zwischen 1880 und 1882 besuchte Hauptmann die Kunst- und Gewerbeschule in Breslau, um sich zum Bildhauer ausbilden zu lassen.
Diese Ausbildung brach er jedoch ebenso ab wie die anschließenden Studien in Jena, Dresden und Berlin, wo Hauptmann Philosophie, Literaturgeschichte, Geschichte und Zeichnen studierte. Zwischen 1883 und 1884 ließ er sich als Bildhauer in Rom nieder. Seine Arbeit blieb jedoch ohne kommerziellen Erfolg.
Seit dem Jahr 1889 verfasste der spätere Literaturnobelpreisträger Dramen. 1892 erschien das Stück »Die Weber«. Das Stück, das sich mit dem schlesischen Weberaufstand von 1844 befasst, machte Hauptmann in den folgenden Jahrzehnten weltbekannt. Er verfasste weitere sozialkritische Dramen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Hauptmann bereits zahlreiche Ehrungen zuteil: Er erhielt Ehrendoktorwürden der Universitäten Oxford (1905), Leipzig (1909), Prag (1921) und später der Columbia University, New York (1932). 1912 erhielt Hauptmann den Literaturnobelpreis.
Dem Kaiserreich und Wilhelm II. stand Hauptmann skeptisch gegenüber, ihm war stets daran gelegen, als unpolitischer Künstler zu gelten. Politisch war Hauptmann von einem kulturellen Nationalismus geprägt, in dem die »deutsche Nation« eine zentrale Rolle spielte. 1905 trat Hauptmann der von Alfred Poetz gegründeten Gesellschaft für Rassenhygiene bei. Diese Gesellschaft wollte die »Rassenhygiene« als Wissenschaft begründen und etablieren. Mit Poetz verband Hauptmann eine Jugendfreundschaft. Die historische Forschung konnte durch die Analyse der Tagebücher und Korrespondenz Hauptmanns herausarbeiten, dass das Verhältnis zu Poetz zu Beginn der 1930er Jahre abgekühlt war und sich der Dramatiker ideologisch von seinem Jugendfreund entfernt hatte.
Den Ersten Weltkrieg begrüßte Hauptmann und veröffentlichte Kriegsgedichte wie »Komm, wir wollen sterben gehen«. Auch begrüßte Hauptmann die Expansionspolitik Deutschlands und erkannte die deutsche Kriegsschuld nicht an.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges und mit Beginn der Weimarer Republik war bei Hauptmann eine schnelle Anpassung an die neuen politischen Verhältnisse erkennbar. Er bekannte sich 1918 zur Republik, lehnte aber eine an ihn herangetragene Bitte zur Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten ab.
Nach der »Machtübernahme« der Nationalsozialisten 1933 war Hauptmann erneut bereit, sich rasch den neuen politischen Gegebenheiten anzupassen. Im März unterschrieb er ein Revers der Mitglieder der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste, die ihre Loyalität gegenüber der neuen Regierung bekundeten. Anlässlich des 1. Mai 1933, den die Nationalsozialisten zum Feiertag erklärt hatten, ließ Hauptmann auf seinem Anwesen auf Hiddensee die Hakenkreuzfahne hissen. Im Oktober 1933 befürwortete er den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund.
Hauptmann zeigte sich auch in der Folge von Hitler begeistert, den er auf dem Höhepunkt der militärischen Erfolge der Wehrmacht als »Weltgenie« bezeichnete.
Der Schriftsteller war ebenfalls von Hitlers Programmschrift »Mein Kampf« überzeugt, das Buch aber auch mit kritischen Anmerkungen versah. Die von den Nationalsozialisten durchgeführten Bücherverbrennungen wertete Hauptmann als Albernheit. Seine Anwesenheit bei der Eröffnung der Reichskulturkammer im November 1933 wurde ebenfalls als offene Loyalitätsbekundung gegenüber dem Regime gewertet. Das »Treugelöbnis deutscher Schriftsteller auf Hitler« unterzeichnete er jedoch nicht. Hauptmanns öffentliche Loyalitätsbekundungen und seine Bewunderung für Hitler stand seine kritische Einstellung zur nationalsozialistischen Kultur- und Rassenpolitik entgegen. Auch das NS-Regime verhielt sich gegenüber dem Dramatiker ambivalent. 1933 wurden Straßen und Schulen, die seinen Namen trugen, umbenannt. Hauptmanns Stück »Die Goldene Harfe« wurde am »Tag der Deutschen Kunst« auf Wunsch Hitlers aufgeführt und in die Inszenierung des Regimes integriert. Andere Stücke Hauptmanns durften unterdessen nicht aufgeführt werden.
1944 wurde Hauptmann auf die Sonderliste der sogenannten Gottbegnadeten-Liste des Reichspropagandaministeriums aufgenommen. Diese Liste enthielt die Namen von deutschen Künstlerinnen und Künstlern, die für das NS-Regime von hoher Bedeutung waren, und stellte diese unter Schutz. Sie mussten beispielsweise keinen Kriegsdienst leisten.
Ambivalent äußerte sich Hauptmann zum Judentum. Er hatte einerseits zahlreiche jüdische Bekannte und Freunde, die ihn vergeblich zu einer Emigration drängten. Einige seiner Freunde brachen auch mit Hauptmann aufgrund dessen Nähe zu den Nationalsozialisten.
Die im Sommer 1935 verabschiedeten Rassegesetze lehnte Hauptmann im Privaten ab. Auch die von den Nationalsozialisten eingeführte Begriffskonstruktion des »lebensunwerten Lebens« und die darauf fußenden »Euthanasie-Aktionen« des NS-Regimes stießen bei Hauptmann auf Ablehnung. Für ein öffentliches Eintreten reichte diese Ablehnung allerdings nicht aus. Hauptmann versuchte vielmehr, die Lebensumstände der Verfolgten, insbesondere der jüdischen Bevölkerung, auszublenden. Die Einführung des »Judensterns« im September 1941 löste bei Hauptmann Empörung aus.
Die Frage, ob Hauptmann jüdische Bekannte und Freunde finanziell unterstützt hatte, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Die von Hauptmann zwischen 1933 und 1945 geschaffenen Dramen sind von einer weitgehenden politischen Distanz geprägt. Eine Ausnahme stellt das Werk »Die Finsternisse« dar. Während es einerseits jüdische Schicksale mit Anteilnahme besprach, bemühte Hauptmann andererseits antijüdische Stereotype. Das Stück wurde nicht veröffentlicht und das Original 1942 aus Furcht vor Entdeckung vernichtet.
Die Expansionspolitik der Nationalsozialisten unterstützte Hauptmann öffentlich in verschiedenen Reden und Radioansprachen zwischen 1936 und 1942.
So blieb Hauptmann insgesamt ambivalent zum Nationalsozialismus eingestellt, brach jedoch weder öffentlich mit dem System, noch nutzte er seine internationale Bekanntheit und Reputation als Nobelpreisträger für eine eindeutige Distanzierung.
Nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches« bot sich für Hauptmann ein letztes Mal die Gelegenheit, die neuen politischen Verhältnisse zu begrüßen. In seinem schlesischen Wohnort Agnetendorf erhielt er im Oktober 1945 Besuch von Johannes R. Becher, dem Präsidenten des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Becher wollte Hauptmann um Hilfe beim Wiederaufbau des Kulturbetriebes in der sowjetischen Besatzungszone bitten. Hauptmann willigte ein, den Ehrenvorsitz des Kulturbundes anzunehmen. Kurz vor seiner Ausreise aus Schlesien starb Hauptmann am 6. Juni 1946.
Die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden empfahl die Umbenennung der Gerhart-Hauptmann-Schule wegen Hauptmanns Unterschrift des Revers der Mitglieder der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste, mit der er das NS-Regime wirksam unterstützt und ein wahrnehmbares Bekenntnis zum Nationalsozialismus als politischer Bewegung und zum NS-Staat ablegte. Durch öffentliche Loyalitätsbekundungen hat Hauptmann die nationalsozialistische Ideologie artikuliert. Außerdem war er berufsbedingt Mitglied der Reichskulturkammer und betätigte sich auch vor 1933 mit seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft für Rassenhygiene in einer völkisch-nationalistischen Gruppe.
Die Historische Fachkommission traf die Handlungsempfehlung vor dem Hintergrund, dass es sich bei der betroffenen Einrichtung um eine Schule handelt. Es wird zudem empfohlen, die Schule mit in einen möglichen Umbenennungsprozess einzubeziehen.
Literatur
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Stolper, Dirk
Namen im öffentlichen Raum. Abschlussbericht der Historischen Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden, in: Schriftenreihe des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 17. Wiesbaden 2023.